Ottensteinerinnen hoffen auf einen Platz im Rückholflug von Bolivien nach Deutschland

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Ottensteinerinnen hoffen auf einen Platz im Rückholflug von Bolivien nach Deutschland

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Unsere Reporterin Madlen Gerick ist mit ihrer Mutter in Bolivien gestrandet. Nun soll es einen Rückholflug nach Deutschland geben. Doch ob wirklich alles klappt, ist ungewiss.

27.03.2020, 19:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Über schlecht ausgebaute Straßen, an steilen Abhängen entlang und mit einem letzten Blick auf die atemberaubende Landschaft Boliviens – hinter uns liegen am Freitagmorgen (27. März) zehn Stunden Busfahrt von Cochabamba zum Flughafen in Santa Cruz. Wir kommen früher an als gedacht, obwohl die Fahrt immer wieder von Polizisten und Soldaten unterbrochen wurde. Sie kontrollieren an etlichen Stationen im ganzen Land die strenge Ausgangssperre.

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Schwer bewaffnet und teilweise mit bis zu 20 Mann stehen sie auf der Straße, halten den Bus an und wollen wissen, warum wir trotz Reiseverbots unterwegs sind. Dann zeigt der Busfahrer ihnen ein Dokument der deutschen Botschaft, und wir können weiterfahren. Einmal besteht ein Polizist darauf, in den Bus zu kommen und sich umzusehen. Er leuchtet uns mit seiner Taschenlampe direkt ins Gesicht. Kurz darauf steigt er wieder aus und gibt das Okay für die Weiterfahrt.

Alle Touristen und Freiwilligendienstler müssen raus aus Bolivien

In dem Reisebus sind nur Deutsche, überwiegend Freiwillige, die in Cochabamba gelebt haben. So wie meine Schwester. Sie alle müssen, wie wir Touristen, ebenfalls zurück nach Deutschland. Das haben ihre Entsendeorganisationen und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beschlossen. Da in Bolivien eine Ausgangssperre herrscht, der Flugverkehr von jetzt auf gleich ausgesetzt, und die Grenzen geschlossen wurden, klappt das jedoch nur mit einem Rückholflug der Bundesregierung.

Die zehnstündige Busfahrt von Cochabamba zum Flughafen in Santa Cruzwurde immer wieder von Polizisten und Soldaten unterbrochen. Sie kontrollieren an etlichen Stationen im ganzen Land die strenge Ausgangssperre.

Die zehnstündige Busfahrt von Cochabamba zum Flughafen in Santa Cruz wurde immer wieder von Polizisten und Soldaten unterbrochen. Sie kontrollieren an etlichen Stationen im ganzen Land die strenge Ausgangssperre. © Madeln Gerick

Dass es einen solchen Flug geben wird, erfahren wir am Dienstagnachmittag. Von Santa Cruz soll er am Freitagabend starten und bis nach Frankfurt fliegen. Zuvor soll uns ein Zubringerflug morgens von Cochabamba in das rund 480 Kilometer entfernte Santa Cruz bringen – so der Stand am Dienstag. Meine Mutter, meine Schwester und ich sind erleichtert, dass es nach einer Woche des Wartens endlich eine Lösung gibt. Zu dem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass es nicht ganz so

einfach werden wird.

Gewartet haben wir nicht wie viele andere Touristen in einem Hotelzimmer oder einer Ferienwohnung, sondern in einem Kinderheim, der Aldea Christo Rey. Hier, am Arbeitsplatz und Wohnort meiner Schwester, leben knapp über 60 Kinder zwischen vier und 18 Jahren mit ihren Betreuern in mehreren Wohngruppen.

Ständig die Internetseiten des Auswärtigen Amtes im Auge

Im Moment haben die Kinder aufgrund des Coronavirus keine Schule. Das heißt, dass meine Schwester und die anderen Freiwilligen ihnen täglich bei den Schulaufgaben helfen. Auch ich versuche hin und wieder den Mädchen in der Wohngruppe, für die meine Schwester hauptsächlich zuständig ist, bei den Englisch-Hausaufgaben zu helfen – soweit mein Spanisch es zulässt. Ansonsten lese ich viel, gucke Filme und checke ständig die Internetseiten des Auswärtigen Amtes und der Botschaft für Neuigkeiten.

