Der Pflegedienst St. Marien hat nach einer Anleitung der Stadt Essen Behelfs-Mundschutzmasken genäht. Ulrike Beckering saß ebenfalls an der Nähmaschine und verkauft Mundschutz für den guten Zweck.

Ahaus

, 25.03.2020, 04:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Einweg-Mundschutz ist in Apotheken kaum zu bekommen, auf Verkaufsplattformen im Internet schlägt hingegen die Stunde von Wucherern. Manche bieten angebliche „Anti-Virus-Masken“, zumeist einfache Staubmasken, zu Einzelpreisen von über 20 Euro an.

Auf Straßen, in Supermärkten – auch in Ahaus sieht man immer mehr Menschen, die Mundbedeckungen tragen. Allerdings gibt es momentan einen Lieferengpass bei Schutzmasken.

Millionen Masken verschwunden

Nicht zuletzt, weil gerade sechs Millionen für Deutschland gedachte Schutzmasken auf einem Flughafen in Kenia spurlos verschwunden sind. Das berichtet der Spiegel am Dienstag. Gedacht waren die Masken für Ärzte und Kliniken.

Der rund 80-köpfige Pflegedienst-St.-Marien in Ahaus wusste sich schon vorher zu helfen. Mitarbeiter wurden auf Facebook auf eine Mitteilung der Stadt Essen aufmerksam.

Um vor allem ältere Patienten sowie Pflegebedürftige zu schützen, sollten Pflegedienste und pflegende Angehörige einen sogenannten Behelf-Mund-Nasen-Schutz tragen, heißt es auf der Homepage der Stadt.

Anleitung zum Nähen eines Behelfsschutzes

Da dieser Schutz derzeit kaum erhältlich sei, könne aber sehr einfach selbst eine Alternative hergestellt werden. Die Stadt Essen und die Feuerwehr stellen dafür eine Anleitung mit Bildern zur Verfügung.

„Bei uns hat sich relativ schnell eine Eigendynamik entwickelt, auch Mundschutz-Masken herzustellen“, erklärt Pia Herbers, stellvertretende Pflegedienstleitung des Pflegedienstes-St.-Marien, am Dienstag im Gespräch mit unserer Redaktion.

Am vergangenen Donnerstag startete die Näh-Aktion. Viele der gut 80 Mitarbeiter spendeten Stoff, Freunde und Bekannte bekamen das mit – und setzten sich an die Nähmaschine. „Und so nahm es seinen Lauf“, berichtet Pia Herbers. „Die Teilnahme ist überragend.“

Brigitte Merschformann (l., Pflegefachkraft ) und Nadine Uhling (Koordination Alltagsbegleiter) vom St.-Marien-Pflegedienst arbeiten mit Mundschutz.

Brigitte Merschformann (l., Pflegefachkraft ) und Nadine Uhling (Koordination Alltagsbegleiter) vom St.-Marien-Pflegedienst arbeiten mit Mundschutz. © St. Marien Pflegedienst

Aktuell wurden gut 100 Mundschutz-Masken aus Baumwolle und Leinen genäht. Gedacht sind sie für die Mitarbeiter im Pflegedienst, für Angehörige und Patienten.

Der gebrauchte Mundschutz kann mehrmals täglich, spätestens abends, in die Kochwäsche (90 Grad) gegeben werden und steht am nächsten Tag wieder sauber zur Verfügung

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Pia Herbers und den Mitarbeitern des Pflegedienstes ist klar, dass dieser Behelfs-Mundschutz mehr als „Schutz für die anderen“ gedacht ist. So sieht das Robert Koch-Institut keine hinreichenden Belege dafür, dass gesunde Menschen, die einen Mund-Nasen-Schutz tragen, ihr Ansteckungsrisiko damit deutlich verringern.

Falsches Sicherheitsgefühl

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann das Tragen einer Maske auch ein falsches Sicherheitsgefühl erzeugen, sodass etwa eine gute Händehygiene vernachlässigt werde.

