Mit verschränkten Armen erlebt Nuri Sahin an der Seitenlinie die letzten Minuten seiner wohl letzten Partie als Trainer von Borussia Dortmund beinahe regungslos. Eine Stunde lang hatte der BVB in Bologna beim Schicksalsspiel für den angeschlagenen Trainer eine knappe Führung mehr schlecht als recht verteidigt, dann sorgte ein Doppelschlag für den Knockout.
BVB taumelt immer tiefer in die Krise
Die Borussia taumelt nach dem 1:2 (1:0) immer tiefer durch die Krise, ihr Trainer steht nach der vierten Pflichtspiel-Pleite in Serie dicht vor dem Aus. Nach dem Abpfiff marschierte der Trainer direkt in die Kabine, ein Abgang voller Frust und großer Enttäuschung. Mit dem Panenka-Elfmeter, der den BVB nach einer Viertelstunde in Führung brachte, konnte sich der stark unter Druck stehende Sahin kaum anfreunden, auch wenn das Resultat dem Schützen am Ende Recht gab.
In dieser Situation einen Strafstoß, der für hitzige Diskussionen zwischen Schiedsrichter Serdar Gözübüyük und den italienischen Gastgebern sorgte, so zu schießen, war übertrieben lässig von Serhou Guirassy. Das zu lange Zupfen von Emil Holm gegen Dortmunds Waldemar Anton rechtfertigte allerdings den Pfiff des Unparteiischen aus den Niederlanden, der seine kleinliche Linie auch im weiteren Verlauf durchzog. 1:0 nach 15 Minuten, besser konnte die Partie für den taumelnden BVB kaum beginnen.
Prominentes BVB-Trio auf der Bank
Personell und taktisch hatte Sahin seine Mannschaft als Konsequenz aus den drei Bundesliga-Niederlagen deutlich verändert. Julian Brandt, bislang in 22 Pflichtspielen immer in der Startelf, schmorte ebenso auf der Bank wie Marcel Sabitzer und Emre Can. Die beiden ersten BVB-Kapitäne standen damit nicht auf dem Rasen. Taktisch beerdigte Sahin weitgehend seinen lange unumstößlichen flachen Aufbau durchs Zentrum: Viele lange Bälle auf Guirassy, der sich als kopfballstarker Verlängerungsspieler immer tief anbot, waren das fast alleinige Mittel – nahmen aber zum Beispiel Felix Nmecha als zentralen Aufbauspieler fast komplett aus der Partie.
Mit der Führung im Rücken gewann Dortmund nur kurz Sicherheit. Die Probleme in der Arbeit gegen den Ball sorgten vielmehr für einen schnellen Kontrollverlust schon ab Minute 20 – und waren vor allem auf der linken BVB-Abwehrseite offensichtlich, wo Julian Ryerson gegen Riccardo Orsolini massive Probleme hatte. Dessen Flanken in den BVB-Strafraum beschworen permanent Gefahr herauf. So spitzelte Julien Duranville einen Ball so eben noch vor dem einschussbereiten Santiago Castro ins Toraus (18.), eine Minute später reklamierte Bologna nach einer weiteren Hereingabe Elfmeter. Zu unrecht.
BVB wirkt wie gelähmt
Auch bei Standards agierte die Borussia anfällig. Eine zu kurze Abwehr von Nmecha an die Strafraumgrenze nahm Orsolini volley, Kobel war rechtzeitig unten im Eck (28.). Gut für Dortmund, dass Bolognas mit Abstand auffälligster Spieler dann mit einer Oberschenkelverletzung früh vom Feld musste. Der Gastgeber blieb auch nach der Pause brandgefährlich, der BVB wirkter streckenweise wie gelähmt und suchte verzweifelt nach Sicherheit im eigenen Spiel. Entlastung gab es für die Borussia kaum, weil die langen Bälle meist eine schnelle Beute der italienischen Abwehr wurden. Ein Angriff über Maximilian Beier bildete eine seltene Ausnahme, da war aber schon fast eine Stunde gespielt.
Zur Stabilisierung durfte der Kapitän aufs Feld, Can ersetzte den unauffälligen Giovanni Reyna, Karim Adeyemi Duranville, der viel Laufarbeit nach hinten verrichten musste. Doch die permanenten Probleme bei langen Bällen blieben – und sorgten innerhalb von 60 Sekunden für den kompletten Knockout. Beim 1:1 stand Waldemar Anton miserabel gegen Jens Odgaard, dessen Flanke landete beim von Nico Schlotterbeck nur unzureichend bewachten Thija Dallinga. Kobel war machtlos (71.) – und holte nur wenig später erneut den Balll aus dem Netz. Wieder ein langer Ball, wieder eine katastrophales Stellungsspiel von Anton, im Nachschuss vollstrecke der eingewechselte Samuel Iling-Junior (72.).
Die BVB-Krise wird immer schlimmer
Nach dem Doppelschlag brachen sämtliche Dämme, der BVB taumelte der nächsten Pleite entgegen. Ein Aufbäumen war kaum erkennbar, Verunsicherung und Ratlosigkeit waren mit Händen zu greifen. Sahin versuchte mit weiteren Wechseln zu retten, was nicht mehr zu retten war, für eine Aufholjagd fehlte am Ende körperlich und mental die Kraft. Borussia Dortmund muss nun nicht nur um die direkte Qualfikation fürs Achtelfinale zittern. Der Klub steht vor schweren Tagen mit Grundsatzentscheidungen nicht nur in Sachen Trainer-Zukunft.