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Einmal Schwalbe sein: So geht es hinter den Kulissen bei der Ottensteiner Tanzgarde ab
Tanzgarde
Bei ihren Auftritten erobert die Tanzgarde „Die Burgschwalben“ jedes Jahr die Herzen der Narren. Aber was passiert abseits der Bühne? Über die Geheimnisse des Gardealltags.
Akkurat stehen zwölf junge Frauen in einer Reihe, die Arme hinter dem Rücken mit den Armen des Nächsten verschränkt. Die zwei Mädchen in der Mitte werfen ihr rechtes Bein hoch in die Luft. Dann setzen auch ihre zwei Nachbarinnen ein, bis es ihnen die ganze Reihe gleich tut.
Marschierend und mit einem Lächeln auf den Lippen wechseln die Burgschwalben ihre Position. Die blau-weißen Röcke schwingen dabei im Takt. Ein paar der jungen Frauen machen einen Radschlag, später springen einige in den Spagat. Immer wieder tönen erstaunte Laute aus dem Publikum, am Ende gibt es tosenden Applaus.

Beim Gardetanz zeigen die Tanzmariechen, wie gelenkig sie sind. © Haget
Auf diesen Moment am vergangenen Gala-Büttabend der Karnevalsgesellschaft „Die Burggeister“ haben die Tanzmariechen mehr als fünf Monate hingearbeitet. Jede Woche haben sie zwei, manchmal auch drei Mal geprobt – auch am großen Tag selbst.
Generalprobe am Samstagmorgen
Rund zehn Stunden vor dem Auftritt: Laute Musik tönt aus dem Saal Räckers, aber die Türen sind verschlossen. Nur wer die kleine Tür auf der anderen Seite des Gebäudes kennt, kommt zur Generalprobe der Tanzgarde. Während es im Saal noch kalt ist, wird oben auf der Bühne schon geschwitzt.
In Leggins, T-Shirt und mit zum Zopf zusammengebundenen Haaren proben die Tanzmariechen ihren Marsch. Marie Thesing und Franziska Lessing machen gerade einen Radschlag, als Trainerin Laura Fleer von unten ruft: „Denkt dran: danach direkt wieder die Hände auf den Rücken, Knie hoch und lächeln!“
Wie in jedem Jahr, haben die Burgschwalben zwei Tänze einstudiert: den Marsch, der im blau-weißen Gardekostüm präsentiert wird, und den Show-Tanz, der dieses Mal unter dem Motto „The Greatest Show“ steht und einen Hauch von 20er-Jahre versprüht.
Millimeterarbeit bei der Aufstellung
Besonders bei dem achtminütigen Showtanz ist Perfektion angesagt. Bei der Aufstellung der jungen Frauen geht es um wenige Millimeter. Eine Person muss etwas weiter nach links, die andere etwas weiter nach rechts, dann noch einmal zurück nach links – bis die Trainerinnen zufrieden sind: „So passt es, so ist es symmetrisch“, sagt Laura Fleer. Dann schaltet sie die Musik an.
Zwei Mal tanzen die jungen Frauen den kompletten Showtanz, um selbst die kleinste Unsicherheit zu beseitigen. Denn noch am Abend zuvor hat die Tanzgarde ihren Tanz aus dem letzten Jahr beim Kolping-Karneval in Graes zum Besten gegeben. Dementsprechend groß war die Sorge, dass die neuen Schritte nicht mehr so gut im Gedächtnis sind.
Obwohl dem nicht so ist, steigt die Anspannung bei den jungen Frauen vor der großen Premiere der neuen Tänze. Für Franziska Lessing ist es heute eine doppelte Premiere. Die 17-Jährige steht zum ersten Mal als Burgschwalbe auf der Bühne. „Ich bin jetzt schon echt nervös. Heute Nachmittag mach ich nur noch was Entspanntes“, sagt sie.
Treffen in der „Villa“
Zum zweiten Mal an diesem Tag trifft sich die Tanzgarde um 19 Uhr, in ihrer „Villa“, einem alten leer stehenden Haus in der Nähe des Saals, das als Garderobe genutzt wird. An den Wänden des Raumes hängen laminierte Fotos von den Burgschwalben aus den letzten Jahren. Blaue Girlanden, auf denen „VIP Party Area“ zu lesen ist, zieren den Eingang und versprechen einen feuchtfröhlichen Abend.
Bevor er so richtig startet sprechen die Trainerinnen Laura Fleer und Jasmin Möller ihren Schützlingen Mut zu. „Wir sind jetzt schon super stolz auf euch“, sagt Laura Fleer. Auch die Tanzgarde bedankt sich bei ihrer Leitung für den Einsatz, denn: „Wir waren ja nicht immer einfach“, so Greta Schnell.
Dehnen und Biertrinken
Nach dem offiziellen Beginn des Büttabends machen sich die Tanzmariechen im Gastzimmer des Saals Räckers eine Stunde lang warm. Unter den Blicken ihrer kleinen Kolleginnen, den Burgspatzen, dehnen sie sich auf dem Boden. „Das ist wichtig, bevor die Mädels nachher in den Spagat springen und irgendetwas reißt“, erklärt Trainerin Jasmin Möller.

