
© BVB
Bewegende Begegnung für BVB-Reisegruppe mit Holocaust-Überlebender
Borussia Dortmund
Eva Szepesi hat das KZ überlebt. Eine Reisegruppe des BVB unter Leitung von Daniel Lörcher traf die 88-Jährige kürzlich in Auschwitz. Die Begegnung ist Teil des Kampfes gegen Antisemitismus.
Verschwörungstheorien, Hetze, falsche Mythen - wenn die Corona-Pandemie eines zeigt, dann, dass es mehr denn je auf Aufklärung und Wahrhaftigkeit ankommt. Borussia Dortmund stellt sich seit vielen Jahren klar gegen Diskriminierung, Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus. Daniel Lörcher verantwortet die Arbeit und bündelt mit seiner Abteilung Corporate Responsibility die vielfältigen Maßnahmen des BVB.
BVB-Reisegruppe auf Spurensuche in Auschwitz-Birkenau
In dieser Rolle organisiert der 35-Jährige regelmäßig in Kooperation mit dem Fan-Projekt Dortmund, der BVB Fan- und Förderabteilung sowie dem Bildungswerk Stanislaw Hantz Bildungsreisen für Fans und Mitarbeiter des Vereins in die Internationale Jugendbildungsstätte (IJBS) Oświęcim und die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Coronabedingt musste das Projekt zuletzt rund eineinhalb Jahre ruhen. Vor Kurzem jedoch konnte sich eine schwarzgelbe Reisegruppe wieder in Polen auf historische Spurensuche begeben.
Das Besondere: Erstmals begleitete mit Eva Szepesi eine Holocaust-Überlebende die Dortmunder Delegation, Tochter Anita Schwarz unterstützte sie bei der Reise in die eigene Vergangenheit. Als Zwölfjährige kam die ungarische Jüdin am 3. November 1944 in Auschwitz an. Einen Tag zuvor wurde die Ermordung der Lager-Insassen mit Zyklon B eingestellt.
Holocaust-Überlebende Eva Szepesi spricht über ihre Erfahrungen
Eva überlebte das Lager bis zum Tag seiner Befreiung am 27. Januar 1945. Nach dem Krieg ging sie zurück in ihre Heimat Ungarn, ehe sie mit ihrem Mann, der Handelsvertreter war, nach Deutschland zog. Erst fünf Jahrzehnte nach ihrer Befreiung besuchte Szepesi erstmals wieder das Lager. Zum 50. Jahrestag der Befreiung sprach sie 1995 vor einer Gruppe jüdischer Jugendlicher über ihre Erlebnisse.

Die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi begleitete mit ihrer Tochter Anita die BVB-Reisegruppe. © BVB
Es war das erste Mal, dass ihre Tochter Anita überhaupt detailliert von der Zeit ihrer Mutter im KZ hörte. Zuvor wurde in der Familie nicht darüber gesprochen, Evas Geschichte lastete ebenso unausgesprochen wie schwer auf der Familie.
Bei der Begegnung mit Daniel Lörcher und der BVB-Reisegruppe war das Eis jedoch schnell gebrochen. „Eva lebt in Frankfurt, aber der Kontakt zu ihr besteht schon seit längerer Zeit. Im Jahr 2019 hat sie uns bereits vor großem Publikum im Signal Iduna Park ihre Geschichte erzählt“, so Lörcher. Und auch für die Filmreihe „BVB09 – Stories who we are“ habe es eine Begegnung gegeben.
Bewegende Eindrücke für Dortmunder Delegation
„Wir haben uns riesig gefreut, dass sie unsere Gruppe nun nach Polen begleitet hat. Sie hat direkt gesagt: Erzählt mir von eurer Kindheit, meine war nicht so toll. Dadurch stand der Elefant nicht mehr im Raum, die Unsicherheit bei den Teilnehmern verflogen, wie sie mit der Situation umgehen sollen“, berichtete Lörcher.
Gemeinsam mit Eva und ihrer Tochter verbrachte die Gruppe drei Tage. Die 88-jährige Shoa-Überlebende zeigte den Besuchern viele Orten in der Gedenkstätte des Stammlagers Auschwitz und des ehemaligen Vernichtungslagers Birkenau, die mit der Verfolgungsgeschichte ihrer Familie verbunden sind. „Sie hat uns die sogenannte Rampe gezeigt, an der sie angekommen ist, das Gebäude, in dem ihr die Nummer in den Arm tätowiert wurde und ihr die Haare abgeschnitten wurden. Sie hat uns gezeigt, wo die Aufnahme ins Lager erfolgt ist. Das war sehr bewegend“, erzählt Daniel Lörcher.
