Irma und Emil Gottschalk mit ihrem kleinen Sohn Ernst Josef.

Irma und Emil Gottschalk mit ihrem kleinen Sohn Ernst Josef. © privat

Ahauser Jude Emil Gottschalk verlor Frau und Kind im Holocaust

rnSerie

In unserer Serie beleuchten wir in loser Reihenfolge Schicksale von jüdischen Familien in Ahaus. Diesmal geht es um die Familie Gottschalk, die auf tragische Weise auseinandergerissen wurde.

Ahaus

, 10.05.2022, 12:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Heute wird im Rahmen der Serie an Irma Gottschalk, die vor 120 Jahren in Maxsain-Selters im Westerwald als Irma Kahn geboren wurde, und ihre jüdische Familie in Ahaus erinnert. Sie wohnte mit ihrem sechs Jahre älteren Mann Emil Gottschalk an der Kreuzstraße 12.

Im März 1933 hatte sie den Ahauser Viehhändler geheiratet. Im Februar 1934 bekam das Paar sein einziges Kind: Sohn Ernst Josef. Ende 1935 durfte Irma ihre nichtjüdische Hausgehilfin nicht mehr weiter beschäftigen. Im Januar 1936 nahm Irma ihre Eltern Adolf und Billa Kahn in ihrem Haus auf. Dort fanden zeitweise auch ihre jüngeren Geschwister Julius und Herta Kahn Unterschlupf, denen später die Flucht ins Ausland gelang.

Zusammengeschlagen von SA-Männern

Irma und Emil Gottschalk stellten bereits vor der Pogromnacht im November 1938 Passanträge, um ins rettende Ausland zu entkommen. Um das zu finanzieren, hatten sie notgedrungen schon Acker- und Weideland unter Wert verkaufen müssen. Beim Pogrom vom 9. und 10. November 1938 wurde Emil Gottschalk von Ahauser und Gronauer SA-Männern zusammengeschlagen und mehrere Wochen lang in „Schutzhaft“ genommen.

Irma Gottschalks Vater Adolf Kahn

Irma Gottschalks Vater Adolf Kahn © privat

Zusammen mit seinem Cousin Erich gelang es ihm, aus der Haft frei zu kommen und über die Grenze nach Holland zu fliehen, wo beide in den nächsten Jahren vergeblich versuchten, für ihre Verwandten eine Ausreise aus Deutschland möglich zu machen. Während sein Cousin Erich nach dem deutschen Einmarsch auf abenteuerliche Weise aus den Niederlanden nach Palästina entkam, flüchtete Emil über Belgien nach Frankreich, von wo er im August 1942 nach Auschwitz deportiert wurde.

Kurze Rückkehr nach Ahaus

Wie durch ein Wunder überlebte er die Hölle von Auschwitz und kehrte für kurze Zeit nach Ahaus zurück, wo er vergeblich auf Überlebende seiner Familie wartete. Schließlich emigrierte er nach New York und später nach Israel, wo sich ab 1962 seine Spur verliert.

Irma Gottschalks Mutter Billa Kahn

Irma Gottschalks Mutter Billa Kahn © privat

Seine Frau Irma, seinen Sohn Ernst Josef sowie seine Schwiegereltern Adolf und Billa Kahn hat er nie wiedergesehen – sie waren im Dezember 1941 mit den letzten noch in Ahaus verbliebenen Juden ins Ghetto nach Riga deportiert worden, wo Irmas Eltern durch mörderische Zwangsarbeit oder bei Massenerschießungen ums Leben kamen.

Tod nach der Befreiung

Während ihr Sohn Ernst Josef noch mit anderen Kindern aus dem Rigaer Ghetto in ein anderes KZ verschleppt und dort getötet wurde, überlebte Irma zunächst das Ghetto und auch die anschließende Haft und Zwangsarbeit in einem Nebenlager des KZ Stutthof. Kurz nach ihrer Befreiung durch die sowjetischen Truppen im Mai 1945 starb sie jedoch an Typhus und den Folgen der Lagerhaft im Krankenhaus im pommerschen Lauenburg. Sie wurde nur 43 Jahre, ihr Sohn Ernst Josef starb mit nur neun beziehungsweise zehn Jahren.

Emil Gottschalk stammte aus einer, Mitte des 19. Jahrhunderts aus Metelen nach Ahaus zugezogenen, jüdischen Familie – sieben seiner Verwandten haben Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Ahaus. Seine Geschwister Rosa (verheiratet in Cloppenburg) und Gustav (wohnhaft in Epe) sind mit ihren Ehepartnern und Kindern im Ghetto Riga und im KZ Chelmno ermordet worden.

AN SCHICKSALE DER VERSCHLEPPTEN AHAUSER ERINNERN

In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv und auf Initiative des VHS-Arbeitskreises Ahauser Geschichte 1933-1945 veröffentlichen wir in den kommenden Monaten in loser Reihenfolge die Geschichten und Schicksale der Ahauser, die während des Holocausts aus Ahaus verschleppt wurden. Damit wollen wir einen kleinen Teil dazu beitragen, das Andenken an diese Menschen wachzuhalten. Das WDR-Portal (www.stolpersteine.wdr.de) zu allen Stolpersteinen in NRW ist seit kurzem erreichbar.
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