
BVB-Neuzugang Anthony Modeste blieb beim 0:3 in Leipzig vieles schuldig. © imago / Jan Huebner
BVB-Offensive stockt: Modeste läuft hinterher – kaum Druck durch Moukoko
Borussia Dortmund
Acht Tore in sechs Bundesliga-Partien – die BVB-Torproduktion stockt. Ein Problem sind die vielen Verletzten. Doch die verbleibenden Spieler könnten sich auch geschickter anstellen.
Auch in Leipzig stand die Null. Aus Sicht von Borussia Dortmund nach drei Partien ohne Gegentor diesmal allerdings auf der falschen Seite. 0:3 verloren, nur vier Schüsse abgefeuert, kein Abschluss ging aufs Tor, die „Expected Goals“ lagen bei 0,65. Für den BVB, der wie kaum ein anderer Bundesligist für eine verlässliche Torproduktion steht, sind das ungewöhnliche Werte, die nur bei der anderen Saison-Niederlage, dem 2:3 gegen Werder Bremen (fünf Schüsse, 0,23), ähnlich niedrig ausfielen. Warum ist das so?
Dem BVB fehlt in Leipzig das Tempo durch die Flügelspieler
Absolut legitim ist der Verweis auf die vielen verletzungsbedingten Ausfälle in der Offensive. Ohne Karim Adeyemi, Donyell Malen, Jamie Bynoe-Gittens oder Thorgan Hazard bleibt kein ausgewiesener Experte für die Flügel mehr übrig. „Das Tempo durch die Flügelspieler war sicherlich etwas, das uns gefehlt hat“, bestätigte BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl. „Da müssen wir nicht drumherum reden.“
Geplant hatte Trainer Edin Terzic Dortmunds Abteilung Attacke gänzlich anders, und seine Überlegungen bereits nach wenigen Wochen der Saison schon mehrfach ändern müssen. Den erkrankte Sebastien Haller kann Noteinkauf Anthony Modeste höchstens in den Strafräumen annähernd ersetzen. Als mitspielenden Stürmer können ihn die Nebenleute nicht bedienen. Der ehemalige Kölner, ohnehin mit überschaubarem Aktionsradius unterwegs, ist auf ein, zwei Ballkontakte begrenzt und bietet sich auch nicht in den relevanten Räumen an.
BVB-Hoffnung auf die Rückkehr von Adeyemi, Malen und Hazard
Selbst in aussichtsreichen Positionen sah man ihn in Leipzig mit den sich bietenden Möglichkeiten überfordert. Ein anderer Mangel: Mit 28,2 km/h läuft er nicht nur einem Sprinter wie Erling Haaland, sondern in der Bundesliga allen Feldspielern hinterher. Einen von zehn Feldspielern allein auf die Verwertung von ein paar möglichen Flanken abzustellen, das kann sich kein Team auf Dauer leisten. Druck von der Bank, etwa durch Youssoufa Moukoko, gibt es aber nicht. Der Youngster muss sich weiterhin mit der Rolle des Jokers begnügen. In Leipzig ist der 17-Jährige am Samstag immerhin auf 30 Minuten Spielzeit gekommen, er konnte sich dabei aber nur bedingt empfehlen.
Für das vermisste Tempo könnten andere Spieler sorgen, doch die bekommt der BVB nicht zurück auf den Platz. Adeyemi plagt weiter die Zehenverletzung aus dem Bundesliga-Auftaktspiel am 6. August, Malen ist seit dem zweiten Spieltag nur Zuschauer wegen eines Muskelfaserrisses. Tag für Tag sehnt Terzic ihre Rückkehr herbei, bisher vergeblich. „Donny und Karim haben ihr Pensum gesteigert und waren bei 80, 90 Prozent. Wir hoffen, dass sie schnellstmöglich zurückkommen“, sagte er am Samstag. Kehl ist „optimistisch, dass wir am Mittwoch ein, zwei Alternativen mehr im Kader haben. Die brauchen wir auch. Gerade gegen Manchester City, wo wir genau bei Umschaltmomenten immer wieder gefährlich werden müssen.“
BVB-Trainer Terzic: „Chancen haben wir nicht wahrgenommen“
In Leipzig, das noch vorwärts gewandter verteidigte als vor drei Wochen die unbequemen Bremer, blieben diese Umschaltmomente aus. Die Harmlosigkeit und damit auch die Niederlage allein auf Personalprobleme zu schieben, das wollte Terzic nicht gelten lassen. „Klar, mit dem Personal sind wir nicht so schnell unterwegs, dass die Bälle häufig in die Tiefe gehen können“, sagte der Trainer. Dennoch hätten sich Räume und Möglichkeiten ergeben, um die erste Pressinglinie von RB zu überspielen und Bälle dort festzumachen. Etwa mit präzisen Pässen, die durch das engmaschige Leipziger Fangnetz in Höhe der Mittellinie durchstechen. Oder mit einem hohen Anspielen auf den kopfballstarken Modeste und der Attacke auf zweite Bälle. Aber, so Terzic, „diese Chancen haben wir nicht wahrgenommen.“
In die gleiche Kerbe schlug auch sein Torhüter Alexander Meyer. „Uns sind schon ein paar Spieler weggebrochen, aber wir haben viele Spieler im Kader und können auch mit diesen Spielern jeden Gegner schlagen.“
Der BVB hat sich „komplett auf das Spiel von Leipzig eingelassen“
Doch neben der Geschwindigkeit stimmte auch das Positionsspiel im Duell mit den Sachsen nicht. Wenn im Fußball das Verteidigen eine kollektive Aufgabe ist, gilt das kaum weniger für den Angriff. Ohne gut vorbereitete Spielverlagerungen und öffnende Laufwege, ohne präzise und scharfe Pässe aus dem Mittelfeld und weiträumig angelegte Stafetten war Borussia Dortmund am Samstag leicht zu stoppen.
Kamen die Borussen sporadisch ins letzte Spieldrittel, fehlten die Verbindungen zwischen den Angreifern. Zunehmend wurde der BVB trotz eines höheren Ballbesitzes in die passive Rolle gedrängt, die Spieler waren erschöpfend damit beschäftigt, nach Ballverlusten und RB-Kontern dem Gegner hinterher zu hecheln. „Wir haben uns komplett auf das Spiel von Leipzig eingelassen. Es war wild. Viele Ballverluste“, meinte Julian Brandt und fasste zusammen. „Wenig Gutes auf unserer Seite.“
BVB-Trainer Edin Terzic muss den Mangel bis Oktober verwalten
Niemand durfte erwarten, dass das Dortmunds Offensivspiel nach der Ära Haaland wie am Schnürchen mit hoher Effizienz glänzt. Mal wuchert der BVB mit seinen Chancen, mal findet er den Weg zum Tor nicht. Ständig muss das Trainerteam wegen des Verletzungsmisere andere Lösungen suchen und finden. Mehr als acht Tore in sechs Bundesligaspielen müssten trotzdem herausspringen. Bis Giovanni Reyna, Karim Adeyemi oder Donyell Malen wieder regelmäßig 90 Minuten spielen können, wird es wohl Oktober werden. Bis dahin muss Terzic den Mangel bestmöglich verwalten.
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
