Wohl kaum ein Delinquent, der mehr oder weniger gesenkten Hauptes und mit schweren Schritten die wenigen Treppenstufen zum Amtsgericht Ahaus erklimmt, wird ein Auge für die architektonische Schönheit des Gebäudes übrig haben.
Für fein-säuberlich lackierte Fensterkreuze, sandsteinerne Borde und Stürze, für den dunkelrot schimmernden Klinkerverblender oder gar das Schieferdach samt dem über allem thronenden Glockenturm. Auch auf die sanft geschwungenen Linien des Haubendaches und das fein gearbeitete Wappen über dem Tor werden wohl die wenigsten „Gäste“ des Amtsgerichts aufmerksam werden.
Umso wichtiger, dass das Justizministerium NRW auf die Schönheit des Gebäudes aufmerksam machen will – und zwar mit aller Macht moderner Medien: Schon jetzt gehört das Amtsgericht Ahaus nämlich zu den sechs schönsten Gerichtsgebäuden in ganz Nordrhein-Westfalen. Bei einer internen Abstimmung unter Justizmitarbeitern kam das Ahauser Gebäude in die Finalrunde mit fünf anderen Gerichtsgebäuden.
In ein paar Wochen soll die Abstimmung in sozialen Netzwerken und den Internetseiten von Justizministerium und Gerichten online gehen. Dafür wurden am Donnerstag Drohnenaufnahmen von Gebäude und gut der Hälfte der 70 Gerichtsmitarbeiter gemacht.

Das vierköpfige Team des Justizministeriums NRW wird in den kommenden Wochen auch Videos der anderen Finalisten anfertigen. Erst am 13. Oktober wollen NRW-Justizminister Dr. Benjamin Limbach und ein Staatssekretär den Preis an den Sieger überreichen. Wie der genau aussieht, steht noch gar nicht fest. „Möglicherweise eine Collage oder eine besondere Urkunde. In jedem Fall nur ein symbolischer Akt, es geht ja schließlich um Steuergelder“, betont Hans-Joachim Klein, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im NRW-Justizministerium.
Gegen die Mitbewerber hat es das Ahauser Gebäude allerdings nicht leicht: Die Schwanenburg in Kleve (Amtsgericht Kleve), der Stahlhof in Düsseldorf (Verwaltungsgericht Düsseldorf) und das Oberlandesgericht in Köln sind schon ganz andere Kaliber als die Vorburg des fürstbischöflichen Ahauser Barockschlosses.
Stolz über vordere Platzierung
„Wir sind ja schon stolz, dass wir es unter die letzten sechs Gebäude geschafft haben“, sagt Amtsgerichtsdirektor Benedikt Vieth. Auf die vorderen Plätze macht er sich keine großen Hoffnungen.
Aber auch ohne einen Preis haben der Wettbewerb und das am Donnerstag produzierte Video für das Amtsgericht einen Wert: „Wir können es für die Suche nach neuen Mitarbeitern und Auszubildenden benutzen“, sagt Benedikt Vieth. Die gestalte sich nämlich immer schwieriger. Und natürlich sei er stolz auf so ein besonders schönes Arbeitsumfeld. Das gehe vielen seiner Mitarbeiter ganz ähnlich. Er will auf jeden Fall so viele Stimmen wie irgend möglich für das Ahauser Amtsgericht sammeln, sieht der Abstimmung ansonsten aber gelassen entgegen.
Denkmalschutz und Barrierefreiheit
Gut für die Stimmen der Ortsunkundigen: Weder der schon brutal anmutende moderne Zwischenbau auf Stelzen noch die eher kalt und schmucklos anmutenden Behördenflure spielen in der Bewertung eine Rolle: Der Stelzenbau wurde am Donnerstag bei den Dreharbeiten unauffällig von der imposanten Kastanie auf dem Sümmermannplatz verdeckt. Innenaufnahmen sollten nicht angefertigt werden.
Und bei allem schönen Schein von außen: Im Innern hat das Gebäude durchaus seine Tücken: „Die Barrierefreiheit ist natürlich immer eine Herausforderung“, sagt Benedikt Vieth. Unterschiedliche Niveaus der Etagen, kein Aufzug, Treppenstufen über der Tordurchfahrt – einfacher wird es durch den Denkmalschutz nicht. Das war beispielsweise im April noch Thema, als die Aktivistin Cecile Lecomte in Ahaus vor Gericht stand: Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen und musste von Ahauser Feuerwehrleuten die Treppe hoch- und heruntergetragen werden.
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