Niklas Süle stand dann doch noch im Raum. Lebensgroß und lächelnd. Allerdings nur als Werbebanner des DFB in den Katakomben des Bremer Weserstadions. Wie der Innenverteidiger von Borussia Dortmund nach seiner ausgebliebenen Berufung den Auftritt seiner Nationalmannschaftskollegen verfolgt hat, ist nicht überliefert. Beim 3:3 (1:2) gegen die Ukraine standen aber unbestritten nicht nur wegen des Unentschiedens keine Gewinner auf dem Platz. Auch seine BVB-Kollegen, nicht zuletzt Nico Schlotterbeck und Julian Brandt, erwischten beim Auftakt zum Abschlussdreier im DFB-Dress wahrlich keinen guten Tag. Bundestrainer Hansi Flick sprach von „individuellen Fehlern“ nach einem guten Beginn.
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BVB-Verteidiger Schlotterbeck zur Pause runter
Für Schlotterbeck fand beim symbolschwangeren 1000. Länderspiel eine Misere ihre Fortsetzung, die im selben Trikot begonnen hatte. Seit er sich Ende März im Länderspiel gegen Peru an der Oberschenkelmuskulatur verletzte, lief beim bis dahin formstarken Dortmunder Abwehrmann nichts mehr zusammen. Zu frühes Comeback, die nächste Verletzung, den Stammplatz beim BVB an Mats Hummels verloren, beim Saisonfinale saß er 90 Minuten lang auf der Bank. Nach zehn Wochen ohne Startelfeinsatz und nennenswerte Spielpraxis erhielt er die erneute Chance beim DFB, wo er zuletzt durchweg einen unglücklichen Eindruck hinterlassen hatte.

Das setzte sich am Montag fort. Als linker Verteidiger der DFB-Dreierkette aufgeboten, endete die Gelegenheit zur Auszeichnung nach 45 Minuten wieder. Aus Leistungsgründen holte Bundestrainer Hansi Flick den BVB-Profi zur Pause vom Feld. Beim 1:1 der Ukrainer verlor Schlotterbeck erst das Luftduell gegen Oleksandr Tymchyk, dann ließ er den Angreifer der Gäste ungehindert gewähren, anstatt ihn bissig unter Druck zu setzen. Als Tymchyk in die Spitze passte, nahm das Unheil unaufhaltbar seinen Lauf.
Antonio Rüdiger vermisst „Hingabe“
„Alle Tore haben wir denen geschenkt“, schimpfte der selbst nicht fehlerlose Abwehrspieler Antonio Rüdiger, der seine Klage nach dem WM-Desaster vor einem halben Jahr wiederholte: „Es hat auch was mit Hingabe zu tun. Du musst Zweikämpfe gewinnen.“
Das galt auch für Schlotterbecks Aktionen vor dem 1:2. Bereits sein Pass auf den von allen Seiten unter Druck gesetzten David Raum war keine kluge Idee. Dass beim folgenden Umschaltmoment der Gäste Tymchyk in seinem Rücken davonsprintete und er in nicht mehr entscheidend an der Flanke hindern konnte, offenbarte obendrein noch sein ausbaufähiges Stellungsspiel. Nach diesen Fehlern entsprechend verunsichert, gelang Schlotterbeck in der Folge nur noch sehr wenig. Die individuelle Analyse mit dem Team des Bundestrainers dürfte unangenehm ausfallen für ihn.
Brandt mit Teilschuld bei zwei Gegentoren
Nur wenig besser könnte es Julian Brandt ergehen. Als Spielmacher bekam er in seiner Heimatstadt die seltene Möglichkeit geboten, sich auch im DFB-Trikot auf seiner Lieblingsposition auszutoben. In mehreren Szenen blitzten sein Spielwitz und die intuitive Ballweiterleitung auf. In Erinnerung bleiben aber zwei andere Szenen. Die erste ereignete sich vor dem 1:1, als der BVB-Profi unbedrängt und damit fahrlässig einen Pass zu Joshua Kimmich auf die Reise schickte, der sein Ziel um mehrere Meter verfehlte. Der folgende Konter? Führte zum 1:1, siehe oben. Und auch beim dritten Tor der Ukraine - das im Wesentlichen Matthias Ginter verschuldete, der den Ball im eigenen Strafraum vertändelte – gebot sich der Hinweis, dass Brandt seinen Abwehrkollegen mit einem Zuspiel auf Kniehöhe überhaupt erst in diese missliche Situation gebracht hatte.

„Das Spiel zeigt die Verfassung der Mannschaft“, räumte Flick nach den 90 überwiegend alarmierenden Minuten ein. Die Bayern-Spieler sind platt, wie schon in der gesamten Rückrunde nicht in der Lage, über die volle Distanz Tempo und Konzentration hochzuhalten. Und den Dortmunder Borussen steckt das tragische Saisonfinale noch in den Knochen. „Man merkt, dass die Mannschaft aktuell nicht mit der breiten Brust unterwegs ist. Daran müssen wir arbeiten. Wir wissen, dass es ein langer Prozess ist“, ergänzte Flick.
Wolf bleibt DFB-Treffer verwehrt
Borussia Dortmunds Dritter im Bunde in Bremen, Marius Wolf, hatte ebenfalls Grund zu hadern. Die Fußball-Offiziellen sprachen seinen vermeintlichen Debüt-Treffer im Adler-Dress dem Mittelstürmer Niclas Füllkrug zu, obwohl der nach eigener Aussage „nur angeschossen“ worden war. Diese Touchierung hatte die Flugbahn allerdings sichtlich verändert. Und Wolf, der in seiner starken Anfangsviertelstunde zu den belebenden Elementen der deutschen Nationalmannschaft gehört hatte, fiel wie alle seine Nebenleute vom Niveau her ab. Emre Can wurde bei der Partie in Bremen nicht eingewechselt. Er darf sich Startelf-Chancen für die Partien am Freitagabend in Polen (21 Uhr) ausrechnen.