Am Bahnhof in Gronau hatten Zollfahnder den Mann das erste Mal gestellt. Da hatte er knapp 200 Gramm Drogen im Rucksack bei sich. Vor Gericht stand deswegen erst der Vorwurf des unerlaubten Handels im Raum. Der bestätigte sich nicht: Der 49-Jährige nimmt seit 25 Jahren Drogen. Die geschmuggelten Amphetamine waren für den Eigenbedarf bestimmt.

© Markus Gehring

Schmuggel: Drogensüchtiger (49) schafft seit 25 Jahren den Absprung nicht

rnAmphetamin im Gepäck

Seit 25 Jahren nimmt ein 49-Jähriger Amphetamine. Die fast 300 Gramm Drogen, die er an der Grenze dabei hatte, waren wohl für den Eigenbedarf. Unter Druck soll er nun eine Therapie versuchen.

Ahaus

, 16.02.2022, 07:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Fast 300 Gramm Amphetamine wollte ein 49-jähriger Mann aus Hamm im vergangenen Jahr bei zwei Fahrten über die deutsch-niederländische Grenze schmuggeln. Beide Male wurde er vom Zoll geschnappt.

Einmal mit gut 200 Gramm Drogen im Rucksack, als er in Gronau aus dem Zug stieg. Beim zweiten Mal, knapp vier Wochen später, hatte er sich mehr Mühe gegeben: In Alstätte überquerte er mit dem Fahrrad auf der Landstraße die Grenze. Doch auch da erwarteten ihn die Zollbeamten schon. Bei der Kontrolle stürzte er mit seinem Rad, das Drogenpaket landete auf der Straße. Von dem Sturz habe er gar nichts mitbekommen, gab er am Freitag vor dem Ahauser Amtsgericht an. Was folgte, war die Beschreibung einer gut 25-jährigen Drogenkarriere.

25 Jahre Drogen, 19 Jahre keine Arbeit

Denn auch als er sich aus den Niederlanden mit dem Fahrrad auf den Weg gemacht habe, hatte er schon Drogen intus: vier oder fünf Gramm Amphetamine. Seine übliche Tagesdosis, wie der ehemalige Altenpfleger erklärte. Und das schon seit bald 25 Jahren. Seit 2003 sei er ohne Arbeit.

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Eine Folge des Drogenkonsums. „Ich habe auch bei der Arbeit damals Amphetamin und Diazepam (ein starkes Beruhigungsmittel, Anm. d. Redaktion) genommen“, erklärte er. Dadurch habe er bei der Arbeit paranoide Gedanken entwickelt. Bei psychisch kranken Patienten, die er betreuen sollte, sei er im Wohnzimmer eingeschlafen. Er verlor damals die Stelle. Seitdem lebe er von Hartz IV.

Nach zwei oder drei Wochen kommen die Zwangsgedanken

In der ganzen Zeit habe er immer mal wieder versucht, von den Drogen loszukommen. Zwei oder drei Wochen gehe das gut. „Dann kommen die Zwangsgedanken“, erklärte er dem Richter und den beiden Schöffen. Mit Unterstützung habe er aber nie einen Entzug versucht. Er wolle wohl eine Therapie machen, habe aber auch Angst davor.

Ein Jahr und drei Monate Haft lautete am Ende das Urteil von Richter und Schöffen. Der 49-Jährige hat allerdings die Chance, statt der Strafe eine Therapie anzutreten. Die wird auf die Strafdauer angerechnet. Der Rest könnte dann zur Bewährungsstrafe umgewandelt werden. Falls er die Therapie schafft.

Ein Jahr und drei Monate Haft lautete am Ende das Urteil von Richter und Schöffen. Der 49-Jährige hat allerdings die Chance, statt der Strafe eine Therapie anzutreten. Die wird auf die Strafdauer angerechnet. Der Rest könnte dann zur Bewährungsstrafe umgewandelt werden. Falls er die Therapie schafft. © Stephan Rape

Auch das Verhältnis zu seiner Ehefrau sei schwierig. Sie konsumiere ebenfalls Amphetamine. Allerdings erst seit 15 Jahren. Ihr hätten die Drogen jedoch deutlich stärker zugesetzt, sodass sie nicht mehr selbstständig sei. Auch das setze ihn unter Druck, erklärte der Angeklagte.

