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BVB-Spielerin Inger Smits: Das war meine Bedingung bei der Verlängerung

BVB-Handball-Frauen

Inger Smits hatte schon vor der Corona-Krise beim BVB verlängert. Im Interview spricht sie über die Verhandlungen, warum sie vor der Saison Zweifel an der Mannschaft hatte und die Corona-Krise.

Dortmund

, 18.04.2020, 11:00 Uhr / Lesedauer: 5 min
Inger Smits ist eine der Leistungsträgerinnen beim BVB.

Inger Smits ist eine der Leistungsträgerinnen beim BVB. © Stephan Schuetze

Eigentlich wäre am 18. April mit großer Wahrscheinlichkeit die Entscheidung im Kampf um die Deutsche Meisterschaft fallen. Im Kalender der BVB-Handballerinnen steht an diesem Tag das Auswärtsspiel gegen Bietigheim. Aber statt auf dem Feld um jeden Zentimeter, um Tore und um den Titel zu kämpfen, verbringt Borussin Inger Smits den Samstag zuhause in den Niederlanden mit ihrer Familie.

Nach dem Liga-Abbruch aufgrund der Corona-Pandemie endete für die 25-Jährige eine Saison, in der fast nichts so gelaufen ist, wie es geplant war. Die Rückraumspielerin wechselte im Sommer vergangenen Jahres nach Dortmund, geplant war eigentlich, dass sie unter ihrem Vater Gino Smits auf Tore- und Titeljagd gehen würde.

Doch kurz vor der Saison nahm die Borussia einen Trainerwechsel vor, statt Smits saß plötzlich André Fuhr auf der Bank der Borussia. Trotz aller Turbulenzen neben dem Spielfeld standen die Borussinnen dann bis zur Niederlage in Metzingen sogar ungeschlagen an der Tabellenspitze, zwischendurch schnappte sich Inger Smits mit ihren Oranje-Kolleginnen noch den Weltmeistertitel und nahm Kurs auf Olympia im Sommer. Und dann kam mit der Corona-Pandemie nochmal alles anders. Kein Meister-Titel, kein Olympia, Zittern um den Champions-League-Platz.

Frau Smits, nach dem Ligaabbruch haben Sie vom Verein offiziell Urlaub bekommen, sind Sie sofort in Ihre Heimat gefahren?

Ja, ein paar Tage nach dem Liga-Abbruch bin ich nach Hause gefahren und bin seitdem in Holland bei meiner Familie.

Wie spüren Sie in Holland die Auswirkungen der Corona-Pandemie?

Hier ist auch alles zu und im Supermarkt sind überall Streifen auf dem Boden, sodass man die eineinhalb Meter Abstand einhält. Seit letzter Woche darf man auch nicht mehr mit mehr als zwei Personen in einem Auto fahren, sonst gibt es eine Strafe, genauso wenn man mit mehreren Personen auf der Straße unterwegs ist.

Vom Verein haben Sie einen Trainingsplan bekommen, wie halten Sie sich konkret fit?

Wir haben vom BVB einen Trainingsplan mit vielen Laufeinheiten bekommen. Vom holländischen Verband haben wir Trainingssachen für Kraftübungen nach Hause geschickt bekommen, die Übungen mache ich immer im Garten. Ich gehe also praktisch immer einen Tag laufen, den anderen mache ich Kraftübungen. Und einmal in der Woche machen wir mit der Mannschaft ein Cyber-Training. Da machen wir alle zusammen vor dem Laptop ein Workout, damit wir einmal die Woche zusammen trainieren und einander wiedersehen. Das macht schon Spaß.

Sie sind zuhause auch mit Ihren beiden Brüdern zusammen, Kay (23) spielt beim SC Magdeburg in der Bundesliga, Jorn (27) seit Januar wieder in Holland nachdem er in der 2. Liga beim TV Emsdetten gespielt hat. Trainieren Sie zusammen?

Also laufen gehe ich alleine, weil die beiden einen anderen Plan bekommen haben als ich. Aber die Kraftübungen machen wir zusammen.

Auch Inger Smits‘ Bruder Kay spielt für die niederländische Nationalmannschaft.

Auch Inger Smits‘ Bruder Kay spielt für die niederländische Nationalmannschaft. © picture alliance/dpa

Wer von Ihnen ist am stärksten?