Franziska Lessing dehnt sich vor dem großen Auftritt. © Gerick
Mit einem Tablett voll Bier für die Tanzmariechen kommt sie von der Theke zurück. Immer mal wieder, zwischen den Dehnübungen, trinken die Mädels einen Schluck und reden entspannt über dies und das. Eine nach der anderen tragen die Burgschwalben Franzbranntwein auf ihre Beine auf. Die dadurch entstehende Wärme soll Zerrungen vorbeugen.
Jägermeister vor dem Auftritt
Bis zum ersten Auftritt, dem Marsch, ist es jetzt nicht mehr lang. Obwohl Jasmin Möller seit drei Jahren nicht mehr selbst mittanzt, ist sie aufgeregt. „Ich bin als Leitung viel angespannter. Man hat ja die Verantwortung für die Mädels“, sagt die 25-Jährige und ihre Trainer-Kollegin Laura Fleer ergänzt: „Man muss an alles denken: Wechselstrumpfhosen, Schminke, Taschentücher, Jägermeister..“ Jägermeister? „Davon gibts immer einen vor dem Auftritt, das ist Tradition“, erklärt Jasmin Möller und lacht.
Dann ist es für die Tanzgarde auch schon Zeit, fertig zu werden und sich aufzustellen. Franziska Lessing ist aufgeregt vor ihrem ersten Auftritt als Burgschwalbe. „Als ich kleiner war, auf dem Kinderbüttnachmittag, da war der Auftritt der großen Tanzgarde für mich immer das Highlight. Das war schon immer mein Traum, da mitzumachen.“
Jetzt ist es endlich so weit. Sitzungspräsident Michael Schnell kündigt die Tanzgarde als „das Aushängeschild des Ottensteiner Karnevals“ an und es geht hoch auf die Bühne.
Eigenes Gardelied gehört zum Karneval dazu
Souverän absolvieren die Schwalben den Marsch, Nervosität ist ihnen nicht anzumerken. Wieder vorne in der Kneipe angekommen, fangen die Tanzmariechen direkt an zu klatschen und zu singen: „Zwölf kleine Schwalben in blau-weißer Tracht brachten einen Tanz heraus. Sie werfen die Beine und zeigen das Knie, doch das Höschen sieht man nie.“
Danach geht es jubelnd zurück zur „Villa“. Auf dem kurzen Weg dahin redet Franziska Lessing schnell, im Licht der Straßenlaternen funkeln ihre Augen vor Freude und Aufregung. „Beim Aufwärmen habe ich mich nicht getraut, in den Spagat zu gehen, weil ich dachte, wenn ich das nicht schaffe, bin ich zu nervös. Aber auf der Bühne hat alles super geklappt, ich saß richtig gut im Spagat.“
Umziehen und Haare Flechten für den zweiten Auftritt
Die Tanzmariechen haben jetzt eine knappe Stunde Zeit, sich für den Showtanz herzurichten. Während im Hintergrund Karnevalslieder laufen und eine Deoduftwolke den Raum erfüllt, flechten sich die Mädels die Haare, tragen silbernen Lidschatten auf, trinken ein Glas Sekt und schlüpfen schließlich in ihr Showtanz-Kostüm.
Das besteht aus einer schwarzen Hotpants, einer schwarzen Seidenstrumpfhose mit einer Naht hinten, einem silbernen T-Shirt und einem schimmernden, roten Frack. Die Füße stecken in glitzernden Halbschuhen und auf dem Kopf tragen die jungen Frauen einen weißen Hut mit schwarzer Spitze.
15 Minuten vor dem Auftritt kommt Stress auf. „Hat jemand meine Hose gesehen?“ ruft ein Tanzmariechen und schaut sich im Raum um. Während die einen noch das Kostüm zusammen suchen, sind andere schon fertig. „Habt ihr eure Hüte? Die T-Shirts vorne geknotet? Und schwarze Socken an?“ fragt Laura Fleer, während sie einem anderen Mädchen in den Frack hilft.

Franziska Lessing (l.) steht in diesem Jahr zum ersten Mal auf der Bühne. Ihre Trainerin Jasmin Möller (r.) feiert die zehnährige Mitgliedschaft in der Tanzgarde. © Gerick
Wer alles mit Ja beantworten kann, geht schon zurück in die Kneipe. Vorfreude und Nervosität mischen sich, als die Burgschwalben darauf warten, auf die Bühne zu können.
„Ich bin nicht mehr ganz so nervös wie vor dem Marsch“, verrät Franziska Lessing. „Wenn man beim Showtanz einen Fehler macht, kann man einfach lachen und mitsingen. Das geht beim Marsch nicht.“ Doch an so etwas müssen die Schwalben auf der Bühne gar nicht denken. Gleich zwei Mal tanzen sie ihren Showtanz fehlerfrei, während das Publikum wild klatscht.
Wie eine kleine Familie
Nach dem offiziellen Teil des Büttabends müssen die Burgschwalben wieder ihr Gardekostüm anziehen, bevor es zurück zur Party im Saal geht. Dieses Mal lassen sie sich Zeit in der „Villa“. In Top und Rüschenunterhosen sitzen sie im Kreis und essen Schnittchen, während die Aufregung von ihnen abfällt.
Dann wird das Licht gedimmt und die Musik voll aufgedreht. Alle tanzen im Kreis und feiern zusammen ihre Leistung als Team. Auch die zwei ehemaligen Trainerinnen der Burgschwalben schauen vorbei, um Party zu machen. Schließlich sind die Bande, die in der Tanzgarde geknüpft werden, ganz Besondere. Das merkt auch schon Franziska Lessing: „Wir verstehen uns alle richtig gut, wir sind wie eine kleine Familie.“
Das Praktikum bei der Münsterland Zeitung hat mich für den Journalismus begeistert. Also ging es nach Dortmund, um Journalistik zu studieren. Wenn ich wieder in der Heimat bin, liebe ich es über Themen zu berichten, die die Menschen hier bewegen.
