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Coronavirus verhindert Rückreise: Ottensteinerinnen stecken in Bolivien fest
Coronavirus
Das Coronavirus hält viele Reisende aktuell im Ausland fest. Auch unsere Reporterin Madlen Gerick, deren Rückflug von Bolivien gestrichen wurde. Sie hofft auf Hilfe von der Bundesregierung.
Eigentlich sollte es für meine Mutter und mich ein wunderschöner, zweiwöchiger Urlaub in Bolivien werden: ein Besuch bei meiner Schwester, die dort zurzeit einen Freiwilligendienst absolviert und eine Rundreise durch das Land. Aus den zwei schönen Wochen wurde allerdings nur eine. Das Coronavirus hatte auch für uns andere Pläne.
Am Montag und Dienstag verbringen wir unsere Stunden vor dem Handy: Im Hotelzimmer, im Café – Hauptsache irgendwo, wo es WLan gibt. Die ganze Zeit schauen wir nach Flügen zurück nach Deutschland oder den Niederlanden. Der Preis ist uns mittlerweile egal, aber trotzdem ist es aussichtslos.
Freitag, der 13., macht seinem Ruf alle Ehre
Hin und wieder gibt es einen Hoffnungsschimmer: Eine Flugroute von Bolivien über Brasilien nach Europa mit fünf Zwischenstopps und für zweitausend Euro pro Person. Wenn das mal kein gutes Angebot ist! Ich klicke auf „Buchen“, gebe unsere Daten ein, starre hoffnungsvoll auf den Bildschirm, und dann – Fehlermeldung. Genervt lasse ich mein Handy auf das Bett fallen.
Unser Reisebüro kann uns im Moment nicht helfen. Die Mitarbeiter sind vollkommen überlastet und sagen uns, dass sie sich erst einmal um die Kunden kümmern müssen, deren regulärer Rückflug in den nächsten 72 Stunden gehen würde. Wir müssen also noch warten, denn unser Flug wäre erst am 23. März gewesen.
Dass er storniert wurde, erfahren wir erst auf Nachfrage, am Freitag, 13. März. Der Tag sollte genauso werden, wie man sich einen Freitag, den 13. vorstellt. Wir sind in Boliviens Hauptstadt Sucre und hören das Gerücht, dass alle Flüge von Bolivien nach Europa ab Samstag gestrichen werden. Weil wir uns nicht sicher sind, ob das stimmt, haken wir beim Reisebüro nach.
2500 Euro pro Person, um irgendwie nach Hause zu kommen
Dann die schlechte Nachricht: Ja, es stimmt, auch unser Flug wurde storniert. Die Reisekauffrau fragt, ob wir einen neuen Rückflug für den 23. März buchen, oder lieber so schnell wie möglich zurück nach Deutschland wollen. Wir sind verunsichert: Wollten wir unsere lang geplante Reise wirklich von jetzt auf gleich abbrechen?

Den Anfang ihrer Reise konnte Madlen Gerick noch genießen, doch dann kam das Coronavirus. © Privat
Ich rufe bei der deutschen Botschaft in La Paz an. Dort heißt es nur, man könne uns nicht sagen, ob wir sofort ausreisen sollten oder nicht. Während wir überlegen, was wir tun sollen, prasseln die Nachrichten aus Deutschland auf uns ein. Veranstaltungen werden abgesagt, der Schulunterricht soll ruhen. Immer mehr Flüge werden storniert. Uns wird klar: Buchen wir einen neuen Flug für den 23. März, dann wird er in der Zwischenzeit auch gestrichen werden.
Ich rufe beim Reisebüro an – denn noch gehen die Mitarbeiter dort ans Telefon. Wir würden unseren Flug gerne umbuchen und so früh wie möglich fliegen, erzähle ich. Doch es gibt ein Problem: das Reisebüro bekommt von der Fluggesellschaft keine Infos über die Flugrouten, die für eine Umbuchung zulässig sind. Die Alternative wäre, einen komplett neuen Flug zu buchen, für schlappe 2500 Euro pro Person.
Nicht mehr aktuelle Flugangebote kommen per E-Mail
Also wollen wir bis Samstag auf Neuigkeiten von der Airline warten. Wir rufen auch selbst bei der Fluggesellschaft an, aber erreichen niemanden. Am Samstagmorgen, mittlerweile in Cochabamba, erreichen wir auch das Reisebüro nicht mehr, obwohl es geöffnet hat.
Irgendwann erhalte ich doch eine E-Mail mit einem Flugangebot. Der Flug ginge über Panama – ein Ziel, das unsere Airline zu dem Zeitpunkt schon gar nicht mehr anfliegt, wie deren Website zu entnehmen ist.
