
Anne Bredeck (68), in und um Alstätte bekannt als Bakkers Änne, hatte Ende der 1970er-Jahre mit entschieden, für das Gasthaus eine Musikbox anzuschaffen. „Um die 4000 Mark hat die damals gekostet", sagt sie heute. © Stephan Rape
Über 40 Jahre alte Musikbox erwacht bei Bredeck-Bakker zu neuem Leben
Repair-Café
Tanz auf dem Saal von Bredeck-Bakker ist wieder möglich: Zumindest was die Musik angeht. Zwei Tüftler haben die alte Wurlitzer-Musikbox überholt. Bakkers Änne kann ihr Glück kaum fassen.
Sie ist wieder da: Die Musikbox, zu deren Musik halb Alstätte und Umgebung in der Gaststätte Bredeck-Bakker seit Ende der 1970er-Jahre getanzt hat, steht wieder an ihrem angestammten Platz in der Gaststube. Und sie läuft sogar wieder.

Hermann Telgmann (l.) und Ludger Woltering haben der alten Musikbox neues Leben eingehaucht. Ein gutes halbes Jahr haben sie sich immer wieder mit dem Großprojekt beschäftigt. Die Arbeitsstunden haben die beiden Tüftler allerdings nie gezählt. © Stephan Rape
Anne Bredeck (68), die hier alle nur Bakkers Änne rufen, ist ganz begeistert. „Sie geht wieder“, ruft sie, als Boney M.s „Rivers of Babylon“ mit dem typischen Knistern einer Schallplatte und dem Klang einer Wurlitzer Musikbox durch die Kneipe schallt: Für das Ohr, das digitale Anlagen gewohnt ist, ist das statische Brummen von Netzteil und Kondensator zusammen mit dem etwas dumpfen Stereoklang der Musikbox schon etwas Besonderes.
„Rivers of Babylon ist früher rauf und runtergelaufen“, sagt Anne Bredeck lachend. Ende der 1970er-Jahre hatte die Familie nach etlichen Leihgeräten eine eigene Musikbox angeschafft. Eine Wurlitzer Tarock.
4000 DM für 80 Lieder zur freien Auswahl
„Um die 4000 Mark hat die damals gekostet“, sagt die Senior-Chefin. Ein kleines Vermögen. Das Modell sei das einzige mit Holzkorpus gewesen. „Alle anderen hatten Chrom oder Edelstahl. Das hätte nicht gepasst“, fügt sie hinzu.
Repair-Café sucht neue Mitglieder
- Die Mitglieder des Repair-Cafés Ahaus haben ihre Räume in der ehemaligen Gaststätte Karpaten Jans, Hörsteloe 50.
- Sie suchen noch Verstärkung. Wer Interesse hat, kann sich per E-Mail oder Telefon melden: repaircafe-ahaus@gmx.de; Tel. 01781792770 (Wilhelm Richters)
40 Singles passten in das mechanische Karussell. Bei jeweils einer A- und einer B-Seite gab es also 80 Lieder zur Auswahl. 50 Pfennige kostete ein Lied, für zwei Mark konnte man sich sieben Titel am Stück aussuchen.

Einblicke in fast 50 Jahre alte Technik: 40 Single-Platten können in dem Plattenkarussell der Wurlitzer Tarock einsortiert werden. Bei zwei Seiten pro Platte hat das Gerät also bis zu 80 Titel für die Gäste bereit gehalten. © Stephan Rape
„Und hier“, Anne Bredeck hebt den schweren Deckel der Musikbox an und deutet auf einen versteckten Schalter tief in den Eingeweiden der Kiste, „hier konnte man unendlich Kredit geben und den ganzen Abend Musik machen“, sagt sie. Dieser Schalter war natürlich für die Gäste normalerweise nicht zugänglich. Schließlich sollten die ihre Münzen in den Apparat werfen.
Denn was gespielt wurde, bestimmten die Gäste. „Die haben uns auch gesagt, welche Platten wir kaufen sollten“, sagt Anne Bredeck. Die Anlage lief dabei auch bis in die Morgenstunden: „Bei jedem Budenzauber“, erinnert sich die Wirtin.
Musikbox stand über 20 Jahre lang in einer Garage
Dann verschwand die Kiste aus der Kneipe. Stereoanlage, Radio und digitale Playlists hatten ihr den Rang abgelaufen. Um die 20 Jahre hat die Musikbox in einer Garage gestanden.
„Und so sah sie auch aus“, erzählt Hermann Telgmann kopfschüttelnd. Der 67-jährige ehemalige Fernmelde-Elektroniker hatte sich zusammen mit Elektromeister Ludger Woltering (62) das alte Schätzchen vorgenommen. Die Beiden engagieren sich im Ahauser Repair-Café.

