
Die Urteile gegen die beiden Männer (23/18), die Mitte Februar 2022 die Goldschmiede Engels in Ahaus brutal überfallen haben, sind jetzt gefallen. © Stephan Rape
Raubüberfall auf Goldschmiede: Tränenmeer nach Urteilsverkündung
5. Prozesstag
Brutale Faustschläge, eine dramatische Verfolgungsjagd und ein Pistolenschuss – der Überfall auf die Goldschmiede Engels im Februar hat für Aufsehen gesorgt. Jetzt sind die Urteile gefallen.
Versteinerte Mienen und zu Boden gerichtete Blicke auf den Zuschauerrängen. Dann ein leises Schluchzen, das immer lauter wird und nur wenig später vor dem großen Saal A23 im Landgericht Münster in ein großes Tränenmeer ausartet.
Die Mütter der beiden jungen Männer, die die Goldschmiede Engels in Ahaus am 16. Februar 2022 auf brutale Art und Weise überfallen haben, realisieren Stück für Stück, dass sie ihre Söhne für eine lange Zeit nicht mehr in Freiheit wiedersehen werden.
Keine juristische Milde
Die neunte große Strafkammer ließ gerade mit Blick auf den jüngeren der beiden Täter (18) – zum Tatzeitpunkt 17 Jahre alt – keine juristische Milde walten. Die vier Strafverteidiger hatten vor dem Saal alle Hände voll zu tun, die zahlreichen Angehörigen zu beruhigen. Auch das Wort Revision fiel.
5 Jahre und 6 Monate Haft für den 23-Jährigen und 2 Jahre und 6 Monate für den heute 18-Jährigen lautet das Urteil. Damit war die von der Verteidigung forcierte Bewährungsstrafe für den jüngeren der beiden Männer vom Tisch. Diese wäre nur bis zu einem Strafmaß von zwei Jahren möglich gewesen.

Mit einem Gefängnistransporter wurden die beiden Männer aus JVA Herford zum Landgericht Münster gebracht. Durch das Urteil wurde die Haftstrafe gegen sie natürlich aufrechterhalten. © Till Goerke
Auch Mathias Engels, Inhaber der Goldschmiede und Überfallopfer, verfolgte den letzten Prozesstag von den Zuschauerrängen aus. Er wirkte trotz der schrecklichen Tat entspannt, sprach im Nachgang sogar mit den aufgelösten Müttern der Täter vor dem Saal.
Da waren die beiden verurteilten Männer schon wieder auf dem Weg zum Gefängnistransporter, um in die JVA Herford zurückgebracht zu werden. Mit dem Urteil wurden auch die Haftbefehle gegen sie aufrechterhalten. Seit sieben Monaten sitzen sie schon in Untersuchungshaft.
„In die falschen Kreise abgerutscht“
Am letzten und fünften Prozesstag wurde zunächst mit den Plädoyers der Verteidigung weitergemacht. Durch das Kollabieren des 23-jährigen Täters - beide Männer hatten die Tat bereits zum Prozessauftakt gestanden - am Prozesstag zuvor, hatten diese noch vor der Urteilsverkündung gefehlt.
Dabei setzten sich die Strafverteidiger des jüngeren Mannes vehement für eine Bewährungsstrafe ein. Der 23-Jährige sei die treibende Kraft der „zweifelsohne schrecklichen Tat“ gewesen. Ihr Mandant sei jung und naiv gewesen. Ein „typischer Jugendlicher“, der in „die falschen Kreise abgerutscht“ sei.
Beide Täter stammen aus den Niederlanden. Dort soll vor allem der ältere der beiden Stress mit „den Jungs von der Straße“ gehabt haben. Der damals 17-Jährige sei laut seiner Verteidiger fasziniert gewesen von diesem „Gangsterimage“. Habe sich so „verführen lassen“. Auch zum Raubüberfall.
Seine Sozialprognose sei aber gut, seine Mutter und Familie wolle ihn jetzt auffangen. Ausführungen, die das Gericht so nicht glauben wollte. „Wir nehmen schädliche Neigungen an, darum die Jugendhaftstrafe“, führte der Richter in seiner Urteilsbegründung mit Blick auf den 18-Jährigen aus.
Kein minderschwerer Fall
Und auch einen minderschweren Fall erkannte die Strafkammer nicht. Im Gegenteil. „Das Vorgehen und die Tat sind der Klassiker eines besonders schweren Raubes“, machte der Richter deutlich. Wer einen Vorschlaghammer und eine Schreckschusswaffe einsetze, müsse mit den Konsequenzen leben.
Sowohl der 23-Jährige als auch der 18-Jährige hatten die überwiegende Zeit den Blick auf den Boden gerichtet. Nur ganz gelegentlich schweiften die Blicke mal Richtung Zuschauerränge, wo die Familienangehörigen saßen und immer wieder miteinander tuschelten.
Dass die Verteidigung einen minderschweren Fall ins Spiel brachte, war darin begründet, dass ja die Beute im Wert von rund 90.000 Euro zurückerlangt wurde. Zudem sei der Schuss aus der Schreckschusswaffe im Schlosspark aus einer Distanz abgefeuert worden, die ungefährlich gewesen sei.
Davon ab entstand laut Gericht bei dem Überfall ein Sachschaden von rund 10.000 Euro. Alleine das Reinigen des Schmucks habe über 1000 Euro gekostet. Zwar habe die Versicherung einen Großteil übernommen, doch die „rohe Gewalt“ bei dem Überfall habe es schon „in sich gehabt“.
Mathias Engels hat sich gut erholt
Dinge, von denen sich Mathias Engels zum Glück gut erholt hat, wie er nach der Urteilsverkündung im Gespräch mit der Redaktion sagte. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. „Ich habe das alles in den zurückliegenden sieben Monaten gut verarbeitet.“
Darum möchte Mathias Engels auch die Urteile nicht bewerten. Zu jubeln oder zu kritisieren, sei in dieser Situation nicht angemessen. „Die Justiz hat gute Arbeit geleistet, alles gründlich beleuchtet“, sagt der Ahauser Goldschmied diplomatisch.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Binnen sieben Tagen kann die Verteidigung Revision einlegen. Angesichts der Szenen vor dem Saal ist das nicht auszuschließen. Zumal das Wort Revision dabei bereits gefallen ist.
Liebt als gebürtiger Münsterländer die Menschen und Geschichten vor Ort. Gerne auch mit einem Blick hinter die Kulissen. Arbeitsmotto: Für eine spannende Story ist kein Weg zu weit.
