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BVB-Neuzugang Mateu Morey im Exklusiv-Interview: Es gibt keine Garantie, dass es klappt
Borussia Dortmund
BVB-Neuzugang Mateu Morey spricht im Exklusiv-Interview über seinen schwierigen Start, die spanische Fraktion in Dortmund und Ausnahmetalent Jadon Sancho.
Hatten Sie Angst vor Deutschland?
Angst? Nein. Wieso?
Wenn man die Deutschen nur als Touristen auf Mallorca kennengelernt hat, kann man schon Angst bekommen, oder?
(lacht) Ah, okay! Aber nein, so war das nicht. Als ich die Möglichkeit hatte, hier nach Dortmund zu wechseln, hatte ich große Lust darauf und kein Problem mit Deutschland.
Was hat Ihr Kumpel Sergio Gomez Ihnen denn vorab so über Borussia Dortmund und die Bundesliga erzählt?
Er hat viel über die Zuschauer, über die Fans gesprochen. Er hat gesagt, dass es hier einzigartig sei. Und er hat gesagt, dass ich es nicht bereuen werde, wenn ich den Schritt hierher wage.
Hat er Recht behalten?
Ja, hat er. Bis jetzt auf jeden Fall.
Sie haben sich im letzten Testspiel des Sommer-Trainingslagers an der Schulter verletzt und sind kurz nach Ihrem Wechsel zum BVB direkt verletzt ausgefallen. Wie einsam kann es da in einem fremden Land und bei einem neuen Verein werden für einen jungen Spieler, der zum ersten Mal im Ausland lebt?
Es war sehr bitter, dass ich mich wieder verletzt habe. Erst die Knieverletzung in Barcelona, mit der ich acht Monate lang ausgefallen bin. Jetzt die Schulterverletzung hier in Dortmund, wieder zwei Monate Pause. Das war schon schwer für mich. Wirklich einsam habe ich mich trotzdem nicht gefühlt. Meine Familie besucht mich oft, meine Freunde waren da. Auch die Mannschaft hat mich unterstützt. Aber natürlich tat es gut, als ich wieder ins Training einsteigen konnte und nicht mehr alleine in der Reha arbeiten musste.

Eine Schulterverletzung setzte Morey rund zwei Monate außer Gefecht. © David Inderlied
Gab es Momente, in denen Sie mit Ihrem Schicksal gehadert haben. Fast 15 Monate Pause liegen hinter Ihnen - viel unglücklicher kann es eigentlich nicht laufen, wenn man gerade auf dem Sprung in den Profifußball ist.
Das ist sehr ärgerlich, keine Frage. Ich hatte aber nicht das Gefühl, dass diese Verletzungen eine Gefahr für meine Karriere als Fußballer waren. Es waren zum Glück auch zwei verschiedene Verletzungen. Erst das Knie, dann die Schulter. Natürlich waren das zwei Rückschläge. Ich hätte gerne darauf verzichtet. Aber an meiner Chance im Fußball habe ich in der Zeit nicht gezweifelt.
Jetzt müssen Sie nur noch fit werden?
Ich will schnell zurückkommen und meinen Rhythmus finden - und dann hoffe ich, dass ich irgendwann eine Chance bekomme, die ich nutzen kann.
Wieviel fehlt noch auf dem Weg zur Topform?
Gar nicht mehr so viel, denke ich. Ich brauche jetzt Spielminuten, das ist das Allerwichtigste. Deswegen spiele ich gerne in der U23. Die Spiele kann kein Training ersetzen.
Es wird viel Spanisch gesprochen in der BVB-Kabine. Wie sehr hilft das, um schnell anzukommen bei einem neuen Verein?
Das ist perfekt, wenn alles neu ist. Man versteht ja erstmal nichts. Achraf Hakimi, Paco Alacer und Leonardo Balerdi sprechen alle Spanisch - das macht es einfacher, sich schnell zu integrieren, wenn man ein paar Übersetzer in der Mannschaft hat. Auch wenn die Jungs ja alle nicht perfekt Deutsch sprechen. Sie kennen zumindest alle Abläufe.
Kann man sich dann ein paar Dinge aus der Heimat bewahren, wenn man Teamkollegen hat, die auch aus Spanien zum BVB gekommen sind?