Ich frage nach Flügen über Brasilien, aber bekomme keine Antwort mehr. Die Mitarbeiter des Reisebüros sind wohl alle schon im Wochenende. Wir fühlen uns etwas im Stich gelassen, aber gehen davon aus, dass sich am Montagmorgen alles klären wird und wir einen Rückflug finden.
Im Laufe des Wochenendes verschärft sich die Lage in Deutschland und in anderen Ländern. Dann erreicht uns die Nachricht, dass in Bolivien die erste Stadt unter Quarantäne steht – obwohl dort nur eine Person mit Covid-19 infiziert ist. Im ganzen Land sollen die Schulen ab Montag schließen. Bolivien will frühzeitig handeln und es damit besser machen als Deutschland.
Gerade erst gebuchte Flüge könnten schnell wieder storniert werden
Eigentlich lobenswert – wenn wir nicht noch in Bolivien wären. Wir tragen uns in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes ein und kontaktieren nochmals die Botschaft in La Paz. Doch ohne Ergebnis.
Am Montag teilt uns die Mitarbeiterin des Reisebüros bei einem halben Nervenzusammenbruch am Telefon mit, dass sie aktuell nichts mehr für uns tun kann. Unsere eigene Suche nach Flügen im Internet nimmt an Fahrt auf. Die Angst, einen teuren Flug zu buchen, der zwei Stunden später storniert wird, ist groß.
Außerdem besteht das Risiko bei einem Zwischenstopp in einem anderen Land zu stranden und dort eventuell in Quarantäne zu müssen. Die Unsicherheit lässt uns zögern. Wir hoffen auf klare Anweisungen sowie Unterstützung von der Botschaft und dem Auswärtigen Amt.
Rasante Ausbreitung des Coronavirus war nicht vorauszusehen
So oft wie in den letzten Tagen habe ich die Internetseiten und Social-Media-Kanäle der beiden Institutionen noch nie besucht. Wir erfahren, dass die ersten Rückholflüge starten, aber Bolivien steht natürlich nicht sehr weit oben auf der Prioritätenliste: Es gibt nicht viele Covid19-Fälle, und auch wenn sich Flugverbindungen nicht mehr buchen lassen: die Grenze ist noch nicht geschlossen.
Auf Facebook lese ich zu Artikeln über Rückholflüge lauter unverschämte Kommentare nach dem Motto: Warum sind die denn überhaupt noch in den Urlaub geflogen? Es war doch abzusehen, dass sich die Lage so entwickeln würde! Hauptsache, die müssen für die Rückholflüge bezahlen, wäre ja zu schön, wenn wir Steuerzahler dafür aufkommen müssen.
Ich werde wütend. Wie sollten wir am 8. März ahnen, dass sich die Situation weltweit so zuspitzt? Klar, nach Norditalien wäre ich zu dem Zeitpunkt auch nicht mehr gereist. Aber in ein Land, dass am 8. März gerade mal einen Corona-Fall hatte und bis heute ganze zwölf?
Dass so viele Länder von jetzt auf gleich ihre Grenzen schließen und der ganze Flugverkehr ohne rechtzeitige Vorankündigung lahmgelegt wird, das war nun absolut nicht vorherzusehen. Mal abgesehen davon, dass wir auf den gesamten Kosten sitzen geblieben wären, hätten wir die Reise im Vorhinein storniert.
Nicht die einzigen Deutschen, die in Bolivien festsitzen
Am Mittwochnachmittag geben wir unsere zum Scheitern verurteilte Suche nach Rückflügen auf. Wir haben alles uns Mögliche getan und hoffen jetzt auf einen Rückholflug. In einem Café haben wir andere Deutsche getroffen, die in der gleichen Situation sind. Ihre gelassene Stimmung hat auch uns beruhigt. Es tut gut, zu wissen, dass wir nicht die einzigen Touristen hier sind.
Gemütlich weiter Urlaub machen geht natürlich trotzdem nicht. Genau wie gerade in Deutschland, müssen auch wir weitestgehend drinnen bleiben. Von sieben Uhr abends bis fünf Uhr morgens gilt eine Ausgangssperre. Lebensmittelgeschäfte haben nur noch bis 15 Uhr geöffnet. Unsere Koffer sind gepackt, um jeden Moment zum Flughafen fahren zu können. Jetzt heißt es erst einmal Abwarten.
Das Praktikum bei der Münsterland Zeitung hat mich für den Journalismus begeistert. Also ging es nach Dortmund, um Journalistik zu studieren. Wenn ich wieder in der Heimat bin, liebe ich es über Themen zu berichten, die die Menschen hier bewegen.
