In Teilen zwangsläufig ist der Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Zeit gestiegen. Ob sich ein gefährliches Verhalten entwickelt, werde sich jetzt zeigen, so Experten.

Ahaus

, 10.06.2021, 12:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Kinder und Jugendliche erlebten während der Coronapandemie nicht selten eine Art soziale Isolation. Ein „neuer Alltag“ stellte sie vor neue Herausforderungen – das konnte und kann noch zu vielschichtigen Problemen führen. Denkbar ist zum Beispiel ein sich stark veränderndes Medienverhalten, dann, wenn der Medienkonsum weit über die schulischen Belange im Rahmen des Homeschoolings hinausgeht. Ob sich ein nachhaltig problematisches Verhalten entwickelt, das werde sich gerade jetzt zeigen, wenn sich ein Stück weit Normalität wieder einstellen wird. Darin sind sich die Experten einig.

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Fifa spielen statt Fußballtraining, der Videochat mit Freunden statt des gemeinsamen Spielens auf dem Spielplatz – die Gefahr einer Medienabhängigkeit ist durchaus begründet. Im April 2020 gaben fast 90 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, digitale Spiele und soziale Medien zu nutzen, um allein Langeweile zu bekämpfen. Auch werden Medien als „Problemlöser“ bei Sorgen oder auch Einsamkeit angeführt. Eltern fällt es dabei zunehmend schwerer, zwischen informationsbezogener und spielerischer Nutzung zu unterscheiden.

Die richtige Balance ist entscheidend

Letztere Differenzierung sei aber zwingend erforderlich, betont Nina Berger vom Sozialpsychiatrischen Dienst des Kreises Borken (Fachstelle für Suchtvorbeugung): „Wir dürfen nicht vergessen, dass es die besondere Situation erfordert, Kontakte über soziale Medien zu halten, schulische Dinge online zu erledigen.“ Wichtig sei die „richtige Balance“.

Von einem „Dauerthema“, das sich „durch Corona noch einmal verstärkt“ habe, spricht Matthias Wahl von der Erziehungsberatungsstelle des Caritasverbandes Ahaus-Vreden. Da die Kinder kaum raus konnten, sei der Sozialraum stark eingeschränkt gewesen. „Mediennutzung wurde in Teilen auch als Erziehungsmittel eingesetzt“, so Wahl. Und: „Soziale Kontakte über Medien sind nun einmal der bequemste Weg.“

Die Zahlen sind markant: Laut einer gemeinsamen Studie von DAK-Gesundheit und Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zur Entwicklung der Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen in Coronazeiten lag die durchschnittliche Nutzungszeit von Computerspielen und Social Media im April 2020 bei ganzen 132 Minuten täglich. Damit lag sie um 59 Prozent höher als noch vor der Pandemie.

Positive Entwicklung während des zweiten Lockdowns

Nach diesen Rekordwerten während des ersten Lockdowns gingen die Gaming-Zeiten bei Kindern und Jugendlichen im Herbst aber wieder zurück: Sie spielten werktags durchschnittlich „nur“ noch 115 Minuten Online-Games – ein Rückgang von 15 Prozent. Auch bei den Sozialen Medien reduzierten sich die Nutzungszeiten in der Woche um fast ein Drittel. Die Richtung stimmt, aber dennoch verbringen Kinder und Jugendliche nach wie vor mehr Zeit vor dem Bildschirm als vor der Coronapandemie.

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Umso schwerer werde es für viele, diese Verhaltensmuster wieder aufzubrechen, wenn in den „alten Alltag“ zurückgefunden werden muss, wenn man – wie jetzt – wieder zum Fußballtraining und Freunde treffen kann. „Der Mensch bleibt ein Gewohnheitstier“, betont Wahl die große Herausforderung, die nun auch auf Eltern warte.

Auf diese kommende Herausforderung weist auch Nina Berger hin: „Gerade Eltern sollten wachsam beobachten, ob das Kind zum Beispiel in einer Antriebslosigkeit verbleibt. Und ob es alternative Strategien verweigert, um mit Langeweile, Stress oder Frust umzugehen.“ Dann könnte es durchaus passieren, dass Einrichtungen wie Erziehungsberatungen oder der Sozialpsychiatrische Dienst im Nachgang noch lange mit den Folgen des Lockdowns konfrontiert würden.

Rückkehr zur Normalität wird zur Herausforderung

Die Gefahr einer Medienabhängigkeit ist laut der Studie latent: Bereits im September 2019 zeigten zehn Prozent der 10- bis 17-Jährigen ein riskantes Spielverhalten. Pathologisches Gaming wurde bei 2,7 Prozent festgestellt. Jungen seien oft klassische Zocker, Mädchen aber nutzten eher übermäßig Social Media-Kanäle.

Der Medienkonsum ist dabei nur ein Teilaspekt. Matthias Wahl erinnert an die vielfältigen Einflüsse und Eindrücke, die nach eineinhalb Jahren der Einschränkungen nun auf die Kinder und Jugendlichen einprasselten, diese seien in der Summe nicht zu unterschätzen. „Dazu kommt der Umstand, dass vielen im Zuge der Pubertät ein Jahr der Identitätsentwicklung fehlt“, ergänzt Nina Berger.

Übrigens hat sich auch das Medienverhalten von Erwachsenen verändert – Grund genug, um nun mit gutem Beispiel voranzugehen. Beispielsweise durch Regeln, die die Nutzung des Smartphones beschränken. „Je früher präventiv agiert wird, desto größer der Erfolg“, weist Nina Berger auch auf die Vorbildfunktion von Eltern hin.