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Zwischenzeitlich sei er deswegen auf einen Campingplatz gezogen. Eine Bewährungsauflage eines anderen Verfahrens sei aber gewesen, dass er sich einen festen Wohnsitz suchen müsse. „Das war nur in der Wohnung bei meiner Frau möglich“, schilderte er. Vor einem Jahr sei er dort wieder eingezogen.

Bisher vor Gericht nie vom eigenen Konsum gesprochen

Der Verteidiger des Mannes erklärte vor Gericht, dass in bisherigen Verfahren die jeweiligen Verteidiger seinem Mandanten wohl eindringlich geraten hätten, den eigenen Drogenkonsum auf keinen Fall zu erwähnen. Darin ging es unter anderem um Diebstahl und Betrug, Handel mit Betäubungsmitteln und Diebstahl mit Körperverletzung. Mehrere Geldstrafen, aber auch schon insgesamt über zwei Jahre Haft haben sich so aufsummiert. „Wie es aussieht auch zum Teil Beschaffungskriminalität“, fasste der Verteidiger zusammen.

Erst in diesem Prozess komme es dazu, dass man das Problem an der Wurzel packen könne.

Unter dem Strich sei sein Mandant ein kleiner Fisch. „Er ist in die Niederlande gefahren, weil der Stoff dort günstiger und besser ist als in Hamm hinter dem Bahnhof“, machte er deutlich. Eine Haftstrafe helfe ihm nicht weiter. „Danach geht es direkt wieder los“, sagte er. Außerdem handele es sich bei Amphetaminen zwar nicht mehr um eine weiche Droge. „Es ist aber auch kein Heroin oder Crack“, sagte er. Er beantragte daher eine Bewährungsstrafe mit der Auflage, eine Therapie zu machen. „Das spart uns allen eine Menge Geld“, so der Verteidiger.

Staatsanwalt sieht keinen Raum für Bewährungsstrafe

Das war aber weder mit Staatsanwalt noch Richter oder Schöffen zu machen: Der Staatsanwalt forderte ein Jahr und fünf Monate Haft. Zwar sei der Mann geständig, doch habe er auch bei bisherigen Strafen gegen Bewährungsauflagen verstoßen: habe den Kontakt zum Bewährungshelfer abgebrochen oder Sozialstunden nicht geleistet. Auch wenn die Drogen für den Eigenbedarf gedacht gewesen seien und es sich insgesamt um einen minderschweren Fall handele, sehe er keinen Raum für eine erneute Bewährungsstrafe.

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Nach kurzer Unterbrechung verkündete der Richter das Urteil, das er mit den beiden Schöffen getroffen hatte: Ein Jahr und drei Monate Haft – ohne Bewährung. Für die Einfuhr illegaler Betäubungsmittel in nicht geringer Menge. Es sei zwar ein minderschwerer Fall, da die Grenzwerte nur geringfügig überschritten wurden. Aber: Für eine Bewährungsstrafe sehe er keinen Ansatzpunkt. Vorherige Bewährungs- und Haftstrafen hätten zu keiner Besserung geführt. Er habe selbst bewiesen, dass er sich nicht an Auflagen halte. „Wie wollen Sie dann eine Therapie schaffen?“, fragte der Richter.

„Therapie statt Strafe“ soll Weg aus der Sucht weisen

Dafür brauche der Mann offenbar Druck. Und den soll die Haftstrafe aufbauen. Aber: Unter dem Schlagwort „Therapie statt Strafe“ könne er dennoch eine Therapie beginnen. Die Strafe werde dafür zurückgestellt. Und bei Erfolg der Therapie nachträglich sogar noch zur Bewährung ausgesetzt. Klappe das nicht, könne er immer noch am ersten Tag in der JVA den Drogenberater aufsuchen und einen Entzug beginnen.

„Wir brauchen Sie nicht im Gefängnis. Wir wollen, dass Sie ohne Drogen klarkommen“, gab der Richter dem Mann noch mit. Der nahm das Urteil schweigend und nickend hin.