Auf gut 20 Metern Höhe ist der Mast einer Windkraftanlage in Gescher-Estern in der Nacht auf Dienstag einfach abgebrochen. Der obere Teil des Masts und der Generator sind quer über einen Wirtschaftsweg und in ein angrenzendes Maisfeld gestürzt. Die Ursache ist noch völlig unklar, verletzt wurde zum Glück niemand.
Was genau in Gescher passiert ist, wird jetzt untersucht. Vor Ort ist deutlich sichtbar, dass die Stelle, an der das abgebrochene Turmteil mit dem Rest verschraubt war, stark angerostet ist. Löcher, durch die die Bolzen die beiden Turmteile zusammen hielten, sind nicht ausgerissen. Die am Boden liegenden Segmente sind stark verbogen. Der Verdacht liegt nah, dass die Verbindungsbolzen gerissen sind.
Kann das bei Windrädern in und um Ahaus auch passieren?
Reinhard Benneker winkt erstmal ab. Diese Gefahr sieht er nicht. Der Landwirt aus Quantwick hat die jetzt umgestürzte Anlage mit aufgebaut. Als Geschäftsführer der Windkraft Hamaland. Wann genau das gewesen ist, kann er auf Anhieb nicht genau sagen.
Der Kreis Borken hilft weiter: 1997 wurde die Baugenehmigung erteilt, 1999 ging die Anlage in Betrieb. Weitere Eckdaten: 70 Meter Nabenhöhe, Rotordurchmesser: 48 Meter, Leistung: 600 Kilowatt. Für heutige Verhältnisse eine eher überschaubare Anlage was Größe und Leistung angeht. Nach derzeitigen Erkenntnissen ist es die einzige Anlage dieser Art im Kreis Borken.
Der Landwirt aus Quantwick betreibt seit den 1990er-Jahren eine Vielzahl von Windkraftanlagen. Gleichzeitig ist er auch an ungezählten Betriebs- und Entwicklungsgesellschaft für Windenergie in der Region beteiligt.
Anlage wechselte den Eigentümer
Inzwischen ist Reinhard Benneker nicht mehr Geschäftsführer der Windkraft Hamaland. Die Anlage wurde zuvor an eine andere Gesellschaft verkauft. Seines Wissens sollte die betroffene Anlage schließlich an einen Mobilfunkbetreiber verkauft werden: Der wollte den Mast für Antennen nutzen. Das Windrad samt Generator sollte demnach außer Betrieb gehen.
Dr. Hubert Upgang, Geschäftsführer des neuen Betreibers, bestätigt gegenüber unserer Redaktion am Unglücksort, dass seine Gesellschaft die Anlage vor etwa einem Jahr übernommen habe. „Vorher wurde die Anlage noch einem großen Check unterzogen. Da war alles bestens“, sagt er.
Reinhard Benneker kann sich so direkt noch keinen Reim auf den Schaden machen: „Es war gestern Nacht wohl einmal recht windig, aber nicht so stark“, sagt er.
Regelmäßige Kontrollen
In der Regel würden solche Anlagen alle fünf Jahre von einem Gutachter untersucht. Spätestens alle 20 Jahre müsse ein Standsicherheits-Gutachten angefertigt werden. Was in Estern zu der Havarie geführt hat, mag er aus der Entfernung nicht beurteilen. „Das wäre Stochern im Nebel“, sagt er. Zu viele Fragen seien offen, die ein Gutachter klären müsse.
Keine Windkraftanlage komme ohne langfristige und regelmäßige Wartungen aus. Das sei in den Genehmigungen so festgeschrieben. Und die seien auch bisher immer so erfolgt. „Da werkelt ja auch kein Landwirt selbst dran herum“, sagt er ganz deutlich. „So etwas kann nicht passieren. Eigentlich“, sagt er.
Natürlich hat auch Karl-Heinz Siekhaus, Vorstand der Energiegenossenschaft Ahaus-Heek-Legden, aktuell keine Erklärung für das, was genau in Estern vorgefallen ist. Dass etwas Ähnliches an den Anlagen der Energiegenossenschaft passiert, kann er sich aber nicht vorstellen.

„Technische Mängel kann es ja immer geben“, sagt er. Die Genossenschaft tue aber alles, um Schäden zu verhindern. Beispielsweise hat sie langfristige und enge Wartungsverträge abgeschlossen. Schon dass Einzelteile von einem Windrad abbrechen oder etwas von dort oben herunterfällt, sei schon sehr, sehr unwahrscheinlich. „Eigentlich ist so etwas ausgeschlossen“, sagt er dann mit Blick auf die umgestürzte Windkraftanlage. „Das ist kaum erklärbar“, fügt er noch hinzu. Die Energiegenossenschaft ist allein an 26 Windrädern in der Region beteiligt.
Die Polizei im Kreis Borken sieht keinen Grund für weitere Ermittlungen. Beamte seien vor Ort gewesen. „Hinweise auf mögliche Straftaten gab es nicht“, sagt Dietmar Brüning von der Pressestelle.
Gutachter muss Schaden prüfen
Die Bauverwaltung des Kreises Borken ist natürlich mit eingebunden, wartet aber zunächst noch die Ursachenforschung ab. Genau wie die Stadt Gescher. Marius Tegeler vom dortigen Ordnungsamt sieht erstmal keinen Grund zur Eile: „Klar, das Ding muss da weg“, erklärt er im Gespräch mit unserer Redaktion.
Gleichzeitig wolle der Betreiber ja auch die Ursache ergründen. „Ein Gutachter muss sich den Schaden ansehen“, sagt er. So lange werde das Windrad dort liegen. „Kein Traum, aber auch keine Katastrophe“, erklärt er. Auch wenn der Wirtschaftsweg im Außenbereich blockiert sei. „Es gibt genug Umfahrungsmöglichkeiten.“
Wie lange die Anlage noch dort liegt, ist im Moment noch offen: Hubert Upgang hofft, dass der Gutachter noch am Mittwoch (5. Juli) vor Ort sein wird. „Die Versicherung hat schon signalisiert, nur dann für den Schaden aufkommen zu wollen, wenn es sich tatsächlich um einen Sturmschaden handelt“, erläutert Hubert Upgang. Erst danach könne mit der Bergung der Trümmerteile begonnen werden, ergänzt er.
2018 war in Wüllen ein Windrad in Brand geraten. Es wurde teilweise kontrolliert gesprengt und repariert. Zuletzt war 2021 ein Windrad in Haltern komplett in sich zusammengebrochen. Gutachter hatten erst nach einer mehrmonatigen Untersuchung die Ursache gefunden.
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