
Stephan Kruthoff, Leiter der Leitstelle des Kreises Borken, berichtet auch von vermehrten Bagatellanrufen unter „112". © Kreis Borken/ dpa
Husten, Schnupfen oder Rückenschmerzen – kein Grund, die 112 zu wählen
Bagatellanrufe beim Notruf
Wie andernorts beklagt auch die Kreisleitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienst des Kreis Borken eine Zunahme sogenannter Bagatellanrufe. Das bestätigte Leiter Stephan Kruthoff auf Anfrage.
Bürger rufen an und erbitten Hilfe vom Notarzt, wenn ihnen auch anders geholfen werden könnte – zum Beispiel bei Schnupfen und Niesanfällen oder grippeähnlichen Schwächeanfällen. Der Mitarbeiter der Leitstelle befolgt eine detaillierte Abfragestruktur, erklärt Stephan Kruthoff das Procedere, um genauere Informationen zu erhalten.
Oft komme es vor, dass die Notfallsanitäter der jeweiligen Wachen im Kreis Borken eigentlich nicht ausrücken müssten. „Am Telefon können wir das meist abklären.“ Häufiger sei der Hausarzt gefordert oder der Ärztliche Notdienst, vor allem am Wochenende. Wenn die Person dort keinen Termin bekomme, weil der Notdienst zum Beispiel überlastet sei – „dann sind wir eben dran“, sagt Stephan Kruthoff süffisant: „Das ist ein ganz typischer Fall bei uns in der Leitstelle.“ Vor allem in Coronazeiten hätten sich solcherart Anrufe gehäuft.
Kleine Schnittwunden oder Kopf- und Gliederschmerzen
Alarmszenarien gebe es einige, meist harmloserer Art: kleinerer Schnittwunden in Hand oder Finger, Nasenbluten, Atemwegsprobleme durch Husten oder Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen.
Der Fachmann für Rettungsdienste bezeichnet dieses Phänomen als einen „schleichenden Prozess“, der nicht immer per telefonischer Nachfrage geklärt werden könne: „Manchmal können wir natürlich erst vor Ort feststellen, ob wir wirklich gefordert sind“ – wenn nicht, werde der Hausarzt des Patienten informiert.
Oder ihm werde klargemacht, dass das örtliche Krankenhaus überbelegt sei und zum Beispiel der Rettungstransportwagen den Patienten mit seiner vermeintlichen Erkrankung nicht vor Ort nach Borken bringen könne, sondern zur Notaufnahme ins weiter entfernte Krankenhaus, etwa nach Ahaus.
Kruthoff: „Wir schauen uns den Patienten immer ganz genau an – und er überlegt es sich schnell, ob er mit dem Husten nach Ahaus muss oder ob auch schon mal Hustensaft helfen könnte“.
Quote von Bagetellanrufen in Gelsenkirchen bei 20 Prozent
Genaue Zahlen von Bagatellfällen hat Kruthoff nicht aufgelistet. Er bestätigt aber Aussagen anderer Leitstellen. Gelsenkirchen etwa klagte jüngst über eine erhebliche Zunahme – auch in Zeiten enger Personalstrukturen. „Die Quote solcher Bagatellnotrufe liegt nach unserer Erfahrung bei 20 Prozent“, bekräftigte Michael Axinger, Chef der Feuerwehr Gelsenkirchen.
Für Stephan Kruthoff hängt die Zahl gestiegener Einsätze für die Rettungswachen im Kreis Borken auch mit einer veränderten Gesamtlage zusammen: „Der Rettungsdienst hat sich dramatisch entwickelt. Wir haben mit Dingen zu tun, über die hat sich vor zehn Jahren noch niemand Gedanken gemacht“ – wie Corona, Affenpocken und andere Krankheiten. Der Mensch „ist vorsichtiger geworden, aufgeklärter, besorgter“.
„Rettungsdienst rückt in Notfällen immer sofort aus“
Kruthoff unterstreicht, dass der Rettungsdienst in Notfällen immer sofort ausrücke und den Menschen helfe. Doch manchmal kämen auch Anrufe wegen einer Blütenpollen-Allergie.