Äußerlich ließ sich Hans-Joachim Watzke das Drama von Dortmund nichts anmerken. Auf seinem Ehrenplatz auf der Westtribüne, flankiert von Finanz-Geschäftsführer Thomas Treß und Berater Matthias Sammer, nahm der BVB-Boss von außen betrachtet regungslos den irren Verlauf des letzten Bundesliga-Spieltags der Saison 2022/23 zur Kenntnis. Wie sehr es in ihm brodelte, dazu muss man kein Psychologe sein, das stellte sich ganz anders dar. In den Schlussminuten hielt es ihn nicht mehr auf seinem Sitz.
BVB-Boss Watzke: „Das schmerzt unfassbar“
„Wir haben seit elf Jahren immer wieder darauf hingearbeitet, dass wir Deutscher Meister werden“, erklärte Watzke im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Dann in der 89. Minute am letzten Spieltag abgefangen zu werden, das schmerzt unfassbar. Und das wird auch noch einige Tage so bleiben.“ Geschlafen habe er, meinte der 63-Jährige, schon lange nicht mehr gut.
Mit dem 2:2 gegen Mainz trieb Borussia Dortmund das klubimmanente Faible für besonders tragische Geschichten auf die Spitze, einmal mehr. Der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt, wörtlich bei Sebastien Hallers Strafstoß und bildlich durch die Chance, aus eigener Kraft mit einem Sieg Deutscher Meister zu werden. Beide Versuche scheiterten. Es werde dauern, das zu verarbeiten, ließ Watzke durchklingen. Die gefühlte Niederlage im Bundesliga-Finale fühle sich noch grauenvoller an als die Endspiel-Pleite im Finale der Champions League 2013 in Wembley gegen den FC Bayern (1:2). Diesen 27. Mai 2023 wird jedenfalls kein Schwarzgelber so schnell vergessen.
Hans-Joachim Watzke lobt die BVB-Fans
Inmitten der Trauer über den verzockten Titel und dem Frust über Platz zwei in der Bundesliga, zum siebten Mal seit 2012 übrigens, fanden sich auch tröstliche Aspekte für diejenigen, die sie finden wollten. Dazu zählte ganz bestimmt die Reaktion der Zuschauer auf den Schockzustand bei ihren gescheiterten Helden. „Wie die Fans die Mannschaft aufgefangen haben, auch mitten im Schmerz aller, das ist einfach großartig“, lobte Watzke. „Auch die Spieler haben einmal mehr registriert, was das für ein einzigartiges Band ist, das wir hier in Dortmund haben.“
Nun steht die große Analyse der BVB-Bosse (Stichwort: Elefantenrunde) an. Dort wird Trainer Edin Terzic einmal mehr hören, wie angetan die Chefetage von seiner Arbeit ist. „Alles, was wir uns von Edin Terzic erhofft haben, hat er zu mehr als 100 Prozent geliefert“, betonte Watzke. „Er ist ein außergewöhnlicher Trainer. Er gibt diesem Verein ein sympathisches Gesicht. Er ist authentisch und empathisch. Dass Borussia Dortmund so geschlossen dasteht, ist auch sein Verdienst.“ Auch für den direkten Vorgesetzten des Coaches fand Borussia Dortmunds Geschäftsführer lobende Worte. „Ich hätte auch Sebastian Kehl in seinem ersten Jahr als Sportdirektor den Titel von Herzen gegönnt. Jetzt müssen wir leider noch mindestens ein Jahr warten.“
BVB setzt eingeschlagenen Umbruch fort
Der Klub ist fest gewillt, den eingeschlagenen Umbruch fortzusetzen. Zwischen zehn und 15 Veränderungen wird es im Kader geben. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Was möglich ist mit dieser Mannschaft, habe die Rückrunde doch gezeigt, argumentiert Watzke. „Im Rückblick war die erste Hälfte der Saison nicht gut genug. Die 40 Punkte in der Rückrunde hingegen sind eine meisterliche Bilanz.“ Gereicht hat es nicht für den Titel, weil die Tordifferenz gegen Borussia Dortmund und zugunsten von Bayern München sprach.
Gerade weil die Bayern nun elf Mal hintereinander oben standen, will der BVB weiter am Thron des Rekordmeisters rütteln. Der Rückschlag vom Samstag soll, sobald er verarbeitet ist, neue Energie freisetzen. Schließlich richtete Watzke den Blick nach vorne und trotzte dem allgegenwärtigen Trend mit einer kleinen Kampfansage: „Wir werden von unserem Ziel nicht abweichen und wieder um die Deutsche Meisterschaft mitspielen wollen, weil wir das Gefühl haben, dass wir ganz nah dran sind. Das bedeutet aber auch, dass wir vom erste Spieltag an wissen müssen, dass jedes Tor wichtig ist und am Ende entscheidend sein kann.“ Auf diese leidvolle Erfahrung hätte der BVB allerdings am Samstag gut verzichten können.
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