(lacht) Ich definitiv nicht. Wenn man mit zwei Männern trainiert, ist das schon anders. Mein kleiner Bruder Kay ist der stärkste von uns.

Sie sind eine absolute Sportler-Familie, Ihr Vater Gino Smits ist Handballtrainer, Ihre beiden Brüder spielen wie Sie, alle haben jetzt Zwangsurlaub. Langweilt sich die Familie Smits schnell?

Eigentlich geht das ganz gut: Das positive an der Krise ist, dass wir mal länger mit der Familie zusammen sein können. Normalerweise sehen wir uns in der Konstellation nur zwei oder drei Mal pro Jahr. Jetzt sind es schon ein paar Wochen, die wir zusammen sind. Mit meinen Brüdern trainiere ich, mit der ganzen Familie spielen wir viele Gesellschaftsspiele, das ist eigentlich ganz gemütlich.

Wer hat den bei den Spielen die Nase vorn?

Ich würde gerne sagen, dass ich immer gewinne, aber das ist leider nicht so. (lacht)

Sie haben jetzt auch für Ihr Studium mehr Zeit.

Genau, ich mache ein Fernstudium in Holland, das läuft auch normal weiter und ich habe da jetzt eben ein bisschen mehr Zeit für als sonst.

Zurück zum Sportlichen: Die Saison ist ganz anders verlaufen, als Sie es zu Beginn gedacht hatten. Angefangen hat alles damit, dass statt ihrem Vater Gino plötzlich André Fuhr auf der Trainerbank saß. Danach ist die Saison bis zum Abbruch sogar fast perfekt gelaufen, hätten Sie das denn erwartet?

Ich wusste, dass wir eine gute Mannschaft haben – aber mit so vielen neuen Spielerinnen und einem neuen Trainer dauert es meistens eigentlich ein oder zwei Jahre, bevor man eine wirklich gute Mannschaft ist. Ich hatte eigentlich gedacht, wir brauchen mindestens ein Jahr, in der Vorbereitung ging dann auch noch ganz viel schief. (lacht) Aber als die Saison begonnen hat, hat alles geklappt. Alle Spielerinnen haben ihre Rolle in der Mannschaft gefunden.

Gino Smits hatte die Borussia bis zum Sommer 2019 trainiert, dann wurde er überraschend von André Fuhr abgelöst.

Gino Smits hatte die Borussia bis zum Sommer 2019 trainiert, dann wurde er überraschend von André Fuhr abgelöst. © Ludewig

Nach dem perfekten Saisonverlauf kam die nächste Wendung, mit der wohl keiner gerechnet hatte – der Ligaabbruch wegen der Coronakrise. Wie sehr hat Sie das getroffen?

Am Anfang war ich sehr enttäuscht, wir waren auf dem ersten Platz, wir wollten deutscher Meister werden und den Pokal holen. Ich bin nicht wütend darüber, aber, wie gesagt, enttäuscht. Bei uns wurde die Liga sofort abgebrochen, bei den Männern wird immer noch abgewartet. Ich verstehe nicht, wieso da nicht einheitlich gehandelt wurde.

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Noch etwas was, was offen ist – die Vergabe des Champions-League-Platzes...

Ja, da sind wir alle ein bisschen nervös, wir warten immer noch auf die Entscheidung der Liga. Wir wollen natürlich den Platz haben, wir wissen aber eben noch nicht, wie das in Deutschland gemacht wird. In Dänemark wurde zum Beispiel der Tabellenstand zum Zeitpunkt des Abbruchs genommen, in Ungarn wurde die Saison aber komplett annulliert und es wurden die Platzierungen aus der Vorsaison genommen. Das macht bei uns natürlich einen riesigen Unterschied, wie es gewertet wird, das würde für uns den ersten oder den siebten Platz bedeuten.

Während der Saison sind Sie alle sehr vorsichtig mit der Frage nach der Deutschen Meisterschaft gewesen. Nach dem Liga-Abbruch und mit ein wenig Abstand – wären Sie Deutscher Meister geworden?

Das kann ich natürlich nicht sagen, wir hatten noch das Spiel gegen Bietigheim. Aber das wäre definitiv das Finale gewesen. Es wäre ein schweres Spiel geworden, aber ganz sicher nicht unmöglich zu gewinnen: Wir haben Bietigheim ja schon zwei Mal geschlagen diese Saison. Ich kann nicht ganz klar sagen, dass wir Meister geworden wären, aber die Chance war sehr groß. Wir wären am Ende der Saison ganz sicher Erster oder Zweiter gewesen.

