Das erste Interview des neuen Gesundheitsministers

Provokante Fragen an Jens Spahn

Jens Spahn ist seit Mittwoch neuer Bundesgesundheitsminister. Erst kurz vorher war er wegen Äußerungen zum Thema Hartz 4 in die Kritik geraten. Wir wollten im Interview von ihm wissen, welche gesellschaftliche Debatte er als Nächstes anstößt.

Ottenstein/Berlin

, 14.03.2018, 17:52 Uhr / Lesedauer: 3 min
Jens Spahn wurde am Mittwoch als Bundesgesundheitsminister vereidigt.

Jens Spahn wurde am Mittwoch als Bundesgesundheitsminister vereidigt. © dpa

Jetzt ist er Angela Merkels Mann für die Gesundheit: Nach der Ernennung durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Vereidigung durch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist Jens Spahn aus Ottenstein seit Mittwoch, 14. März, Bundesgesundheitsminister. Ruhiger dürfte es damit für ihn nicht werden. Trotz seines eng gestrickten Zeitplans und über 80 von ihm abgelehnter Interviewwünsche seit Wochenbeginn beantwortete er am Mittwoch über sein Bundestagsbüro schriftlich einige Fragen der Münsterland Zeitung. Jens Spahn ist für seine kalkulierten Provokationen bekannt. Wir stellten ihm darum einige ebenso provokante Fragen.

Sie haben gerade eine Armutsdebatte angestoßen. Online läuft eine Petition, in der Sie von einer Frau aus Baden-Württemberg aufgefordert werden, einen Monat Ihren Alltag mit dem Hartz IV-Grundregelsatz von 416 Euro im Monat zu meistern. Über 70.000 Menschen haben die Petition bislang online unterzeichnet. Werden Sie diese Herausforderung annehmen? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

Sie können mir glauben: Aus vielen persönlichen Begegnungen weiß ich sehr gut, dass es nicht einfach ist, mit Hartz IV seinen Alltag zu bestreiten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir denjenigen helfen, die auf Unterstützung angewiesen sind. Sie sollen auf eigenen Beinen stehen können und von ihrer Arbeit leben können. Gerade in Zeiten, in denen viele Unternehmen händeringend nach Arbeitskräften suchen. Darum würde ich mich gerne kümmern, denn dafür wurde ich gewählt.

Welche gesellschaftliche Debatte würden Sie gerne als Nächstes anstoßen?

Debatten sind das eine. Aber Vertrauen zurückgewinnen, kann man nur mit konkreten Lösungen. Die Bereiche Innere Sicherheit, Migration, Digitalisierung sind da zentral. Aber es geht auch darum, wie wir es schaffen, dass es auch künftig in ländlichen Regionen noch einen Arzt oder einen Apotheker gibt. Und darum, ausreichend Pflegekräfte auszubilden, die sich um immer mehr ältere Menschen kümmern. Das will ich angehen.

Von Ottenstein zu Oggersheim sind es nur ein paar Buchstaben. Sie sind jetzt Minister, können Sie auch Kanzler?

Heute bin ich erstmal als Gesundheitsminister vereidigt worden. Das ist eine große Ehre und Herausforderung. Ich gehe mit großem Respekt an die neue Aufgabe.

Der Ahauser Ortsteil Ottenstein wurde kurzerhand umbenannt.

Der Ahauser Ortsteil Ottenstein wurde kurzerhand umbenannt. © Stefan Grothues

Zweiklassen-Medizin ist ein Schlagwort in Ihrem Aufgabenbereich als Bundesgesundheitsminister. Wo sind die größten Hürden bei der Abschaffung?

Bei der Diskussion wird immer schnell vergessen, dass die allermeisten privat Versicherten Beamte mit oft niedrigem Gehalt sind. Ihre Beiträge steigen im Alter stark an, viele können sich das kaum noch leisten. Die Probleme der privaten Krankenversicherung sind viel größer, als die Überschriften vermuten lassen. Aber es stimmt: Wir müssen an ein paar Themen ran, etwa an kürzere Wartezeiten auf Facharzttermine. Da müssen sich auch die Ärzte bewegen.

Welches Mammutprojekt steht für Sie als Minister an erster Stelle?

Neben der Pflege ist das ohne Zweifel die Digitalisierung. Vielen Millionen Patienten könnte das Leben leichter gemacht werden, wenn wir hier vorankommen. Doppeluntersuchungen, unnötige Fahrten zum Arzt und Mehrfachmedikationen könnten wegfallen. Und am Ende bliebe mehr Zeit für die wirklich schweren Fälle.

Was halten Sie von dem Vorschlag, auf Alkoholprodukten Schockbilder anzubringen – ähnlich wie bei Zigaretten?

Das ist immer eine Abwägungssache. Auf der einen Seite müssen wir auf die Gefahren von übermäßigem Genuss hinweisen, andererseits sollten wir auch niemanden bevormunden. Diese Diskussion sollten wir gemeinsam verantwortungsvoll führen.

Als bekannt wurde, dass Sie Minister wurden: Wer hat Ihnen da als Erster gratuliert, von dem Sie es nicht erwartet hätten. Und aus welchem Grund nicht?

Ehrlicherweise weiß ich das gar nicht mehr. Was ich weiß: Die Glückwünsche waren zahlreich und ich habe mich über jeden Einzelnen gefreut.

In der taz wurden Sie am Montag in einem Artikel hart angegangen. Wie sehr trifft Sie das? Wie groß ist die Versuchung, nach solchen Veröffentlichungen mit dem Redakteur zu reden?

Wer sich öffentlich pointiert äußert, darf sich nicht wundern, wenn er in der Diskussion nicht mit Samthandschuhen angefasst wird. Insofern: alles gut. Aber natürlich lassen mich insbesondere persönliche Anfeindungen nicht kalt. Auch auf Facebook und Co. ist die Wortwahl leider zu oft anstandslos.

Wann ist Ihr erster offizieller Minister-Termin im heimischen Wahlkreis?

Ich freue mich darauf, am Freitag zu Hause im Münsterland zu sein – ganz einfach als Jens.

Zur Person Jens Spahn trat 1995 in die Junge Union ein, 1997 in die CDU. Seit 2002 ist er Bundestagsmitglied, seit 2005 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes. Bevor er 2015 Staatssekretär im Finanzministerium wurde, kümmerte er sich in der Unionsfraktion zehn Jahre lang um die Gesundheitspolitik. Mitglied des CDU-Bundesvorstands ist er seit 2012, Mitglied des CDU-Präsidiums seit 2014.