Ein goldenes Jackett wäre wohl in keinem Fall in Frage gekommen. Das silbergraue Sakko passte allerdings zum Leidwesen von Carsten Cramer sehr gut zum deutschen Vizemeister. Platz zwei, Borussia Dortmund hat am Samstag die Chance auf den Titel verspielt, der auch einen massiven Schub für das Wachstums des Klubs gegeben hätte. Dennoch, oder gerade deswegen, sagte der Geschäftsführer auf der Branchenmesse Spobis in Düsseldorf am Donnerstag: „So mies sich das auch heute noch anfühlt, ich habe noch mega Lust.“ Nämlich darauf, den BVB in seinen wirtschaftlichen Parametern weiterzuentwickeln.
BVB in Europas Top 15
An die 150 Millionen Euro kann der Klub nach diesem Geschäftsjahr an Einnahmen allein aus dem Sponsoring vermelden. Das ist nochmal ein Plus von rund 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Das“, so Cramer, „das hätte ich mir vor zehn Jahren nicht träumen lassen.“ 2012 lag die Summe noch bei unter 60 Millionen Euro. Mit seiner gesamten Finanzkraft gehört der BVB nach einschlägigen Studien mit 350 Millionen Euro Umsatz (transferbereinigt) zu den Top 15 in Europa. „Auch in dieser Phalanx sind wir vor zehn Jahren nicht genannt worden, und auch nicht in einem Atemzug mit dem FC Bayern als Lokomotive des deutschen Fußballs“, betonte Cramer.
Lokomotive ist auch ein gutes Stichwort: Mit dem Rückzug von Opel zum Sommer 2022 stand Borussia Dortmund ohne den Mobilitätspartner da, der pro Jahr zwischen sieben und acht Millionen Euro gezahlt hat. Nach Informationen der Ruhr Nachrichten könnte der koreanische Automobilhersteller Kia, der unter anderem bei der Fifa und im Tennis investiert, beim BVB in diese Lücke hineinfahren und neuer Champion Partner werden. Man sei in guten Gesprächen, heißt es im Klub, ohne Namen zu bestätigen. Wann der neue Sponsor vorgestellt werden könne, sei noch offen, es winkt ein äußerst lukrativer Abschluss. Die Werbung auf dem Trikotärmel, den Opel zuvor belegt hatte, ist wie in der abgelaufenen Serie auch in der kommenden Saison an den Logistikdienstleister GLS vergeben.
Umsatz von 500 Millionen Euro im Visier
Als nächstes Ziel peilt der BVB in den kommenden Jahren einen Umsatz ohne Transfers von 500 Millionen Euro an. „Da sind wir auf einem guten Weg, aber das forcieren wir nicht um jeden Preis, sondern mit Verstand“, betonte Cramer. Das möglichst permanente Wachstum ist für die Geschäftsführung der Borussia alternativlos, um mit selbst verdientem Geld wenigstens einigermaßen mithalten zu können im internationalen Konzert der fremdfinanzierten Klubs. „Ja, wir wollen zu den Top-Vereinen in Europa gehören, ob das dann die Top 10 oder die Top 15 sind, ist nicht entscheidend“, so Cramer. Die immanente Logik im Sportbusiness: „Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto wettbewerbsfähiger sind wird. Das erhöht die Chancen auf sportlichen Erfolg.“
Neben den Säulen Transfers, Spieltagseinnahmen und Merchandising gehört mit steigender Bedeutung das Sponsoring zu den entscheidenden Treibern des BVB-Etats. Doch wo sind noch große Mehrerlöse möglich? Cramer weiß um den Zwiespalt, in dem er arbeiten muss. „Das Lagerfeuer“, wie er es nennt, brenne in Dortmund, in der der Heimat. Doch: „Der nationale Markt ist gesättigt und kommt an seine Grenzen.“ Das gelte nicht zuletzt für die TV-Gelder. Eine Abonnement-Kultur wie in England haben Sky oder DAZN in Deutschland nicht etablieren können. Ergo ergeben sich auch andere Summen aus der Fernsehvermarktung, ein Viertel von dem der Premier League.
Zwei Stichworte nennt Cramer daher in seinem Vortrag immer wieder: Internationalisierung und Digitalisierung. Beide strategischen Zielen verbinde eine Gemeinsamkeit: „Man muss investieren, um zu wachsen.“

Aus der weltweiten Vermarktung waren der DFL für die nächsten Jahre einst 850 Millionen Euro prognostiziert worden, zuletzt fiel der Betrag auf rund 170 Millionen Euro. Die Bundesliga hat es in der Breite und Dichte schlicht verpasst, dieses Feld zu beackern, entsprechend mickrig fällt die Ernte aus. Durch den gescheiterten Einstieg eines Investors beim Ligaverband werden die wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Gros der Bundesligisten nicht besser. Der BVB, wiederholte Cramer seinen Geschäftsführer-Kollegen Hans-Joachim Watzke, werde nicht der Leidtragende des geplatzten Deals sein. Der Klub ist groß genug, sich um sich selbst zu kümmern.
BVB muss auch „Opfer bringen“
So ist Borussia Dortmund mit seiner USA-Tour im Juli neben dem FC Bayern München (Japan, Singapur) einer von nur zwei Erstligisten, der auf Reisen geht, weil er vom mittelfristigen Ertrag überzeugt ist. Dafür müsse man auch „Opfer bringen“, wie Cramer den Verzicht auf das sportlich geprägte Sommertrainingslager in der Schweiz umschreibt. Stattdessen geht es nach San Diego, Las Vegas und Chicago. Auf eigene Rechnung, aber auch im Sinne der Liga. Das dürfe nicht damit bestraft werden, dass solidarisch noch mehr Erlöse im großen Topf der DFL hängenblieben und verteilt würden, unterstrich, Cramer, „das wäre nicht motivierend“.
Und grundsätzlich, so stellte es der Vermarktungsexperte nach dem gescheiterten DFL-Prozess in den Raum, „müssen wir abwägen, was wir etwa an Inhalten zentralseitig zur Verfügung stellen, um die Erlöse zu stabilisieren, und was wir als BVB gerne auf unseren eigenen Plattformen stärken wollen“. Er sehe da „großes Wachstumspotenzial“. Wenn Borussia Dortmund in der Bundesliga schon nicht auf dem Goldrang liegt, ist wirtschaftlich viel mehr als ein Silberstreif am Horizont. Kommt nach Corona-, Ukraine- und Energiekrise nicht das nächste Unheil, wird der Klub stabil weiterwachsen.
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