
© Stephan Rape
Nach 100 Jahren: Familie van de Maat gibt Obst- und Gemüsehandel auf
Traditionsunternehmen
Birgit van de Maat beendet nach 100 Jahren in der dritten Generation die Geschichte des Familienunternehmens. Mit Obst und Gemüse sollen nun andere handeln. Ein schmerzvoller Abschied.
Dieser Heiligabend wird für Birgit van de Maat ein ganz Besonderer: Es wird das letzte Mal sein, dass sich die Ahauserin an Weihnachten noch um das Geschäft kümmern muss.
Birgit van de Maat gibt nun auch ihren Marktstand für Obst und Gemüse auf. Der Name van de Maat wird nach 100 Jahren aus der Ahauser Innenstadt verschwinden.
Am Marktstand ist die 62-Jährige in ihrem Element: Kaum ein Kunde, den sie nicht namentlich ansprechen könnte. Vielen kann sie eine Tüte schon packen, bevor sie überhaupt einen Wunsch geäußert haben. Sie weiß, wovon sie spricht, hat alles probiert und selbst ausgesucht.
Abschied auf Raten tut trotzdem weh
„Ich habe das immer gerne gemacht und mache es auch noch gerne“, sagt Birgit van de Maat. Doch für sie sei nun einfach die Zeit gekommen, über die Zukunft nachzudenken. Ihr Ehemann Bernd (63) hatte den Großhandel van de Maat schon vor fünf Jahren abgegeben. Aus gesundheitlichen Gründen.

"Die kleine Sorte ist kräftiger und süßer", engagiertes Verkaufs- und Beratungsgespräch: Birgit van de Maat weiß eben, wovon sie spricht. Obst und Gemüse kommt nur nach eingehender Prüfung auf ihren Verkaufstresen. "Ich verkaufe nur Leckeres", sagt sie lachend. © Stephan Rape
Im Großhandel an der Dieselstraße wird der Traditionsname van de Maat weitergeführt – auch in Zukunft. Parallel führte Birgit van de Maat ihren Teil des Geschäfts fort: „Ich habe mit Einzelhandel und Markt weitergemacht“, erklärt Birgit van de Maat.
Doch dabei habe sie schon gemerkt, dass es anstrengender wurde. Und jetzt wolle sie einfach mehr Zeit für sich haben.
Tochter Eva hat lange überlegt, weiterzumachen
„Ich war ja plötzlich Einzelkämpferin“, sagt sie. Sonst habe die Zusammenarbeit zwischen den Eheleuten, zwischen Groß- und Einzelhandel vieles erleichtert.
Das sagt auch ihre Tochter Eva, die das Marktgeschäft eigentlich einmal weiterführen wollte. „Ich habe wirklich lange überlegt“, sagt sie. Doch eben genau das Doppelgespann aus Groß- und Einzelhandel fehle jetzt.
„Ich würde alleine dastehen“, sagt sie. Sie scheue sich nicht vor der Arbeit, schließlich habe sie ja auch in der Vergangenheit immer mit gearbeitet. „Das haben alle vier Kinder“, sagt Birgit van de Maat lachend. Doch sie hätten sich eben andere Wege gesucht.

Das ursprüngliche Geschäft in der Markstraße um das Jahr 1950: Im Fokus steht damals noch frischer Fisch – wie auf der Tafel zu lesen ist (v.l.: Hans van de Maat, Anna van de Maat und Tante Gertrud "Trautchen" Born). © Familie van de Maat
Sie selbst sei in den Markthandel hineingestolpert. Das sei irgendwann 1987 oder 1988 gewesen. Damals habe sie einen anderen Markthändler in Ahaus nur vertreten sollen.
„1989 habe ich mir dann meinen ersten Marktwagen gekauft“, erinnert sie sich strahlend. Zwei Wagen hatte sie später, war auf zehn Märkten in der Region unterwegs, hatte in der Spitze 17 bis 20 Mitarbeiter.
Privatleben musste für den Markthandel zurückstecken
Kein einfaches Geschäft: An einem Markttag steht sie um 4.30 Uhr auf und ist frühestens um 15 Uhr wieder zuhause. Dann folgen Aufräumen und Vorbereitung für den nächsten Markt.
Feierabend ist da ein dehnbarer Begriff. „Die Stunden braucht man nicht zu zählen“, sagt sie. Natürlich lohne sich das: „Nur der Spaß an der Freude wäre mir dann doch ein bisschen zu wenig“, ergänzt sie.
Dennoch habe viel Privatleben für das Geschäft zurückstehen müssen. „Wer abends gerne ausgeht, ist auf dem Markt falsch“, macht sie ganz deutlich.
In all den Jahren habe sie höchstens ein- oder zweimal gefehlt. „Wenn der Markt nicht ohnehin abgesagt wurde“, sagt Birgit van de Maat. Etwa wegen extrem schlechten Wetters.
Unternehmen wurde vor 100 Jahren in Ahaus gegründet
Das Unternehmen van de Maat wurde 1921 gegründet. Damals zunächst mit dem Schwerpunkt Fisch und Fleisch. Schnell habe ihr Schwiegervater dann aber den Bereich Obst und Gemüse ausgeweitet.
Aus der Grundversorgung im Lebensmittelgeschäft wurde dann etwas Besonderes auf dem Markt: „Die Kunden dort gehen schon mit einem anderen Blick einkaufen“, sagt Birgit van de Maat.