Naja. Dortmund hat halt keinen Strand.
Nur der Phoenixsee reicht nicht?
(lacht) Fast so schön wie das Meer.

Die BVB-Reporter Jürgen Koers (r.) und Tobias Jöhren im Gespräch mit Mateu Morey. © Groeger
Hat die spanische Fraktion wenigstens vorgeschlagen, eine Siesta einzuführen oder später am Abend zu essen?
Das wär schon mal nicht schlecht! Ab und zu geht es nicht ohne Siesta. Und es wird abends wirklich sehr früh gegessen in Deutschland. Ich gewöhne mich langsam daran. Es ist einfach anders als in der Heimat.
Wenn Sie die ersten drei Monate zusammenfassen würden - was hat Sie in Dortmund am meisten überrascht?
Die Leute waren von Beginn an unheimlich nett zu mir. Meine Nachbarn haben mich zum Beispiel toll aufgenommen, obwohl sie mich ja gar nicht kannten. Das freut mich wirklich.
Sie sind mit 15 von zu Hause weg. Erst nach Barcelona, jetzt nach Dortmund. Was macht das mit einem jungen Menschen?
Die ersten zwei Wochen in Barcelona damals waren unheimlich schwierig. Der Anfang war wirklich hart. Das Schlimmste war, plötzlich alleine zu wohnen. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Ich freue mich aber trotzdem, dass ich so regelmäßig Besuch bekomme. Meine Eltern versuchen, es alle zwei oder drei Wochen nach Deutschland zu schaffen. Aus Mallorca nach Dortmund und zurück, da sind die Verbindungen ja sehr gut (lacht). Der Rest der Familie schaut auch ab und zu vorbei. Und meine Freunde auch. Das macht es entschieden einfacher für mich.
In Barcelona sind Sie mal als „physisches Wunder“ bezeichnet worden, dass vorne für Torgefahr und hinten für Stabilität sorgt. Wie würden Sie sich selbst als Fußballer beschreiben?
Ich glaube, dass mich mein Offensivspiel auszeichnet. Ich versuche, mit viel Tempo nach vorne zu kommen und gefährliche Flanken zu schlagen. Damit will ich der Mannschaft helfen.
La Masia, die berühmte Fußballschule des FC Barcelona, gilt als eine der besten Ausbildungsstätten für junge Fußballer. Wie haben Sie die Zeit dort erlebt?
Es ist super dort, um zu lernen. Die fußballerische Ausbildung ist top. Aber irgendwann bin ich an den Punkt gekommen, wo ich selbst die Entscheidung treffen musste, wo ich den nächsten Schritt gehen will. Deswegen bin ich nach Dortmund gewechselt.
Was genau ist denn Tiki-Taka? Und wie gut funktioniert es beim BVB?
Das ist die Kunst, mit vielen Pässen den Ball und den Gegner laufen zu lassen. Und für mich ist es das beste Mittel, um gut und erfolgreich Fußball zu spielen. Ich glaube aber nicht, dass ich schon als Experte gelte, nur weil ich in Barcelona gespielt habe. Die Experten sind die, die auf dem Platz stehen und es zelebrieren. Ich lerne noch sehr viel dazu. Das Schöne hier in Dortmund ist, dass wir auch immer den Ball haben wollen. Die Art Fußball, wie wir spielen möchten, gefällt mir sehr.
Ein Spieler, der mit dem Ball sehr viel anfangen kann, ist Jadon Sancho. Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit ihm?
Ja. Das war im Finale der U17-EM 2017 gegen England (4:1 nach Elfmeterschießen für Spanien, Anm. d. Red.). Es war überragend, dass wir gewonnen haben. Ich habe auf der Seite gegen Jadon gespielt.
Und? Wie war’s?
Wie es war? Puh. (lacht) Es war sehr schwer, gegen ihn zu spielen. Ich wusste damals schon, dass er ein sehr guter Fußballer ist. Mittlerweile weiß das jeder.
Jadon Sancho ist ebenfalls im Jahr 2000 geboren. Genau wie Sie. Sancho hat den Sprung zu den Profis schon geschafft. Was hat er Ihnen voraus, was Sie vielleicht noch nicht haben?
