Viele Erinnerungslücken, Widersprüche, viele Zeugen vom Hörensagen und ein „überraschendes Geständnis“ – über zweieinhalb Stunden dauerte eine Verhandlung im Amtsgericht gegen einen Stadtlohner, der der Nachstellung, Sachbeschädigung und der Anstiftung eines mitangeklagten Ahausers zur Sachbeschädigung bezichtigt wurde.
Der Richter drückte seinen spürbaren Unmut nach dieser „besten Vormittagsunterhaltung“ ironisch aus: „Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich RTL angerufen.“
Gleich dreimal war das Auto einer 28-Jährigen im Dezember 2021 beschädigt worden. Zweimal wurde ein Reifen zerstochen, dann die Windschutzscheibe eingeschlagen. Bei der Anzeige hatte die Geschädigte, eine ehemalige Lebensgefährtin des 30-jährigen Hauptangeklagten, die Vermutung gehegt, dass dieser für die Vorfälle verantwortlich sei.
Verteidiger erkennt Belastungstendenzen
Der Verteidiger wies vorab auf den schwierigen Hintergrund hin. In rund zehn Fällen hätten sich die Ex-Partner bereits vor dem Amts-/Familiengericht getroffen. Überwiegend ging es dabei um den Umgang des 30-Jährigen mit den beiden gemeinsamen Kindern. Insgesamt sehe er „erhebliche Belastungstendenzen“ die strafrechtlichen Vorwürfe betreffend.
In allen drei Fällen habe er nichts mit den Taten zu tun, betonte der Stadtlohner – auch im dritten Fall, bei dem er seinen damaligen Arbeitskollegen, einen 28-jährigen Ahauser, zur Sachbeschädigung an dem Fahrzeug angestiftet haben soll. Mittlerweile sei der Umgang mit den Kindern geregelt.
Der Ahauser gab dagegen umgehend zu, dass er die Windschutzscheibe im dritten Fall eingeschlagen habe. „Wir sind gemeinsam dorthin gefahren, er ist im Auto geblieben“, erklärte er. Auf der Rückfahrt von der Baustelle im Anschluss habe er dann 200 Euro „als Dankeschön“ erhalten. Eine Woche zuvor habe er es noch abgelehnt, als ihm der 30-Jährige angeboten habe, „schnell 200 Euro zu verdienen“.
Am besagten Morgen habe er dann doch eingegriffen und die Tat selbst ausgeführt: „Er steht ja unter Bewährung“, so seine Begründung. Heute hätten beide übrigens nicht mehr das beste Verhältnis, er arbeite auch nicht mehr für den Stadtlohner.
Die Zeugin berichtete, dass sie sich Anfang 2021 vom Stadtlohner getrennt habe. Der Umgang mit den gemeinsamen Kindern im Dezember 2021 sei nicht gut gewesen, bestätigte sie: „Er war öfter bei mir und hat randaliert“, erzählte sie. Daraus sei es auch zu einer Anzeige wegen Körperverletzung gekommen. Von einer Bekannten sei ihr überliefert worden, dass sie die Anzeige zurückziehen solle: „Sonst würde ein schwerer Autounfall passieren.“ Kurz darauf sei es zu den drei Vorfällen gekommen.
Im Gegensatz zum Stadtlohner sagte sie, dass das Verhältnis auch heute noch „katastrophal“ sei. Mitte 2022 habe sie sich mit neuen Erkenntnissen in dieser Sache an die Polizei gewandt. Sie habe gesteckt bekommen, dass die beiden Angeklagten „mit der Tat geprahlt“ hätten.
Richter gibt Zeugen zweite Chance
Der vermeintliche Zeuge dieses Gespräches zwischen den beiden Angeklagten konnte sich an den genauen Zeitpunkt dieses Kontaktes nicht mehr erinnern. Auffällig: Dieser hatte einst auch für den Stadtlohner gearbeitet und befinde sich in einem Rechtsstreit mit diesem. „Sie können sich an ganz schön viel nicht erinnern“, bemerkte der Richter früh in Richtung des Hauptbelastungszeugen.
Er gab dem Zeugen die Chance, seine Aussage zu überdenken. Es liege irgendwie nahe, dass er dem Stadtlohner „eins auswischen“ wolle. Der Zeuge blieb bei seiner Darstellung.
Die Bewährungshelferin des Stadtlohners stellte diesem eine gute Prognose aus, da dieser in geordneten Verhältnisse lebe, mittlerweile auch geheiratet habe. Zu zehn Monaten auf Bewährung war der 30-Jährige wegen Körperverletzung verurteilt worden. Ansonsten gaben die Registerauszüge sowohl des Stadtlohners als auch des Ahausers nicht viel her.
Für die Anklagevertreterin hätten sich die Vorwürfe gegen den Stadtlohner nicht bestätigt. Es fehlten echte Beweise. In Falle der vermeintlichen Anstiftung fehle ihr „die Bestimmung“: „Die Entscheidung haben Sie selbst getroffen. Aus Gefälligkeit“, sagte sie zum Ahauser. Ansonsten hätte es im Grunde nur „Zeugen vom Hörensagen“ gegeben. Der 30-jährige sei freizusprechen, der 28-Jährige habe sich hingegen der Sachbeschädigung schuldig gemacht: 40 Tagesätze zu 10 Euro seien angemessen.
„Heute haben wir was erlebt.“ Der Verteidiger des Stadtlohners sah sich in seinen „erheblichen Belastungstendenzen“ bestätigt. „Alle hier hatten irgendwie Abrechnungsprobleme mit meinem Mandanten“, meinte er. Der Verdacht liege nahe, dass vor dem Hintergrund der laufenden Bewährung ein Netz gestrickt werden sollte, um dem Angeklagten zu schaden.
„Glauben Sie wirklich, mein Mandant würde das Auto beschädigen, in dem seine Kinder transportiert werden?“, fragte er. Der mitangeklagte Ahauser habe letztlich die Rolle des Bauernopfers in diesem Geflecht übernommen. Den Hauptbelastungszeugen bezichtigte er klar der Lüge. Freispruch, so sein Antrag.
Freispruch für beide Angeklagten
Der Richter sprach am Ende gar beide Angeklagten frei. Auch den Ahauser: „Ihr Geständnis kam zu meiner Überraschung“, erklärte der Richter. Das sei doch eine „vogelwilde Geschichte“ gewesen. Und selbst wenn er ihm geglaubt hätte, dann fehlte eben die Bestimmung zur Anstiftung. Mit Blick auf den Antrag der Staatsanwaltschaft sei die Aussage „nicht besonders klug“ gewesen.
Ansonsten sei die Beweisaufnahme „reines Kuddelmuddel“ gewesen. Die Aussage des Hauptbelastungszeugen würde er gar als „Falschaussage qualifizieren“. In Summe konnte er auch der Verteidigung zustimmen: „Einige hier haben einen Groll auf den Angeklagten, vermutlich haben sie sich zusammengetan.“ Der Richter schloss die Sitzung mit mahnenden Worten ab: „Das muss ich mir nicht regelmäßig geben. Behelligen Sie Polizei und Justiz nicht mit solchen Geschichten.“