Kurz nach der Eröffnung der Ahauser Fußgängerzone präsentiert Familie van de Maat ihre Ware vor dem Geschäft an der Marktstraße. Rechts im Bild: Maria und Bernd van de Maat. Das Bild soll im Jahr 1977 entstanden sein. © Familie van de Maat
Sie würden mehr Wert auf Regionalität, auf Herkunft, Saison und Geschmack legen. „Sie sind auch anspruchsvoller“, erklärt Birgit van de Maat. Und sie seien dann auch bereit etwas mehr Geld auszugeben.
Mittlerweile habe sich der Markt zu einem Einkaufserlebnis am Wochenende weiterentwickelt. „Der Markt in Ahaus ist schon etwas Besonderes“, sagt sie. Sowohl was die Auswahl als auch die Qualität angehe.
Und die Kunden würden das honorieren: Auch, weil Kochen und gesunde Ernährung viel stärker in den Fokus gerückt seien. Auch kehre sich der Trend zu immer exotischeren Obst- und Gemüsesorten um: „Es geht zurück zu den alten Sorten“, sagt Birgit van de Maat: Pastinaken, Rote Beete oder Steckrüben würden wieder stark gefragt. Oder die alten Apfelsorten.
Ein paar Tage bleiben noch bis zum endgültigen Abschied
Der Abschied von Markt und Geschäft gefällt Birgit van de Maat deswegen überhaupt nicht. „Ganz ehrlich? Ich finde es schrecklich“, sagt sie und muss wieder lachen.
Dennoch: Die Entscheidung sei gefallen. Schon im vergangenen Herbst. Die Verträge sind unterschrieben. Ein Zurück gibt es nicht mehr. Ob sie sich dauerhaft mit dem Ruhestand anfreunden kann, mag sie noch nicht sagen.

Philipp Finder übernimmt den Stand von Birgit van de Maat. Er kennt den Betrieb und will ihn fortführen – allerdings unter neuem Namen. Der Name van de Maat wird in Zukunft nur noch durch den Obst- und Gemüsegroßhandel an der Dieselstraße geführt. Auch aus diesem Betrieb hat sich die Familie aber schon zurückgezogen. © Stephan Rape
Etwas Zeit bleibt ihr dafür auch noch. Drei Mal wird Birgit van de Maat ihren Stand noch aufbauen: An Heiligabend (24. Dezember) und Silvester (31. Dezember) jeweils von 8 bis 12 Uhr und am Mittwoch, 29. Dezember, zu den üblichen Marktzeiten.
Auch danach soll das Obst- und Gemüseangebot auf dem Ahauser Wochenmarkt nicht schmaler werden: Philipp Finder wird den Stand übernehmen. Er arbeitete bisher im Großhandel van de Maat und hat in den vergangenen Wochen auch oft hinter dem Marktstand gestanden.
Er kennt den Betrieb also bereits. Mit dem Marktstand möchte er ab Januar 2022 in den stationären Einzelhandel einsteigen. Mittwochs und samstags steht er in Ahaus, donnerstags in Stadtlohn, freitags in Epe.
Weitere Standorte sollen dazu kommen. Das ist aber noch Zukunftsmusik.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
