
© Stefan Grothues
Drei Jugendliche stürmten Wohnung in Ottenstein mit gezogener Waffe
Jugendschöffengericht
Schwerer Raub, Körperverletzung, Diebstahl – die Taten der drei Angeklagten (21, 19 und 17 Jahre alt) wiegen schwer. Doch sie kommen mit Bewährungsstrafen davon. Deutlich schneller als gedacht.
Maskiert und mit vorgehaltener Waffe haben drei Jugendliche im Januar 2020 eine Wohnung in Ottenstein gestürmt, einer Bewohnerin die Pistole an die Schläfe gehalten, eine andere Person mit dem Knauf der Waffe geschlagen und das Schlafzimmer nach Beute durchsucht. Am Ende flüchten die damals 19, 17 und 15 Jahre alten Ahauser ohne Beute.
Nur wenige Tage zuvor waren der damals 19- und der damals 15-Jährige in ein Haus in Ottenstein eingedrungen. Durch eine offene Seitentür betraten sie das Gebäude und stahlen Elektronik im Wert von über 2000 Euro. Die Geräte wollten sie verkaufen. Das scheiterte jedoch an den eingebauten Sicherheitsmechanismen, durch die Smartphone und Tablet-PCs unbrauchbar wurden. Die Jugendlichen zerstörten die Beute.
Fall wechselte zwischen Landgericht und Schöffengericht hin und her
Schon zwei Jahre liegen die Taten inzwischen zurück. Auch, weil der Fall erst beim Landgericht gelegen hatte, bevor er nun doch vor dem Jugendschöffengericht in Ahaus verhandelt wurde. Und auf dem Papier hatte es das Verfahren in sich: Zwei Verhandlungstage waren angesetzt, acht Zeugen sollten vernommen werden.
Sie alle hatten bei der Polizei jedoch nur vage Angaben gemacht. Wohl auch, weil es sich bei der erhofften Beute des Trios um Drogen gehandelt haben soll. Ganz zu Beginn wandte sich der Richter deswegen schon an die drei Angeklagten: „Ich bin guter Dinge, dass keiner von euch ein Gefängnis von innen sieht, wenn es hier heute ein schnelles Ende gibt.“ Also wenn es ein Geständnis gebe und die Zeugen nicht vernommen werden müssen.
Erstes Geständnis kommt beim Richter nicht gut an
Der älteste Täter wollte schnell reinen Tisch machen: Der Diebstahl habe sich genau wie vorgeworfen ereignet. Bei dem Überfall sei er zwar dabei gewesen, habe die Wohnung aber nicht betreten, sondern nur vor der Tür Wache gehalten. Die Waffe habe er beschafft. Sie habe seinem Vater gehört, der wolle sie aber auch nicht wieder haben. Insgesamt wolle er mit der Tat abschließen, um seine Zukunft nicht weiter zu gefährden: Aktuell arbeitet er als Hilfsarbeiter, habe ab August aber eine Ausbildung in Aussicht.
Doch der Richter glaubte ihm diese Darstellung nicht. „Wenn wir hier solche Spielchen anfangen, ist das nicht das, was ich gemeint habe“, erklärte er. Der heute 21-Jährige habe die Tat doch geplant. Das gehe aus den Chatprotokollen hervor.
Rechtsgespräch zwischen Juristen bringt Lösung – und Geständnisse
Der zweite Angeklagte, heute 19 Jahre alt, wollte sich schweigend verteidigen und sagte nichts zu den Vorwürfen. Der dritte und jüngste Angeklagte, heute 17 Jahre alt, wollte sich ähnlich einlassen, doch schon nach 20 Minuten Verhandlung bat sein Verteidiger um eine Unterbrechung. Erst zum Gespräch mit den anderen Verteidigern, dann für ein Rechtsgespräch mit Staatsanwalt, Richter und Schöffen.
„Wenn wir uns die Mühe machen müssen und alle Zeugen vernehmen müssen, brauchen Sie mit keiner Gnade zu rechnen“, gab der Richter den Angeklagten noch mit, bevor er die Sitzung unterbrach.
Nach einer kurzen Besprechung vor der Tür erklärte die Verteidigerin des ältesten Täters, dass er sogar alle Schuld auf sich nehmen würde, um seine Zukunft nicht zu gefährden. So ein Geständnis hätte natürlich juristisch keinen Wert. Das Rechtsgespräch zwischen den Juristen und Schöffen fand schließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Ergebnis nach knapp 45 Minuten: Sollten alle Drei gestehen, müssten der älteste und jüngste Täter mit maximal eineinhalb Jahren Jugendstrafe zur Bewährung, ihr Mittäter mit maximal einem Jahr Jugendstrafe zur Bewährung rechnen. Und alle Drei taten danach genau das. So wie es in der Anklageschrift stand, räumten sie die Taten ein. „Wunderbar“, kommentierte der Richter.
Alle drei haben – auch wenn sie alle bereits mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind – inzwischen die schiefe Bahn verlassen. Sie arbeiten oder machen gerade ihre Schulabschlüsse nach. „Gut, das sind schonmal 8,5 Stunden pro Tag, in denen man keine Scheiße bauen kann“, sagt der Richter trocken. Nach zweieinhalb Stunden – und nicht nach zwei Tagen – schloss er die Beweisaufnahme.
Eindringliche Worte von Richter und Staatsanwalt
Schon der Staatsanwalt gab den drei jungen Männern beziehungsweise Jugendlichen eindringliche Worte mit auf den Weg: Würden sie nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt, hätte keiner von ihnen mit Strafen von weniger als fünf Jahren Haft rechnen müssen. „Sie müssen Ihr Leben auf die Kette kriegen“, appellierte er. Es habe sich um eine geplante Tat mit enormer krimineller Energie gehandelt. Sollte so etwas nochmal vorkommen, käme keiner von ihnen glimpflich davon. Auch er gestand ihnen aber zu, dass sie alle eine positive Sozialprognose hätten. Das hatte so auch ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe erklärt.
Am Ende das Urteil: Wegen besonders schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung sowie bei zwei Tätern wegen Diebstahls wurden sie – wie in dem Gespräch beraten – zu einem Jahr und sechs Monaten bzw. einem Jahr Jugendstrafe zur Bewährung verurteilt. Die beiden Täter, die zusätzlich den Diebstahl begangen haben, müssen noch insgesamt 2000 Euro an den Geschädigten zahlen. Der dritte Täter wurde noch zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.
„Ich habe schon mit schlechterem Gewissen eine Bewährung bewilligt“, sagte der Richter. Er wünschte den Dreien, dass sie ihr Leben auf die Reihe kriegen.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
