
Der Raubüberfall auf die Goldschmiede Engels hatte für Aufsehen gesorgt. Nun standen die mutmaßlichen Täter vor Gericht. © Rape (Archiv)
„Dumme Idee“ – Mutmaßliche Täter gestehen Überfall auf Goldschmiede Engels
Schwerer Raub
Nach dem schweren Raubüberfall auf das Juweliergeschäft Engels stehen nun die beiden mutmaßlichen Täter vor Gericht. Sie haben nicht versucht, die Tat abzustreiten, dafür kamen neue Details ans Licht.
Ein halbes Jahr ist der Raubüberfall auf die Goldschmiede Engels nun her. Am 16. Februar verschafften sich zwei junge Männer gewaltsam Zutritt zu den Räumen des Juweliers und erbeuteten Schmuck im Wert von knapp 90.000 Euro.
Am Montag begann nun der Prozess gegen einen heute 23-jährigen Niederländer und einen 18-Jährigen, der ebenfalls aus den Niederlanden stammt. Die beiden räumten am Montag (15. August) die Tat vor dem Landgericht Münster bis auf wenige Details ein und entschuldigten sich bei Mathias Engels, der als Nebenkläger und Zeuge vor Gericht anwesend war.
Für ihn war die Teilnahme an dem Prozess auch eine Hilfe zur Verarbeitung der Geschehnisse. „Ich habe mit allem gerechnet, nur nicht damit, dass es so glatt läuft“, so der 62-Jährige nach dem ersten Verhandlungstag mit Blick auf die Geständnisse der beiden Männer im Gespräch mit der Redaktion. Diese hatten sich zudem während der Verhandlung bei dem Juwelier entschuldigt. „Das Urteil ist für mich jetzt gar nicht mehr so wichtig“, so Engels weiter.
Ein Täter stürzte vor der Tür
Was war passiert? Am 16. Februar schloss Engels wie gewohnt gegen halb neun die Tür seines Ladens auf, um eine Mitarbeiterin hereinzulassen. In diesem Moment stürmten die beiden Angeklagten auf die Tür zu, wobei der Ältere auch noch zu Boden stürzte. „Mein erster Reflex war es, dem Mann aufzuhelfen“, so Mathias Engels in seiner Aussage. Doch schnell wurde ihm klar, dass es kein Kunde war, der sich aufrappelte und dann zusammen mit seinem Kollegen versuchte, in den Laden zu gelangen.
Der Ahauser Juwelier versuchte von innen die Tür zuzudrücken, war zwischen Tür und Wand eingeklemmt. Der 23-Jährige begann, auf ihn einzuschlagen. Der Jüngere der beiden Täter verschaffte sich indes Zutritt zum Laden, schlug mit einem Vorschlaghammer die innenliegende Scheibe zum Schaufenster ein und steckte die Beute mit einem Gesamtwert von knapp 90.000 Euro in eine Tüte.

Mathias Engels (62), hier auf einem Archivbild, hat am Montag im Prozess wegen des Raubüberfalls auf seine Goldschmiede als Zeuge vor Gericht ausgesagt. Er zeigte sich über die Geständnisse der Angeklagten erleichtert. © Archiv
Anschließend bedrohte er Mathias Engels mit dem Hammer, warf diesen laut Anklage auch in dessen Richtung. Das war der Moment, in dem der 62-Jährige die Flucht in seine Werkstatt ergriff, während Zeugen von außen versuchten, die Tür zuzuhalten, um so die Täter an der Flucht zu hindern. Diese drohten allerdings mit einer Schreckschusspistole und der 18-Jährige schlug mit dem Hammer gegen die Tür. Daraufhin gelang den Tätern zunächst die Flucht. Der 23-Jährige wurde von zwei Zeugen aufgehalten, der 18-Jährige wenig später von der Polizei gefasst.
Zielgerichteter Überfall oder spontane Idee im Urlaub?
In der Anklage hieß es, die beiden mutmaßlichen Täter hätten sich zielgerichtet auf den Weg nach Ahaus gemacht, um die Goldschmiede zu überfallen. Dies war eines der wenigen Dinge, die der 23-Jährige bestritt. Vielmehr habe man im Anschluss an einen Urlaub in Paris noch ein paar freie Tage in Deutschland verbringen wollen. Die beiden Niederländer wohnen in derselben Siedlung, kennen sich schon länger.
Für den Ausflug nach Deutschland habe es keinen festen Plan gegeben. Am 15. Februar seien sie einfach nach Ahaus gefahren, hätten dort im Auto auf einem Parkplatz übernachtet. „Aber das hat doch mit Urlaub nichts zu tun, wenn man mit einem Vorschlaghammer und einer Schreckschusspistole im Auto schläft“, wandte der Richter ein. So sei es aber gewesen, beharrte der Angeklagte. An diesem Abend hätten sie sich bei Youtube Videos von Überfällen angesehen – das bestritt dagegen der 18-Jährige – und dann sei die Idee aufgekommen, selbst einen Überfall durchzuführen.
