Mit der Kapitänsbinde um den Arm und entschlossenem Blick führte Almugera Kabar die U19 von Borussia Dortmund am Mittwoch bei Real Madrid ins Estadio Alfredo Di Stéfano. Auf dem Rasen allerdings war von derartiger Kompromisslosigkeit dann nichts mehr zu spüren. Der BVB unterlag den Königlichen verdientermaßen mit 0:2 und verabschiedete sich im Sechzehntelfinale aus der Youth League.
BVB-Talente enttäuschen in der Youth League
In Kabar, Kjell Wätjen und Cole Campbell standen dabei drei Borussen auf dem Feld, die den Unterschied machen sollten. Ein Trio, das – ebenso wie der derzeit verletzte Filippo Mane – bei Schwarzgelb in die Kategorie „Toptalent“ fällt. Drei Spieler aus dem erweiterten Profi-Kader, allesamt mit (erster) Bundesliga-Erfahrung. Ihrem Status und dem damit verbundenen Anspruch in der Youth League aber wurde keiner von ihnen gerecht.
Vor allem Wätjen war fehlender Rhythmus anzumerken. Auf dem 18-Jährigen lastete ein besonderer Druck, schließlich hatte er in Mussa Kaba einen erst 16-jährigen Nebenmann an seiner Seite. Doch Wätjen gelang es zu keiner Zeit, dem eigenen Spiel Struktur zu verleihen. Fehler reihte sich an Fehler. Die Verunsicherung war spürbar.
Auch Almugera Kabar machte keine gute Figur. Vor dem 0:1 (44.) agierte er viel zu passiv gegen Jesus Fortea, ließ den Madrilenen unbedrängt flanken. Unabhängig davon gab er als Linksverteidiger der schwarzgelben Fünferkette auch nicht die gewünschte Stabilität. Rechtsaußen Cole Campbell wiederum war mangelnder Einsatz zwar nicht vorzuwerfen, doch auch er hing meist in der Luft. Sein Tempo und seine Dynamik kamen nicht zum Tragen, er war von Reals Defensive weitgehend abgemeldet.
BVB-Verletztenmisere großes Problem
Die Entwicklung der BVB-Talente ist gewaltig ins Stocken geraten. Wenn es dafür eines Beweises durfte, dann lieferten ihn die 90 Minuten in der Youth League. Die Ursachen sind vielfältig, die Probleme nachvollziehbar. Der ursprüngliche Plan sieht vor, die Jungspunde über Profi-Training und Einsätze in der 3. Liga in der U23 behutsam aufzubauen. In einem funktionierenden Gebilde sollen sie sich dann perspektivisch zu vollwertigen Profis entwickeln.

Das aber war mit der einsetzenden Verletztenmisere im Team von Nuri Sahin spätestens im Herbst Makulatur. Der zu klein konzipierte Kader musste in der Not immer wieder mit Spielern aus der U19 und U23 aufgefüllt werden. Nicht von ungefähr feierten gleich zwei U19-Spieler (Campbell, Kabar) und drei U23-Akteure (Lührs, Azhil, Paulina) ihr Profi-Debüt. Auf der Ersatzbank herrschte in diesen Wochen ein hoher Grünschnabel-Faktor, zum Einsatz aber kamen die Youngster nur selten. Parallel dazu war die U23 häufig in der 3. Liga gefragt – ohne die Talente, für die Spielpraxis „unten“ bei der anhaltend schlechten Personallage bei den Profis fast ausgeschlossen war. Und wenn die Youngster bei den Profis eingesetzt wurden, stießen sie - in einer zunehmend verunsicherten Mannschaft - erkennbar an Grenzen. Und auch in der 3. Liga wurden ihnen die mitunter aufgezeigt.
Schwierige BVB-Kommunikation
Auch im Übungsbetrieb selbst waren Campbell und Co. häufig nur Füll- und Manövriermasse, um das Training überhaupt mit ausreichend Spielern durchführen zu können. Gezielte, individuelle Förderung blieb so auf der Strecke. Darüber hinaus gab es nach Informationen der Ruhr Nachrichten in den vergangenen Monaten auch innerhalb des Klubs massive kommunikative Schwierigkeiten. So sollen mehrfach Absprachen nicht eingehalten worden sein. Darüber hinaus soll es unterschiedliche Ansagen gegeben haben, welcher Spieler am Training welcher Mannschaft teilnimmt. Das torpediert den eigenen Plan und erschwert Fortschritte.
Schon Anfang Dezember nach dem Spiel gegen Wehen Wiesbaden bekannte U23-Trainer Jan Zimmermann: „Ich muss mich fast dafür entschuldigen, dass wir die Jungs aufgrund der Trainingswoche so unvorbereitet ins Spiel schicken mussten. Wir konnten nicht einmal mit der Mannschaft, so wie sie heute auf dem Platz stand, trainieren. Wir mussten Spieler auf Positionen spielen lassen, auf denen sie nicht zu Hause sind.“
BVB-Talenten fehlt es an Trainings- und Spielrhythmus
Ende Januar nach der 0:4-Klatsche gegen Arminia Bielefeld schlug Zimmermann ähnliche Töne an: „Die Fehler, die wir gemacht haben, dürfen in dieser Häufigkeit nicht passieren. Sie sind aber auch erklärbar. Wir hatten zu viele Spieler dabei, die keinen guten Rhythmus hatten, nicht mit uns trainiert haben, nicht in unseren Abläufen sind.“ Nach Informationen der Ruhr Nachrichten hatten Kjell Wätjen, Almugera Kabar und der eingewechselte Cole Campbell im Vorfeld keine einzige Einheit mit der U23 absolviert, Filippo Mane nur das Abschlusstraining.

Apropos Mane: Der Italiener zog sich am vergangenen Sonntag in Osnabrück bei der U23 die dritte Muskel-Verletzung in dieser Saison zu. Nach wenigen Trainingseinheiten wurde ihm zum Verhängnis, in der 3. Liga sofort wieder die volle Intensität gehen zu müssen.
BVB-Frust auf allen Ebenen
Die Folge: Frust bei den jungen Spielern, die die Stagnation ihrer eigenen Entwicklung natürlich aufmerksam registrieren. Frust bei den Mitspielern, weil die Talente trotz fehlenden Rhythmus‘ den Vorzug erhalten. Frust auch bei den Verantwortlichen, weil es mehr als die eingepreisten Rückschläge gibt.
Wie anspruchsvoll die Situation für die Jungprofis ist, zeigt das Beispiel Cole Campbell. 21 Pflichtspiele in sechs (!) unterschiedlichen Wettbewerben für Profis (Champions League, Bundesliga, DFB-Pokal), U23 (3. Liga) und U19 (Youth League, DFB-Nachwuchsliga) hat Campbell in dieser Saison bislang absolviert. Das Pendeln zwischen den Teams mit unterschiedlichen Mitspielern, verschiedenen Trainern, Herangehensweisen und Abläufen stellt junge Spieler wie ihn physisch wie mental vor enorme Herausforderungen. Deutliche Leistungsschwankungen sind damit natürlich auch ein Stück weit erklärbar.
Die gute Nachricht: Die Verletztenliste bei Borussia Dortmund hat sich stark verkürzt, der neue Cheftrainer Niko Kovac scheint im Saison-Endspurt vor allem auf Erfahrung zu setzen. Die verbleibenden drei Monate könnten damit die Konstanz und Beständigkeit bringen, die die BVB-Toptalente dringend benötigen, um die nächsten Schritte in ihrer Entwicklung zu gehen.
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