Julian Ryerson hielt Wort. „Mehr Tore, mehr Vorlagen“, das habe er sich vorgenommen, sagte der Außenverteidiger von Borussia Dortmund auf Nachfrage der Ruhr Nachrichten. Ende November war das, und wenige Tage später, beim 1:1 in Leverkusen, ließ der Norweger seinen Worten Taten folgen. Durch seinen dritten Saisontreffer liegt er gleichauf mit Marco Reus auf Rang vier im internen Ranking, nur die Offensiven Donyell Malen, Julian Brandt (je 4) und Mittelstürmer Niclas Füllkrug (5) haben häufiger den Ball über die Linie gebracht.
Ryerson fehlt dem BVB wochenlang
Dennoch: Es sind weniger die pointierteren Akzente im vorderen Bereich des Spielfelds, die den wochenlangen Ausfall Ryersons wegen einer schweren Knieverletzung für Borussia Dortmund so bitter machen, sondern sein Fleiß und seine Flexibilität. Intern wird der 26-Jährige hoch geschätzt wegen seiner Verlässlichkeit, seiner permanenten Verfügbarkeit und des bedingungslosen Einsatzes. Als der BVB im vergangenen Winter von einer Ausstiegsklausel Gebrauch machte und den rechts wie links einsetzbaren Außenverteidiger für fünf Millionen Euro von Union Berlin loseiste, verwunderte das zunächst.
Doch längst hat sich herausgestellt, dass Sportdirektor Sebastian Kehl und Trainer Edin Terzic ein mutiger, kreativer Transfer gelungen ist. So einen wie Ryerson, meinte Klubchef Hans-Joachim Watzke anerkennend, den brauche jede Mannschaft. Auf den Hinweis, dass die Nummer 26 fußballerisch doch einige Defizite kompensieren müsse, heißt es bei der Borussia, dass dies in der Erfolgsmannschaft der Klopp-Jahre wohl auch für Marcel Schmelzer oder Sven Bender gegolten habe. Manche müssen arbeiten, damit andere glänzen können. Mit dieser Rolle fühlt sich der 22-fache Nationalspieler der Wikinger wohl.
BVB-Spieler Bensebaini beim Afrika-Cup
Wie auch immer, erst einmal fällt Ryerson aus und stürzt die BVB-Entscheider damit in ein Dilemma. Denn auch der zweite Linksverteidiger im Kader, Ramy Bensebaini, wird nach der Winterpause fehlen. Der Algerier spielt für sein Heimatland beim Afrika-Cup (13. Januar bis 11. Februar), seine Rückkehr könnte sich bis Mitte Februar hinziehen und eine große Lücke aufreißen. Seit Ryersons Verletzung hat die nicht unbedingt eingeplante Verpflichtung eines Fachmanns für die linke Außenbahn nach Informationen der Ruhr Nachrichten den Status höchster Priorität bekommen. Alle weiteren Gedankenspiele, etwa auf Dreierkette umzustellen und einen Flügelstürmer davor zu positionieren oder dem jungen Guille Bueno aus der U23 mehrere Chancen zu geben, gehen nicht konform mit den hohen Ansprüchen und Herausforderungen, denen sich die Dortmunder gegenübersehen.

Bei der Sichtung und Akquise gibt es weitere Parameter zu berücksichtigen. Erstens müsste der neue Mann für einen akzeptablen Kurs zu bekommen sein, denn viel Geld hat der BVB trotz des Einzugs in die K.o.-Runde der Champions League nicht mehr frei verfügbar in der Portokasse. Außerdem geht es gewissermaßen um eine Übergangslösung: Bensebaini (Vertrag bis 2027) und Ryerson (Vertrag bis 2026) werden im Februar zurückkehren, im nächsten Sommer auch das verliehene Eigengewächs Tom Rothe (Holstein Kiel, BVB-Vertrag bis 2026), dem man nicht unüberlegt den Weg verbauen möchte. Bei im Winter sicherlich sehr begrenztem Angebot hier einen passgenauen Transfer durchzuziehen, ist eine knifflige Aufgabe.
BVB-Verträge laufen im Sommer aus
Auf der gegenüberliegenden Seite stellt sich die Situation anders dar. Auch ohne Ryerson bleiben hier in Marius Wolf, Thomas Meunier, Mateu Morey oder Niklas Süle weitere erprobte Kandidaten. Hier müssen die weniger berücksichtigten Spieler wie Wolf und Meunier in den kommenden Wochen einspringen und ihren Wert nachweisen. Beide könnten auf diese Weise andere Vereine auf sich aufmerksam machen.

Dass der BVB den beiden sowie dem Langzeitverletzten Morey – alle drei Anstellungsverträge laufen im kommenden Sommer aus – ein neues Angebot macht, scheint nahezu ausgeschlossen. Vor allem Meunier und Wolf mit ihren teuren Verträgen gelten als Erblast aus den Zeiten von Ex-Sportdirektor Michael Zorc. Ihre Abschiede würden auch beim Gehaltsetat für willkommene Entlastung sorgen, um im Sommer 2024 einen richtig starken Rechtsverteidiger zu verpflichten.
BVB-Vorbereitung in Marbella
Erst einmal muss aber ein Mann für die linke Seite gefunden und gebunden werden. Die Suche läuft auf Hochtouren. Das Transferfenster öffnet am 1. Januar, zwei Tage später nimmt der BVB im spanischen Marbella die Vorbereitung auf die Rückrunde auf. Je früher der neue Mann in den Dortmunder Mannschaftsbus einsteigen kann, desto besser.
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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 11. Dezember 2023.