Wenn eine Mannschaft wie der 1. FC Köln, die bekannt dafür ist, ihr Spiel vor allem auf Flankenbälle von außen oder aus dem Halbfeld aufzubauen, so oft durch die Mitte spielt wie die Rheinländer am vergangenen Samstag, dann geschieht das natürlich nicht ohne Hintergedanken. 28 Prozent der eigenen Angriffe spielte der „Effzeh“ durchs Spielfeld-Zentrum, das ist ein hoher Wert. Köln bespielte das Zentrum damit deutlich häufiger als der BVB (20%), der mit Rückkehrer Jadon Sancho und Donyell Malen sein Spiel konsequent über die außen aufzog – offensichtlich hatte FC-Trainer Timo Schultz also in der Zentrale eine mögliche Schwachstelle der Dortmunder Borussia ausgemacht.
BVB-Sechser als Schwachstelle
Auffällig war dann in der Tat, wie viel Platz die Kölner immer wieder vorfanden – in der Zone vor der eigenen Abwehr, wo es ihnen gelang, mit einer Tempoverschärfung eine erste Pressinglinie des BVB oft viel zu mühelos zu überspielen. Die Räume dahinter waren dann riesig. Jede Menge Platz, um schnell nach vorne Richtung Dortmunder Strafraum zu kombinieren. Im offensiv ausgerichteten 4-3-3 hatte BVB-Sechser Salih Özcan alle Hände voll zu tun, er sah sich zu oft allein auf weiter Flur und musste einen viel zu großen Raum beackern. Hilfe hätte von Marcel Sabitzer kommen müssen, der aber den Weg nach hinten oft viel zu halbherzig bestritt.
Richtung Dortmunder Sechszehner offenbarten sich die großen Probleme der Borussia, die eigenen Reihen vor der Viererabwehrkette zu schließen. Beispielhaft die kurze Phase, in der die Kölner einem 1:1 sehr nahe waren: Der Angriff, der Jan Thielmann in eine gute Abschlussposition vor Gregor Kobel brachte, wurde nicht zufällig durchs Zentrum eingeleitet. Sabitzer schaute nur zu, wie Ljubicic den Lob-Pass auf Thielmann spielte.
Nicht erst der FC entlarvte die Sechs als eine Problemzone der Borussia in dieser Saison – egal, mit welchem Personal und in welcher taktischer Ausrichtung Edin Terzic die defensive Schaltzentrale besetzte. Özcan und Kapitän Emre Can haben sich dort um den Platz gestritten, beide eint, dass sie unter Druck zu Fahrigkeit und Unsauberkeit am Ball neigen.

Auch wenn das in der Vorsaison einige Male gewählte 4-1-4-1 in dieser Spielzeit nur situativ zum Tragen kommt, weist Borussia Dortmund immer wieder Probleme auf, die Lücken für gegnerische Angriffe zu schließen. Das gilt auch im in dieser Saison häufiger genutzten 4-2-3-1, vor allem aber auch im offensiveren 4-3-3 wie in Köln, wenn die Halbpositionen neben dem Sechser von offensiv denkenden Spielern (Julian Brandt, Sabitzer) besetzt sind.
BVB mit neuer Idee
Auch Gegner wie Köln haben mittlerweile erkannt, dass die Präzision im Aufbauspiel der Borussia stark leidet, sobald der Druck auf die ballführenden Spieler größer wird. Nur eine Notlösung ist dann der lange Schlag von Kobel, der als Torhüter naturgemäß nicht der technisch begabteste Spieler ist.
In Köln half der Borussia zumindest für die Situationen in Ballbesitz teilweise eine interessante Variante, die sich das Trainerteam für das flache Spiel aus der eigenen Abwehrzone heraus ausgedacht hatte. Dort stellten sich die Innenverteidiger sehr breit auf, dafür rückte Linksverteidiger Ian Maatsen neben Özcan auf die Doppelsechs. Hintergrund: mehr Pressingresistenz durch eine zusätzliche Anspielstation, zumal der junge Niederländer sofort unter Beweis gestellt hat, dass er sich auch unter Druck nicht aus der Ruhe bringen lässt und in der Lage ist, einen sauberen Ball zu spielen.
BVB-Kaderumbau notwendig
Gegen den Ball aber blieb Dortmund in Köln durchs Zentrum durchgängig anfällig. Im Idealfall bräuchte der Kader daher einen Spieler, der neben der defensiven Aggressivität, die Özcan und Can auch nur sporadisch auf den Rasen bringen, auch noch in der Lage ist, nach der Balleroberung den raumgreifenden Vertikalball zu spielen oder selbst vorzustoßen. Theoretisch könnte Felix Nmecha so ein Spieler sein, dessen Stärke es ist, mit engen Wendungen, guter Technik und viel Tempo Pressinglinien zu überwinden. Der dauerverletzte Ex-Wolfsburger kam bislang aber kaum dazu zu zeigen, ob er diesem Anspruch auch gerecht werden kann.
Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Abrücken von der Verpflichtung eines defensivstarken Sechsers mit technischer Qualität im vergangenen Sommer ein Fehler gewesen ist. Der eigentlich auserkorene Edson Alvarez hat sich wie erwartet bei West Ham United als Volltreffer erwiesen. Eine Korrektur dürfte bei Sportdirektor Sebastian Kehl für die kommende Sommer-Transferperiode auf der Agenda stehen. Allerdings gibt es etliche weitere Baustellen im Dortmunder Kader, die Kehl dann schließen muss. Wo der BVB die vorhandenen Mittel schwerpunktmäßig einsetzt, diese Entscheidung ist noch nicht gefallen.
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