Schon vor der Corona-Krise haben Sie beim BVB verlängert – warum?

Erstmal hat mir die Zusammenarbeit mit André sehr gut gefallen, ich spiele ganz viel, wir kommen gut klar miteinander. Und natürlich haben wir eine gute Mannschaft. (lacht) Mir war es aber wichtig, dass wir nicht nur für eine Saison eine gute Mannschaft haben, sondern auch noch Verstärkungen dazukommen. Vor allem, weil wir uns sicher waren, dass wir in der nächsten Saison auf jeden Fall international spielen. Für mich war da auch wichtig, dass Spielerinnen dazu kommen, mit denen man was erreichen kann und international nicht nur mitspielt und dann schnell wieder Schluss ist. Das habe ich auch bei den Verhandlungen gesagt und der Verein hat mir versprochen, dass noch sehr gute Spielerinnen geholt werden – und die kommen ja jetzt auch.

Mit Delaila Amega, Tessa van Zijl, Clara Monti Danielsson, Tina Abdullah und Jennifer Gutiérrez Bermejo kommen fünf Spielerinnen zu Ihnen, die die Mannschaft nochmal stärker machen als in dieser Saison. Deutscher Meister 2021 wird ganz sicher der BVB, oder?

(lacht) Das glaube ich nicht, Bietigheim hat auch gute Spielerinnen geholt. Aber natürlich wollen wir Deutscher Meister werden und wir wollen auch international erfolgreich sein. Wenn man so eine schwere Saison hat, dann müssen alle Spielerinnen spielen können. Ich glaube, diese Saison war der Unterschied zwischen erster und zweiter Sieben doch ein bisschen größer als das nächstes Jahr sein wird.

Mit Delaila Amega und Tessa van Zijl werden nächste Saison acht Niederländerinnen beim BVB spielen. Müssen die anderen Spielerinnen schon Holländisch-Stunden bei Ihnen nehmen?

Haben wir schon ein paar Mal vorgeschlagen, aber die deutschen Spielerinnen wollten das nicht. (lacht) Nein, wir sprechen beim BVB natürlich Deutsch, das können wir auch ganz gut.

Hatten Sie jemals Bedenken, dass es wegen der „Holland-Connection“ zu Problemen kommen könnte?

Ich dachte vor der Saison ehrlich, dass wir sechs Spielerinnen vielleicht schon zu viel sind. Dass die anderen vielleicht denken, dass wir nur mit den Holländern zusammen sind. Aber das hat wirklich gut geklappt, auch die anderen Mädels haben das gut aufgenommen. Ich habe also keine Angst, dass das zu Problemen führen könnte.

Nicht nur die Bundesliga wurde abgebrochen, die Olympischen Spiele sind verschoben worden. Da hätten sie mit den Niederlanden als Weltmeister teilgenommen.

Das war sicherlich ein Traum, aber ich saß bei der WM auch paar Spiele auf der Tribüne. Bei Olympia muss der Kader nochmal um zwei Spielerinnen verkleinert werden, also war ich gar nicht sicher, ob ich mitgefahren wäre. Für mich ist die Verschiebung also vielleicht gar nicht so schlecht: Ich habe jetzt noch ein Jahr länger, um mich bei unserem Trainer zu beweisen.

Offizieller Vorschlag vom DHB zur Saisonwertung beim Ligaabbruch
  • Der Deutsche Handballbund (DHB) empfiehlt im Falle eines Saisonabbruchs eine Wertung der Abschlusstabellen auf Basis der Quotientenregelung.
  • In diesem Fall würden die gesammelten Punkte der Teams durch die Anzahl der absolvierten Spiele bis zum 12. März 2020 geteilt.
  • Das Ergebnis würde anschließend mit 100 multipliziert und auf eine Stelle nach dem Komma gerundet werden, wie der DHB am Freitag mitteilte.
  • Nach dieser Regelung wären die BVB-Handball-Frauen mit einem Quotienten von 188,9 Tabellenerster vor Bietigheim (183,3).
  • In den kommenden Tagen wird der DHB-Bundesrat über die entsprechende Beschlussvorlage abstimmen.
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