
© Johannes Schmittmann
Kriminelle am Werk: Dutzende erhalten Link zu Masturbations-Video
Tobit Chayns
Viele Nutzer der Tobit-Plattform „Chayns“ erhielten am Wochenende eine anzügliche Nachricht samt Link. Nun ermittelt die Polizei. Die Plattform-Betreiber stellen klar: Es gibt kein Daten-Leck.
Zahlreiche Smartphone-Nutzer, vor allem im Kreis Borken, erhielten am Wochenende eine merkwürdige, anzügliche Nachricht: „Hallo, schauen Sie sich meine Webcam-Masturbationsvideos an.“ Darunter fand sich ein Link mit einer internationalen Domain. Vielen war schnell klar: Es handelt sich um Spam; also um unerwünschte, massenhaft verschickte, digitale Nachrichten. Häufig mit dem Ziel, an Daten zu gelangen. In den sozialen Medien wie Facebook oder Instagram ist die Masche weit verbreitet.
In diesem konkreten Fall wurde die Nachrichten – die genaue Anzahl ist bisher nicht bekannt – über die Messengerfunktion von „Chayns“ versendet. Chayns ist eine Plattform mit rund 2,5 Millionen Usern, die von dem Ahauser Unternehmen „Tobit.Labs“ entwickelt wurde. Unter anderem wird sie derzeit eingesetzt, um Impf- und Schnelltesttermine im Kreis Borken zu vergeben.
Polizei ermittelt mit Hochdruck
Auf Anfrage erklärt Kreispressesprecher Karlheinz Gördes: „Wir kennen die Problematik und sind an der Sache dran. Wir nehmen das sehr ernst. Die Polizei ist eingeschaltet und auch der Datenschutz ermittelt.“ Mehr könne man zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. „Wir stehen aber natürlich auch in ständigem Kontakt mit der Software-Firma“, so Gördes.
Tobit.Labs hat sich mittlerweile an die betroffenen Personen mit einer Erklärung gewandt. „Es war eine abscheuliche Nachricht, die Sie sowie einige weitere Nutzer am Wochenende im Rahmen einer Spam-Attacke erhalten haben. Wir bedauern das zutiefst“, heißt es dort. Das hauseigene System habe die Nachricht und den Absender aber analysiert, die Nachrichten gelöscht und den Absender geblockt. „Gleichzeitig wurden technische Maßnahmen getroffen, die so etwas künftig verhindern sollen.“ Als Betroffener müsse man nun nichts weiter unternehmen.
„Haben es immer wieder mit Kriminellen zu tun“
Tobit.Labs-CEO Tobias Groten betont auf Nachfrage ausdrücklich, dass es sich nicht um eine Datenschutz-Panne, sondern um einen Missbrauch des „Message-Transport-Systems“ handelte. Groten sagt: „Genau wie alle anderen Plattformen haben wir immer wieder mit Kriminellen zu tun, die versuchen, darüber irgendetwas anzustellen. Einfach nur um etwas zu boykottieren oder um auf irgendeine perfide Art an Geld zu kommen.“
Der Tobit.Labs-CEO zieht einen Vergleich. „Es wäre, als würde jemand bei dir zu Hause einbrechen und von deinem Telefon aus wahllos Rufnummern eintippen und den Leuten am anderen Ende obszöne Dinge sagen wollen.“ Für die Zukunft sieht Groten aber noch Verbesserungspotenzial. „Wir haben das Problem bemerkt. Nicht ganz so schnell, wie wir es uns gewünscht haben. Aber dennoch ziemlich schnell.“ Das ändere aber nichts daran, dass es sich in diesem Fall um eine „fiese Nachricht“ handele. „Wir werden weiter kämpfen, dass so etwas noch schwieriger wird, als es bereits schon ist.“
Ganz generell wünscht sich Tobias Groten aber mehr Verständnis, wenn es bei Corona-Software an irgendeiner Stelle hakt. Mit Blick auf den Chaos-Computer-Club (CCC), der vor wenigen Tagen in ganz anderem Zusammenhang massive Kritik an „hastig gebastelter“ Corona-IT übte, fragt der Tobit.Labs-CEO: „Was ist die Alternative? Dass die Hersteller erst einmal ein Jahr lang testen und probieren, bevor sie eine neue Software verfügbar machen?“ Groten nennt in diesem Zusammenhang ein Zitat, das er seit Ausbruch der Pandemie häufig in den Mund genommen hat: „Das Hauptproblem ist, es muss schnell gehen.“
1991 in Ahaus geboren, in Münster studiert, seit April 2016 bei Lensing Media. Mag es, Menschen in den Fokus zu rücken, die sonst im Verborgenen agieren.