Am Mittwochnachmittag bekommen wir konkretere Infos zu dem Rückholflug. Doch einige Stunden später dann die Ernüchterung: Anscheinend gibt es zu viele Leute, die von Cochabamba nach Santa Cruz gebracht werden müssen. Auf einmal merkt die Botschaft, dass nicht alle in den Zubringerflug passen. Meine Mutter, meine Schwester und ich wurden „ausgelost“ und müssen mit einem Reisebus nach Santa Cruz fahren. Für Infos solle man sich an ein in der E-Mail ausgewiesenes lokales Reisebüro wenden.

Bekommen wohl alle einen Platz im Rückholflug?

Gesagt, getan. Nur leider weiß das Reisebüro noch nichts von seinem Glück. Wir sollen in einer halben Stunden noch einmal anrufen. Bei unserem zweiten Anruf verrät man uns dann: Aktuell rufen so viele Deutsche an und fragen nach Infos, dass bezweifelt wird, dass alle in einen Bus passen. Ich werde wütend: Jetzt wird schon ein Rückholflug organisiert und dann ist nicht einmal sicher, dass wir rechtzeitig den Flughafen erreichen?

Ich zweifle daran, dass wir überhaupt Platz in dem Rückholflug finden. Wenn viel mehr Deutsche als gedacht, von Cochabamba nach Santa Cruz reisen wollen, dann wollen wahrscheinlich auch viel mehr Deutsche als gedacht von Santa Cruz nach Frankfurt reisen. Nicht umsonst bittet die Botschaft in jeder Mail um Verständnis dafür, dass „aufgrund begrenzter Kapazitäten trotz aller Bemühungen keine Garantie“ für einen Platz im Flieger gegeben werden kann. Die Lage ist zum Verrücktwerden.

Mit Dokument in der Tasche auf ins Taxi

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag klärt sich die Sache mit dem Reisebus. Anscheinend reicht doch einer aus. Wir erfahren, dass er schon um 14 Uhr am Donnerstag abfahren soll. Also verabschieden wir uns von den Kindern, bedanken uns bei den Betreuern für das leckere bolivianische Essen, packen die letzten Sachen ein und drucken wichtige Dokumente für den Rückholflug aus, darunter auch eines, das bescheinigt, dass wir trotz Ausgangssperre das Gelände des Kinderheims verlassen dürfen.

Auf der zehnstündigen Busfahrt von Cochabamba zum Flughafen in Santa Cruz hat der Busfahrer auch mit Soldaten gesprochen, die an etlichen Stationen im ganzen Land die strenge Ausgangssperre in Bolivien kontrollieren.

Auf der zehnstündigen Busfahrt von Cochabamba zum Flughafen in Santa Cruz hat der Busfahrer auch mit Soldaten gesprochen, die an etlichen Stationen im ganzen Land die strenge Ausgangssperre in Bolivien kontrollieren. © Madlen Gerick

Gleichzeitig müssen wir einen Taxifahrer finden, der das Risiko eingeht, für acht Stunden ins Gefängnis zu gehen, wenn er uns zum Bus bringt und dabei von der Polizei erwischt wird. Nur mithilfe von Mitarbeitern der Entsendeorganisation meiner Schwester finden wir endlich einen Taxifahrer, der uns durch die menschenleeren Straßen der viertgrößten Stadt Boliviens fährt.

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Am Abfahrtsort angekommen, steht der Reisebus schon bereit. Zwei Mitarbeiterinnen der Botschaft warten davor. Sie tragen orangefarbene Westen, auf denen „Bundesrepublik Deutschland“ steht. Während sie sich unsere Namen aufschreiben, frage ich, wie das mit einem Platz für den Rückholflug aussieht. „Wir können das natürlich nicht garantieren, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass alle, die von außerhalb nach Santa Cruz anreisen, auch einen Platz bekommen“, antwortet eine der Frauen und lächelt.

Entspannung – erst einmal

Ich entspanne mich. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir am Freitagabend wirklich nach Frankfurt fliegen, ist wohl doch nicht so klein. Oder ist es nur ihr Job, für jeden beruhigende Worte auf Lager zu haben? Eines ist klar: Dass wir wirklich nach Hause kommen, glaube ich erst, wenn wir in Santa Cruz im Flieger sitzen und er sicher in die Luft abhebt.

  • Update Samstag: Madlen Gerick ist am Samstagmittag mit der Rückholflug-Maschine in Frankfurt gelandet.

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