„Unser Behelfsschutz entspricht nicht dem genormten Mundschutz“, weiß Pia Herbers. „Er dient lediglich als Hilfsmittel.“ Handhygiene sei das A und O. „Aber der Mundschutz kann das Verteilen der Viren ein bisschen einschränken. Er ist immer noch besser als gar kein Schutz.“

Um das Thema Schutzmasken ging es auch schwerpunktmäßig am Montag im NDR-Podcast mit dem Virologen Christian Drosten von der Charité in Berlin. Drosten ist eine der wichtigsten Stimmen in der Corona-Krise und berät die Bundesregierung.

„Man schützt andere“

Der Virologe erklärte in seinem halbstündigen Coronavirus-Update unter anderem, warum es sinnvoll sein kann, Masken in der Öffentlichkeit zu tragen, etwa beim Einkauf im Supermarkt. „Man denkt immer, man schützt sich selbst mit der Maske, in Wirklichkeit schützt man aber andere.“

Bei feuchter Aussprache könne auch ein einfacher Mundschutz grobe Tröpfchen des Mundschutz-Trägers abhalten. Das Einatmen mittelgroßer Aerosole würde aber wahrscheinlich nicht verhindert. Gleichwohl: Würde jeder eine Maske tragen, würde das Sinn machen. Dadurch könne eine Infektionsausbreitung im Nahbereich etwas verringert werden, erklärte Christian Drosten.

Der Mundschutz für die Mitarbeiter des Pflegedienstes. Die Behelfs-Schutzmasken wurden nach einer im Internet veröffentlichten Anleitung der Stadt Essen und der Feuerwehr genäht.

Der Mundschutz für die Mitarbeiter des Pflegedienstes. Die Behelfs-Schutzmasken wurden nach einer im Internet veröffentlichten Anleitung der Stadt Essen und der Feuerwehr genäht. © St. Marien Pflegedienst

„Ein Mundschutz sollte getragen werden“, sagt auch Ulrike Beckering. Die frühere Krankenschwester ist vielen Ahausern durch „Ullis Weihnachtslädchen“ bekannt. In der Weihnachtszeit verkauft sie am Markt 2 in Ahaus Selbstgemachtes, Handarbeiten, Gebäck und mehr für den guten Zweck.

Ulrike Beckering hat in den vergangenen Tagen rund 50 Mundschutz-Masken aus Baumwolle genäht. „Allein am Montag 28 Stück.“ Die Aussagen des Virologen Christian Drosten hätten sie in ihrem Tun bestärkt.

Sicherheitsabstand halten

Es könne nicht schaden, in der Öffentlichkeit einen Mundschutz zu tragen, sagt Ulrike Beckering. „Wenn man einkaufen geht, zum Beispiel.“ Aber noch wichtiger sei, den nötigen Sicherheitsabstand zu anderen Menschen zu halten und vor allem auf Händehygiene zu achten.

Marion Bömer kam am Dienstag zufällig vorbei und kaufte bei Ulrike Beckering gleich mehrere Masken. Sie sagte: "Das ist ja eine super Idee" - und will in ihrer Nachbarschaft Werbung dafür machen.

Marion Bömer kam am Dienstag zufällig vorbei und kaufte bei Ulrike Beckering gleich mehrere Masken. Sie sagte: "Das ist ja eine super Idee" - und will in ihrer Nachbarschaft Werbung dafür machen. © Stefan Grothues

Wer einen wiederverwendbaren Mundschutz – laut Christian Drosten sollten sie bei mindestens 60 Grad gewaschen werden – von Ulrike Beckering erwerben möchte: am Treppenaufgang des Hauses Markt 2 in Ahaus ist ein Fenster, dort verkauft die Ahauserin die Masken am Mittwoch, 25. März, von 11 bis 12 Uhr.

Der Preis pro Mundschutz beträgt vier Euro – drei Masken gibt es für zusammen zehn Euro. Den Erlös spendet Ulrike Beckering für ein Hilfsprojekt in Litauen. „Wenn mehr Mundschutz-Masken gewünscht werden, kann ich schnell nacharbeiten.“ Bestellungen nimmt Ulrike Beckering unter Tel. (02561) 86 61 00 entgegen.

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