Es ist ja nicht so, dass nicht schon vor dem Spiel gegen Japan die Unruhe im Deutschen Fußball-Bund riesengroß gewesen wäre. Die Diskussionen um die Zukunft von Bundestrainer Hansi Flick wurden auch während der Lehrgangs-Woche in der Autostadt Wolfsburg ganz offen geführt, Tenor: Flick wird kaum noch zu halten sein, wenn in den Tests gegen Japan und Frankreich nicht ein spür- und auch am Ergebnis messbarer Aufschwung zu erkennen ist.
DFB-Elf blamiert sich gegen Japan
Am Mittwoch dann ein unsäglicher, vor Arroganz und Ignoranz strotzender Pressekonferenz-Auftritt von Kai Havertz, der von fehlender Selbstkritik nach den Peinlich-Darbietungen bei der WM in Katar und totaler Verkennung von Tatsachen strotzte. Zu allem Überfluss am Donnerstag dann die Breitseite des derzeit mächtigsten Mannes im deutschen Fußball – gegen den eigenen Verband und dessen geplante Veränderungen.
Dass Hans-Joachim Watzke, DFB-Vizepräsident, Aufsichtsratsvorsitzender der DFL und allmächtiger BVB-Boss, der geplanten Reform des Kinderfußballs mit harschen Worten eine Absage erteilte, sorgte für ein Beben, das von der DFB-Zentrale in Frankfurt bis in die VW-Stadt zu spüren war. Weil dessen Konzept die Gremien, denen Watzke vorsteht, seit 2019 herausgearbeitet hatten.
Das alles vor zwei Länderspielen, die der DFB in einer seiner größten sportlichen Krisen nutzen will, um eine Wende einzuleiten. Hin zu besserem Fußball – und als Initialzündung für so etwas wie eine EM-Euphorie, von der im Moment so gar nichts zu spüren ist.

Es dürfte im Juni und Juli eine schmucklose Veranstaltung im eigenen Land werden, wenn sich der Eindruck von Wolfsburg in den wenigen Maßnahmen bis zum EM-Start weiter verfestigen sollte – und es erscheint kaum vorstellbar, dass dann noch Hansi Flick in der Verantwortung stehen wird. Nach dem peinlichen 1:4 gegen Japan liegt der deutsche Fußball am Boden, am Ende zerfiel eine desolate deutsche Elf in ihre Einzelteile.
DFB-Experimente gehen schief
Schon zur Pause war klar, dass die Partie nicht die Trendwende bringen würde, den dringend benötigten Booster für eine Nationalmannschaft, die seit Jahren mit immer größeren Schwindelgefühlen auf dem ungebremsten Sinkflug ist – von der besten Mannschaft der Welt im Jahr 2014 hin zu einem Team, das auch gegen kleinere Nationen große Probleme hat.
Haarsträubend auch in der Autostadt die groben individuellen Fehler, eklatant das vogelwilde taktische Verhalten mit und gegen den Ball. Angeleitet von einem Trainer, der die Experimente vorab für beendet erklärt hatte, dennoch aber auch gegen die Japaner massiv ins Gefüge eingriff. Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger, der bei Ballbesitz ins Zentrum vorrückte, um dort neben Emre Can als zusätzliche ballsichere Anspielstation zu agieren. Diese Variante hatte sich im Training unter der Woche bereits angedeutet.
Der Dortmunder Nico Schlotterbeck als Linksverteidiger, das aber war ein Modell, das von Beginn an nicht funktionierte und die DFB-Elf gegen die flinken Japaner ein ums andere Mal vor große Probleme stellte. Beide Treffer der Asiaten fielen über Schlotterbecks linke Seite, beim 0:1 war aber in der Mitte auch Antonio Rüdiger einen Schritt zu langsam – Junya Ito lenkte die Flanke ins lange Eck (11.). Ein Wirkungstreffer, an dem Flicks Elf zu knabbern hatte.
Kaum Lichtblicke
Und dass nach dem Ausgleich, ein Resultat des besten DFB-Angriffs über Ilkay Gündogan, Florian Wirtz und mit dem sicheren Abschluss von Leroy Sané (19.), prompt der nächste Gegentreffer fiel (Ueda/22.), erstickte die kleine Flamme der Verbesserung gleich wieder.
Deutschland gab ein höchst bedenkliches Bild ab. Havertz spielte so konfus wie er am Mittwoch gesprochen hatte, dazu ohne Biss und Durchsetzungskraft. Schlotterbeck durfte trotz einer unterirdischen Leistung auch noch in die zweite Hälfte starten, in der er gegen Ito gleich die nächste fürchterliche Verteidigungsaktion produzierte (48.). Marc-André ter Stegen blieb im Eins-gegen-Eins Sieger, mit dem Ball am Fuß strahlte der mit hohen Ansprüchen zum DFB gereiste Keeper des FC Barcelona aber ebenfalls keine Sicherheit aus.
Lichtblicke im deutschen Team musste man mit der Lupe suchen. Sané sorgte zumindest teilweise für Gefahr, seinem Gegenüber Serge Gnabry hingegen gelang gar nichts. Wirtz zeigte in Ansätzen sein großes Talent, das war es dann auch schon. Der große Rest aber fiel deutlich ab. Am Ende kassierte die DFB-Elf noch zwei weitere Nackenschläge – beide Male unter gütiger Mithilfe deutscher Spieler.
Für Flick, der am Ende konsterniert auf der Bank saß, war es der nächste Tiefschlag – wonöglich ja schon der entscheidende. Am Dienstag spielt die DFB-Elf gegen Frankreich, ob der Bundestrainer diese Partie noch bekommt, ist nach den Eindrücken von Wolfsburg fraglich. Spätestens danach aber wird in der DFB-Zentrale über Flicks Zukunft geredet werden müssent. Ein „weiter so“ mit Flick ist nicht vorstellbar.
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