Eintrag ins Gedenkbuch des Museums eine Ehre
An einem kleinen Teich, der in nächster Nähe zu den Krematorien gelegen ist und in den seinerzeit die Asche der verbrannten, ermordeten Häftlinge geschüttet wurde, hielt die Gruppe ein gemeinsames Gedenken. Nach rund vier intensiven und bedrückenden Stunden im ehemaligen Lager hatte die Gruppe Zeit, das Erlebte auch im persönlichen Gespräch mit der Überlebenden zu verarbeiten.

Große Ehre: Daniel Lörcher durfte sich als BVB-Repräsentant in das Gedenkbuch des Museums eintragen. © BVB
Tags drauf folgte ein gemeinsamer Besuch in der ungarischen Länderausstellung der Gedenkstätte – im Anschluss trugen sich Eva Szepesi und auch Daniel Lörcher als Repräsentant des BVB ins Gedenkbuch des Museums ein. „Das ist eine riesengroße Auszeichnung für unsere langjährige Zusammenarbeit mit dem Museum Auschwitz - Birkenau und eine große Ehre für den Verein und mich persönlich“, sagt Daniel Lörcher.
Emotionale Worte von Eva Szepesi und Daniel Lörcher
Szepesis bewegende Worte waren Erinnerung und Appell zugleich: „Ich habe Auschwitz mit zwölf Jahren überlebt, damit ich jetzt darüber berichten kann, damit es nie wieder geschieht.“
Auf Englisch schrieb Daniel Lörcher: „Borussia Dortmund fühlt sich der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau tief verbunden. Die Erinnerung an die deutschen Massenverbrechen und den Holocaust werden für immer unsere Aufgabe und Verpflichtung sein. Wir verneigen uns vor den Opfern.“
Daniel Lörcher als BVB-Vertreter beim GFCA in Jerusalem
Noch vor der Gedenkstättenfahrt nach Polen war Daniel Lörcher als Repräsentant des BVB beim 7. Global Forum For Combating Antisemitism (GFCA) in Jerusalem. Dort nahm er unter anderem an einem Diskussionspanel mit Vertretern des FC Chelsea, Ferencváros Budapest und mit Lord John Mann – dem Antisemitismus-Beauftragten Großbritanniens – teil.
Ein wichtiges Thema des Treffens war die Verständigung zur Arbeitsdefinition Antisemitismus der Internationalen Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), die der BVB bereits im vergangenen Jahr als erster Bundesligist unterzeichnet hat. „Wenn man über ein Problem spricht, braucht man vorher ein gemeinsames Verständnis des Problems“, so Lörcher. Genau das soll die IHRA-Erklärung sicherstellen.
BVB-Konzept im Kampf gegen Antisemitismus vorgestellt
In Jerusalem stellte der BVB-Vertreter auch Borussias Konzept für den Kampf gegen Antisemitismus vor, welches auf einen ganzheitlichen Ansatz abzielt und neben den Fans auch Mitarbeiter, Sponsoren und Partner einbezieht. Neben den historischen Bezügen konzipierte der BVB auch Aktivitäten, die sich dem heutigen Antisemitismus widmen. Zudem freut sich der Abteilungsleiter Corporate Responsibility des BVB über die gute Beziehung zur jüdischen Gemeinde Dortmund.
Auch das durch die Europäische Kommission geförderte Projekt „Changing the Chants“, dessen Ziel es ist, Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus im Fußball erstmals auf einer europäischen Ebene zu entwickeln, war bei der international besetzten Konferenz ein wichtiges Gesprächsthema.
„Als Verein haben wir die Möglichkeit, Menschen unabhängig von ihrem Bildungsgrad, Alter oder gesellschaftlichem Stand anzusprechen. Deswegen kann der Fußball im Kampf gegen Diskriminierung eine besondere Rolle einnehmen. Die Teilnahme am GFCA war daher enorm wichtig für unsere Arbeit“, resümierte Daniel Lörcher.
Cedric Gebhardt, Jahrgang 1985, hat Germanistik und Politikwissenschaft an der Ruhr-Uni Bochum studiert. Lebt aber lieber nach dem Motto: „Probieren geht über Studieren.“ Interessiert sich für Sport – und insbesondere die Menschen, die ihn betreiben. Liebt Wortspiele über alles und kann mit Worten definitiv besser jonglieren als mit dem Ball. Schickt deshalb gerne humorige Steilpässe in die Spitze.
