Man musste Nico Schlotterbeck zugutehalten, dass er nur wenige Tage hatte, um in mehreren Geheimtrainings beim DFB und einem – dem Vernehmen nach – missratenen Geheimtest gegen die eigens eingeflogene U20 des Verbandes sich als gelernter Innenverteidiger auf der linken Abwehrseite einzufinden. Schlotterbeck wurde beim 1:4 gegen Japan ins kalte Wasser geworfen – mit diesmal allen erdenklichen negativen Begleiterscheinungen. Und man darf ihm auch zugestehen, dass er in Wolfsburg nicht der einzige war, der kopflos und konfus agierte. Das galt eher für die große Mehrzahl der Spieler in den deutschen Trikots. Doch als der 23-Jährige nach 64 Minuten den Platz verließ, reihte sich sein elftes Länderspiel ein in die zu vielen DFB-Partien zuvor, in denen er ein unglückliches Bild abgab.
BVB-Profi Schlotterbeck und DFB: Das passt noch nicht
Zwischen Schlotterbeck und dem DFB passt es noch nicht. Sein persönliches Japan-Trauma erlebte am Samstag in Wolfsburg eine Fortsetzung, schon im WM-Gruppenspiel in Katar hatte er folgenschwer gepatzt, als er sich nach einem langen Ball des Bundesliga-Kollegen Ko Itakura (Gladbach) verschätzte, den Bochumer Liga-Kontrahenten Takuma Asano einfach laufen ließ und Japan der DFB-Elf auch noch den einen Punkt raubte. Er wisse nicht, klagte Teamkollege Ilkay Gündogan nach dem Spiel, ob es jemals ein einfacheres Tor bei einer Weltmeisterschaft gegeben habe. „Das darf nicht passieren, wir sind hier bei einer WM!“
Nicht mehr lange, wie sich herausstellen sollte. Es war der Anfang vom Ende der zum Scheitern verurteilten deutschen WM-Mission, und quasi auch das Ende der WM für Schlotterbeck. Im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien (1:1) reichte es nur noch für einen taktischen Kurzeinsatz, um das Remis abzusichern. Im Schussspiel gegen Costa Rica (4:2) blieb er über 90 Minuten auf der Bank.
Der Dortmunder mit dem großen Selbstbewusstsein, aber der auch im Klub noch zu großen Fehleranfälligkeit, sah sich gleich zu Beginn seiner Nationalmannschafts-Karriere Vorwürfen ausgesetzt. Bei seinem ersten Einsatz unter Hansi Flick Ende März 2022, dem 2:0 gegen Israel, trumpfte der damals noch für Freiburg spielende Schlotterbeck stark auf, leistete sich aber kurz vor Ende des Spiels einen dummen Ballverlust mit anschließendem Foul, das zu einem Elfmeter für die Israelis führte. Den Strafstoß parierte Kevin Trapp stark und rettete damit Schlotterbecks Debüt. Noch auf dem Feld gab es danach aber dennoch einen Austausch zwischen Flick und dem heutigen Dortmunder, dem er auf die Fahnen schrieb: „Das muss ein Lernprozess für ihn sein, das darf ihm nicht passieren.“
In Wolfsburg war von Schlotterbecks Unnachgiebigkeit und Zweikampfstärke, mit denen er sonst auftrumpfen kann, nichts zu sehen. Er fremdelte unverkennbar mit den taktischen Anforderungen der Positionierung als Linksverteidiger und sah wegen seines schlechten Stellungsspiels zu oft nur die Hacken der schnellen Japaner Ito, Kamada oder Sugawara. Japans gefährliche Aktionen bis zur Pause kamen sämtlich über Schlotterbecks linke Seite – auch bei den beiden Gegentoren hing der Dortmunder Innenverteidiger mit drin.
Zu hohe Fehleranfälligkeit
Noch zu häufig, auch im schwarzgelben BVB-Trikots, stehen Schlotterbecks ausgeprägtes Selbstvertrauen, das er immer auch auf dem Platz dokumentiert, und die Fehlerhäufung in einem ungesunden Verhältnis. Auch wenn er auf der ungewohnten Position sicher mehr Kredit verdient hatte als andere Totalausfälle im deutschen Team: Der Dortmunder Innenverteidiger musste sich angesprochen fühlen, als nacheinander Joshua Kimmich, Sportdirektor Rudi Völler und Thomas Müller nach der 1:4-Blamage unisono das Verteidigungsverhalten der deutschen Elf kritisierten. Unisono folgerten alle drei: „Da ist die Qualität momentan nicht so, wie wir sie bräuchten.“
Und es war ein schwacher Trost für den 23-Jährigen, dass auch sein Ersatz patzte. Robin Gosens, immerhin gelernter Spieler auf der linken Defensivseite und mit viel Euphorie nach seinem Wechsel in die Bundesliga zu Union Berlin angereist, hing bei den beiden späten Japan-Treffern dick mit drin. Beide defensiven Außenpositionen gehören seit geraumer Zeit zu Flicks größten Problem-Zonen. Die rechts bekämpfte Flick mit der Zwangsversetzung von Kimmich. Die links bleibt. Und man muss kein Prophet sein um zu ahnen: Die Lösung wird wohl nicht Schlotterbeck heißen.
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