Jadon kann einer der besten Spieler auf der Welt werden. Er ist ein Ausnahmetalent. Für mich gilt, dass ich meinen Weg finden muss. Ich will es auch schaffen im Profi-Fußball. Nicht bei jedem Spieler geht es gleich schnell. Bei mir kamen die Verletzungen noch hinzu. Außerdem spielen wir auf unterschiedlichen Positionen. Aber ich glaube daran, dass ich meine Chance bekomme - und dann will ich da sein.

Mit der spanischen U17 wurde Morey 2017 Europameister. © imago
Sie haben im Juniorenbereich die U17-EM gewonnen und mit Barcelonas U19 die Youth League, die Junioren-Königsklasse. Sie zählen zu den besten spanischen Fußballern in Ihrem Alter. Was bringen diese Erfahrungen für den Sprung ins Profigeschäft?
Vor allem gibt es mir keine Garantie, dass es klappt. Natürlich bin ich stolz auf diese Titel und ich weiß jetzt umso mehr, dass ich weitere Titel gewinnen will. Ganz einfach, weil es ziemlich viel Spaß macht. Ich hoffe, dass ich es schaffe. Am liebsten mit dem BVB. Aber ich weiß auch, dass es ein weiter Weg ist, der viel Arbeit erfordert.
Wie gut kennt man Borussia Dortmund, wenn man in der Jugend des FC Barcelona spielt?
Klar kennt man den BVB - als eine der besten Mannschaften in Deutschland. Und man kennt die Fans, die mit als die besten in Europa gelten. Das ist schon bekannt.
Gegen Werder Bremen standen Sie erstmals im Kader und haben den Signal Iduna Park das erste Mal von der Bank aus erlebt. Was ist denn beeindruckender, das Camp Nou oder das Dortmunder Stadion?
Das Camp Nou kenne ich leider noch nicht als Spieler, nur als Fan. Aber was mir extrem auffällt, ist, dass die Mannschaften in Deutschland von den Fans viel energischer und euphorischer angefeuert werden. Das ist in Spanien anders. Das ist in der Bundesliga unglaublich, wie die Zuschauer hinter ihren Teams stehen. Mir gefällt das sehr.
Falls die Gerüchte stimmen, gab es für Sie auch Anfragen von Bayern München, Juventus Turin und von englischen Klubs. Warum haben Sie sich für den BVB entschieden?
Das stimmt. Es gab diese Anfragen tatsächlich. Aber wie gesagt: Ich halte den BVB für eine der besten Mannschaften in Deutschland und ich glaube vor allem, dass meine Chancen als junger Spieler hier größer sind als bei anderen großen Klubs.
Irgendwann hat Michael Zorc angerufen und Ihnen mitgeteilt, dass er Sie gerne verpflichten würde. Kam das überraschend für Sie?
Michael Zorc hat mit meinen Berater gesprochen. Das war im Februar. Ich habe dann mit Sergio (Gomez, Anm. d. Red.) geredet, der ja schon ein Jahr hier vor Ort war. Danach war für mich klar, dass ich diesen Schritt machen will. Am Ende ist mir die Entscheidung leicht gefallen.
Und wann feiern Sie Ihr Debüt beim BVB? In der Champions League in Barcelona?
Das wäre großartig. Aber erstmal ist es egal, wo ich mein Debüt gebe. Natürlich habe ich mich bei der Auslosung gefreut, dass wir gegen Barca spielen. Zumindest am Anfang. Dann habe ich gedacht, dass es vielleicht nicht schon in der Gruppenphase hätte sein müssen. Sie halten sich ja ganz gut in der Champions League (lacht). Am besten wäre es, wenn beide Klubs weiterkommen und das Achtelfinale erreichen. Für mich zählt aber erst einmal, dass ich wieder meine Topform erreiche. Ich bin auf einem guten Weg. Und dann warte ich auf meine Chance.
Zum Abschluss: Bislang ist Rafael Nadal der berühmteste Sportler Mallorcas. Sie haben einen weiten Weg vor sich, wenn Sie ihn ablösen möchten.
Keine Chance! Rafa ist der beste Sportler, den es gibt. Wie sollte ich das jemals schaffen?
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.

Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
