BVB erlebt einen beispiellosen Niedergang Interne Machtkämpfe überlagern sportlichen Absturz

BVB erlebt einen beispiellosen Niedergang: Interne Machtkämpfe überlagern sportlichen Absturz
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Vor gerade einmal acht Monaten hat Borussia Dortmund im Londoner Wembley Stadium eine hervorragende Visitenkarte abgegeben. 0:2 gegen Real Madrid im Finale der Champions League, das war viel mehr als ein Achtungserfolg, weil der BVB die beste Vereinsmannschaft am Rand der Niederlage hatte und einem zweiten Triumph im wichtigsten Vereinswettbewerb des europäischen Fußballs nach 1997 sehr nahe war. Er drängte allerdings vielleicht beiseite, dass längst erste Risse erkennbar waren, besorgniserregende Entwicklungen, die ein konsequentes Eingreifen erforderlich gemacht hätten. Nun, im Januar 2025, steht Borussia Dortmund vor einem Scherbenhaufen, der so groß ist, dass man resignieren könnte angesichts der Fülle und Vielfalt der Probleme.

Beim BVB fehlt es an den Grundlagen

Diese gehen weit über den Fakt hinaus, dass da ein Trainer an der Seitenlinie steht, dem man aufgrund seiner Unerfahrenheit kleinere, aber auch einige schwerwiegende Fehler zugestehen musste. Die hat Nuri Sahin auch gemacht, daher fällt die massive sportliche Schieflage direkt in seinen Verantwortungsbereich. Er hat Fehltritte gemacht, die in Summe ein Weiterarbeiten mit ihm unmöglich machen, der größte liegt sicher im unzureichenden Fitness-Zustand des Kaders. Das wurde auch in Bologna wieder überdeutlich. Willen konnte man dem BVB ja nicht absprechen, es fehlten schlicht die Grundlagen, um wie der FC Bologna einen Fight hinzulegen, der darüber rätseln ließ, welche Mannschaft da abgeschlagen am Ende der riesigen Liga-Tabelle stand und welche um die direkte Achtelfinal-Qualifikation kämpfte.

Freilich haben viele weitere Puzzle-Stücke zum Niedergang der Borussia mit beigetragen, die zumindest zum Teil auch in der Mit-Verantwortung von Sportdirektor Sebastian Kehl – und nicht nur ihm – liegen. Wie der viel zu kleine Kader, der auch noch unausgewogen zusammengestellt ist und in dem Spieler in eine Verantwortung gedrängt wurden, der sie noch nicht gewachsen waren. Viel zu optimistisch war die Sicht auf einige der Talente, deren Entwicklung dann nicht so klar bergauf verlief, wie es nötig gewesen wäre, um den Phasen mit großem Verletzungspech oder vermehrten Krankheitsfällen sportlich erfolgreich zu trotzen.

Interne Machtkämpfe beim BVB

Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Der BVB im Januar 2025 ist ein Klub, in dem interne Machtkämpfe ungehindert toben, in dem offenbar nicht nur nicht mit-, sondern konkret gegeneinander gearbeitet wird. Die Rolle des im Mai offiziell zurückgeholten Kaderplaners Sven Mislintat musste im Sommer nach Bekanntwerden der gestörten Arbeitsbeziehung zu Kehl öffentlich definiert werden. Geholfen hat das nicht. Auch der neue Geschäftsführer Sport, Lars Ricken, hat es verpasst, zumindest eine Arbeitsbeziehung herzustellen, die ein reibungsloses Miteinander im Sinne des Vereins ermöglicht.

Es geht um Schuldzuweisungen und Beharren auf tatsächliche oder vermeintliche Verantwortlichkeiten, längst nicht mehr darum, Borussia Dortmund nach vorne zu bringen. Die Situation ist komplett verfahren. Ein „Weiter so“ verbietet sich daher eigentlich nicht nur auf dem Trainerposten. Sahin hat tief blicken lassen, als er nach dem Spiel in Bologna ganz offen von „Nebenkriegsschauplätzen“ sprach und andeutete, dass sich diese allein durch einen anderen Trainer kaum lösen lassen würden. Auch das hat ihn zermürbt.

Dilettantisches BVB-Verhalten

Das offensichtliche Resultat ist ein Transfer-Winter, der bislang jeder Beschreibung spottet. Obwohl man sich „auf alle Szenarien vorbereitet“ wähnte, ist acht Tage nach dem feststehenden Wechsel von Donyell Malen nicht einmal Ersatz für den Holländer in Sicht. Dabei war dessen Flucht aus Dortmund lange geplant. Fortschritte gibt es auch in den Versuchen, andere erkannte Schwachstellen im Kader zu schließen, bislang nicht.

Warum sich Ricken vor einem klaren Schnitt scheut, liegt auf der Hand. Kehls Vertrag hat er erst vor zwei Wochen verlängert, ihn nun an die Luft zu setzen, käme einem Offenbarungseid gleich. Dazu kommt: Der BVB muss handlungsfähig bleiben, schon die Suche nach einem geeigneten Trainer gestaltet sich im Winter schwierig und benötigt Überzeugungskraft. Längst hat sich auch in der Branche herumgesprochen, dass Arbeiten in Dortmund bisweilen von vielen negativen Umständen begleitet wird.

Ein maßlos überteuerter BVB-Kader

Egal, wie der Schnitt dann ausfallen und wer alsbald in der Verantwortung stehen wird, sind da ja auch noch die großen strukturellen Probleme. Ein Kader, der maßlos überteuert ist, die trübe Aussicht, mindestens eine Saison ohne die Mega-Einnahmen aus der Champions League planen zu müssen. Die notwendige Kurskorrektur wird mal wieder umfangreich ausfallen und verantwortungsbewusstes und kluges Handeln erfordern. Und die Maßnahmen müssen sitzen. Es gibt genügend warnende Beispiele, wie tief man fallen kann, wenn man so hoch gestiegen ist wie Borussia Dortmund in den vergangenen 15 Jahren.

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