Mit der dicken Wartungs-Dokumentation bewaffnet waren Hermann Telgmann und Ludger Woltering den Macken an der Musikbox zu Leibe gerückt. Nach gut einem halben Jahr Tüftelei konnten sie schließlich den Erfolg vermelden und die Musikbox zurück an ihren angestammten Platz stellen. © Stephan Rape
Dort reparieren sie Geräte, die sonst auf dem Müll landen würden. „Mir war sofort klar, dass die Musikbox ein viel zu großes Projekt für das Repair-Café sein würde“, sagt Ludger Woltering. Doch so ganz ließ das Projekt das Duo dann doch nicht los.
Einerseits weil Bernd Bredeck-Bakker sie förmlich angefleht habe, sich doch noch um die Musikbox zu kümmern. Andererseits auch aus persönlichem Interesse und Tüftler-Ehrgeiz.
Außerhalb der Repair-Café-Zeiten bissen sie sich an der Reparatur fest. Und mussten erstmal einen ziemlichen Flurschaden erfassen: In der Garage hatten sich wohl Mäuse über die Wurlitzer-Box hergemacht. „Sie hatten die Membranen der Lautsprecher angefressen“, sagt Hermann Telgmann.
Detektivarbeit auf der Suche nach Fehlern
Auch der Verstärker lief nur noch auf einem Kanal. Um das festzustellen, mussten sie die ganze Box aber erst einmal an den Strom anstellen. „Da hatten wir uns schon auf das Schlimmste eingestellt“, sagt Ludger Woltering lächelnd. Doch alle Kondensatoren hielten durch. Nichts flog den beiden Tüftlern direkt um die Ohren. Kein Qualm, kein Knall.
Was dann folgte, war echte Sisyphos-Arbeit. „Wir haben uns der Box und ihrer Mechanik nach und nach genähert“, erklärt Hermann Telgmann lächelnd. Putzen, reinigen, nachfetten. Auch mussten sie erst einmal die Details der Konstruktion verstehen.

Rex Gildo, Opus, Heino, Boney M., Torfrock – was gespielt werden soll, bestimmen die Gäste von Bredeck-Bakker mit. Damals wie heute. Nur über den Wechselkurs für die DM-Mark-Münzen besteht noch nicht endgültig Klarheit. © Stephan Rape
„Irgendwann habe ich im Internet das komplette Wartungshandbuch mit allen Schaltplänen gefunden“, sagt Hermann Telgmann und klopft mit der Hand auf einen dicken Schnellhefter. Mehrere hundert Euro seien alleine in die Ersatzteile geflossen, die sie hier und da im Internet bestellen konnten. Ihre Arbeitsstunden haben sie nie gezählt.
Faszination für alte Technik hielt die Tüftler bei der Stange
Die Faszination für die Technik hielt sie bei der Stange. Kleine technische Finessen, mit denen die Ingenieure bei Wurlitzer ihre Box ausgestattet hatten. Zum Beispiel die Kabel-gebundene „Fernbedienung“ ohne die kein Ton aus der Box kommt, oder die kleinen, orangenen Schieber oberhalb des Plattenkarussells, die mitzählen wie oft eine Platte gespielt wird.
Oder auch die Anzeige für die gewählte Platte: Ein Metallteller oberhalb des Karussells, der jedoch versetzt zu den Platten montiert ist. „Bis wir begriffen hatten, dass wir Anzeige und Plattenkarussell zueinander verdrehen müssen, hatten wir schon ein paar Mal erfolglos versucht, das Ganze wieder zusammenzubauen“, sagt Ludger Woltering.
120 Kilo-Musikbox steht da, als wäre sie nie weg gewesen
Am Ende der Erfolg – und ein letzter schweißtreibender Einsatz: Schließlich wiegt die Wurlitzer Tarock gut 120 Kilo. Um sie aus dem Anhänger und dann in den Gastraum zu bekommen, ist noch einmal ganzes Engagement gefragt. Dann steht die Box an ihrem angestammten Platz. Als wäre sie nie weggewesen.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