Es wurde geschaut, welcher Juwelier am nächsten liegt, und dann wurde die Nacht genutzt, um den Plan zu machen und vor allem um Drogen zu konsumieren. Kokain, Ecstasy und insbesondere Marihuana sollen im Spiel gewesen sein. Zwischen 20 Uhr abends und 8 Uhr morgens hätten sie gemeinsam über 30 Joints geraucht, so der 23-Jährige. Der Jüngere war sogar der Überzeugung „noch viel mehr als das“ geraucht zu haben.
Während der Flucht habe er nicht mit der Schreckschusspistole auf die Verfolger gezielt, wie ihm in der Anklageschrift vorgeworfen wird, sondern einen Warnschuss in die Luft abgegeben, so der 23-Jährige in seiner Aussage weiter. Den Rest der Tat räumte er in vollem Umfang ein.
Angeklagte zeigten sich reumütig
Abgesehen davon zeigten sich die beiden Angeklagten während der Verhandlung reumütig. „Das war eine dumme Idee“, betonte der 23-Jährige gleich mehrfach. Aber wie kommt man auf so eine dumme Idee? Warum wollten sie den Schmuck überhaupt stehlen, wollte der Richter von ihm wissen. „Wir waren zu Hause nicht willkommen“, so die Antwort. Eine Zeit lang habe er im Hotel gewohnt, die Idee sei gewesen, ein neues Leben anzufangen, eine Wohnung zu mieten. „Ich hatte viele Schulden bei den Jungs auf der Straße“, so der 23-Jährige. Unter anderem eine Folge seines Drogenkonsums.

Nach dem Überfall durchsuchten Taucher die Gräfte am Schloss in Ahaus nach weggeworfener Beute. Diese wurde aber komplett in einer Tüte verstaut, die Zeugen der Polizei übergeben konnten. © Stephan Rape
Auch der Jüngere ließ über seinen Anwalt verlauten, dass er zu Hause oft Ärger mit seiner Mutter gehabt habe, unter anderem wegen seiner Freundschaft zu dem 23-Jährigen. Als er dann mit ihm in den Urlaub fuhr, obwohl keine Ferien waren, sei die Mutter entsprechend wenig begeistert gewesen. Ihn habe der 23-Jährige bei der Reise nach Frankreich mit seinem „High Life“ beeindruckt.
Allerdings sprach der 18-Jährige in seiner Einlassung auch davon, dass er vermutete, dass der Ältere nur nach Paris und später auch nach Deutschland gefahren sei, weil er „Stress mit einem Typen“ in Rotterdam gehabt habe. Und zu der späteren Straftat: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass es Widerstand geben könnte.“ Er sei in Panik geraten und habe dann den Hammer nach Mathias Engels geworfen.
Mutmaßliche Täter weiter in Untersuchungshaft
Für die beiden Angeklagten endete der 16. Februar in Untersuchungshaft, wo sie bis heute sitzen. Mathias Engels trug eine Gehirnerschütterung, blaue Flecken und eine Bisswunde am Daumen davon. „Ich bin relativ stabil da rausgekommen. Aber ich merke, wenn ich davon erzähle, dass ich wieder nervös werde“, so der Ahauser gegenüber dem Richter.
Neben ihm war auch ein weiterer Zeuge geladen, der das Geschehen beobachtet, den Notruf alarmiert und die Täter verfolgt hatte. „Ich hatte den Eindruck, dass dort etwas Schlimmes passiert“, so der 41-Jährige. Er bleib den Tätern zusammen mit einem weiteren Zeugen, der später den 23-Jährigen überwältigte, auf den Fersen und hielt die Polizei über das Telefon auf dem Laufenden, wo sich die Täter gerade befanden.
Zum nächsten Verhandlungstermin am 2. September im Landgericht werden weitere Zeugen erwartet, allerdings aufgrund der Einlassung der beiden Angeklagten nicht mehr so viele wie geplant. Nach dem ersten Verhandlungstag stellte sich für die Richter eher die Frage nach einem Sachverständigen, der die Schuldfähigkeit der beiden Angeklagten feststellen sollte, da der Drogenkonsum stärker war als gedacht und der 23-Jährige zudem Entzugserscheinungen schilderte.
Geboren und aufgewachsen an der Grenze zwischen Ruhrpott und Münsterland, hat Kommunikationswissenschaft studiert. Interessiert sich für Tiere, Kultur und vor allem für das, was die Menschen vor Ort bewegt.