Stockbetten und Metallspinde: Die Unterkunft in der Sporthalle im Vestert soll die größte Not lindern. 57 Flüchtlinge aus der Ukraine sind dort aktuell untergebracht. Schon Ende des Jahres seien alle Kapazitäten in Ahaus und den Ortsteilen ausgereizt, fürchtet Werner Leuker. Doch es kommen weiterhin Flüchtlinge in die Stadt.

Stockbetten und Metallspinde: Die Unterkunft in der Sporthalle im Vestert soll die größte Not lindern. 57 Flüchtlinge aus der Ukraine sind dort aktuell untergebracht. Schon Ende des Jahres seien alle Kapazitäten in Ahaus und den Ortsteilen ausgereizt, fürchtet Werner Leuker. Doch es kommen weiterhin Flüchtlinge in die Stadt. © Stephan Rape/Stadt Ahaus

Trotz Notunterkunft: Kapazitäten für Flüchtlinge in Ahaus sind ausgereizt

rnFlüchtlingskrise

Die Flüchtlingszahlen steigen weiter. Doch schon jetzt sind in Ahaus und den Ortsteilen alle Unterkünfte ausgelastet. Daran ändert selbst die Notunterkunft in der Turnhalle kaum etwas.

Ahaus

, 19.10.2022, 15:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Seit etwas über einer Woche ist die Notunterkunft für Flüchtlinge in der Sporthalle im Vestert eröffnet. 57 Menschen aus der Ukraine sind dort aktuell schon untergebracht. Tendenz steigend. „Und wir wissen nicht, wie sich die Lage weiter entwickelt“, sagte der Beigeordnete Werner Leuker am Dienstagabend mit sorgenvoller Miene.

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Denn: Selbst mit der Notunterkunft und den Räumen, die aktuell noch im ehemaligen Haus der Landwirtschaft geschaffen werden, seien die freien Kapazitäten wohl spätestens Ende 2022 komplett ausgereizt. Allein aus der Ukraine leben inzwischen 487 Flüchtlinge in der Stadt (Stand 18. Oktober).

Verwaltung fährt auf Sicht

Schon jetzt platzen die Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt und den Ortsteilen aus allen Nähten. Michael Bethmann von der Verwaltung stieß in der Sitzung des Ausschusses für internationale Beziehungen, Gleichstellung und Integration ins gleiche Horn: „Wir haben ein Problem und wissen nicht, wie sich die Lage weiter entwickelt.“ Er sprach davon, dass die Verwaltung auf Sicht fahre.

Denn der Krieg in der Ukraine verschärfe sich. Dazu komme die Veränderung hier vor Ort: „Am Anfang konnten wir auf eine enorme Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung setzen“, machte auch Werner Leuker deutlich. Doch sechs Monate nachdem die ersten ukrainischen Flüchtlinge in Ahaus angekommen seien, werde es immer schwieriger, sie bei Privatleuten unterzubringen.

Auch seien schon jetzt die Flüchtlingszahlen um ein Vielfaches größer als zunächst vermutet. Bundesweit sei man beispielsweise im April davon ausgegangen, dass etwa 500.000 Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland kommen würden. „Aktuell sind wir bei über einer Million“, machte Werner Leuker deutlich. Gerade würden die Angriffe auf die Infrastruktur in der Ukraine verschärft. Und auch der Winter stehe vor der Tür.

Bis Ende 2022 rechnet die Verwaltung mit mindestens 100 Flüchtlingen

Selbst bei vorsichtiger Planung geht die Verwaltung davon aus, dass bis Ende des Jahres mindestens 100 weitere Menschen nach Ahaus kommen werden. Zeitnah gehe die Verwaltung davon aus, dass sogar 150 bis 180 Menschen in Ahaus und den Ortsteilen untergebracht werden müssen. Wo und wie die untergebracht werden, ist im Moment noch nicht klar.

„Schon jetzt übersteigt die Zahl der Flüchtlinge in der Stadt die Zahlen der letzten großen Flüchtlingskrise von 2015 und 2016“, machte Werner Leuker deutlich. Tendenz: weiter steigend. Ein Blick in die täglichen Nachrichten reiche ja schon aus, um davon einen Eindruck zu bekommen. Stündlich verändere sich die Lage.

Auch sei die Ukraine ja nicht der einzige Krisenherd. Die aktuellen Unruhen im Iran beispielsweise seien bei den Berechnungen noch gar kein Thema gewesen. Noch einmal dazu kommen die Flüchtlinge, die auch vor dem Krieg in der Ukraine bereits untergebracht werden mussten: 831 weitere Flüchtlinge mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus leben aktuell in der Stadt. Von denen sei allerdings der Großteil in Privatunterkünften untergebracht: Nur 189 von ihnen leben in städtischen Gemeinschaftsunterkünften.

Notunterkunft schafft erst einmal ein Dach über dem Kopf

„Natürlich können wir in der Notunterkunft in einer Turnhalle kein Wohlbefinden schaffen“, erklärte er. Aber sie schaffe ein Dach über dem Kopf. Die Einrichtung funktioniere erst einmal. Auch wenn dort rechnerisch 150 Schlafplätze geschaffen werden könnten, sei das praktisch kaum machbar. Etwa 60 weitere Personen könnten dort untergebracht werden. Zusätzlich können etwa 50 Plätze im ehemaligen Haus der Landwirtschaft hergerichtet werden. Die Verwaltung plane gerade für 100 weitere Plätze.

Ein Problem, mit dem Ahaus nicht allein dasteht. „Auch die anderen Kommunen in NRW sind voll“, betonte Michael Bethmann. Auch Werner Leuker kritisierte, dass das Problem aktuell fast ausschließlich auf den Kommunen laste. „Alle Kommunen kommen an ihre Grenzen“, sagte er. Unter anderem weil deutlich weniger Plätze in Landeseinrichtungen geschaffen würden als bei der vergangenen Flüchtlingskrise.

Probleme außerhalb der Unterbringung

Die Probleme enden übrigens nicht bei der Unterbringung: Bis vergangene Woche konnten für alle Kinder, die nach Ahaus kamen, Plätze in Kindertageseinrichtungen oder Schulen gefunden werden. Doch auch diese Plätze seien nun voll. „Wir müssen sehen, wie wir sie unterbringen können“, betonte Werner Leuker. Auch weil es an zusätzlichen Lehrern mangele.

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Den Erklärungen hatten die Politiker im Ausschuss schweigend und kopfschüttelnd zugehört. Die Ausschussvorsitzende Gisa Müller-Butzkamm erinnerte daran, dass hinter allen Zahlen aber auch immer Einzelschicksale stehen würden. Gleichzeitig dankte sie der Verwaltung für das immense Arbeitspensum, das dort geleistet werde, um die Krise irgendwie zu bewältigen.

Beratungsgespräche und Sprachkurse so gefragt wie nie

Trotz der niederschmetternden Prognosen gab es aber auch positive Nachrichten: Die Beratungsangebote der Integrationslotsen beispielsweise würden extrem gut angenommen, erklärte Jessica Schiemann vom Caritasverband Ahaus-Vreden. Über 500 Beratungsgespräche seien allein mit ukrainischen Flüchtlingen an der Hindenburgallee 9 geführt worden.

Gleichzeitig blicken aktuelles Forum Volkshochschule, Freiwilligenagentur Handfest und die Stadtbibliothek auf rund 500 Teilnehmer in Deutschkursen unterschiedlicher Niveaus. Ein immenser Wert. Es gibt eine große Nachfrage nach weiteren Kursen. „Die sind aber momentan weder räumlich noch personell möglich“, betonte Werner Leuker.