Ein vor Blicken geschützter Raum, ein bequemer Stuhl, eine Flasche Wasser – mehr soll es nicht sein: Die Stadt Ahaus soll stillfreundliche Kommune werden und dafür im Rathaus einen entsprechenden Platz einrichten. Dort sollen Mütter ihre Säuglinge stillen können. Einstimmig hat der Stadtrat diesen Antrag der CDU am Dienstagabend unterstützt.
Nachfrage bei Hebamme Andrea Wynk. Die 48-jährige Ahauserin ist seit 1998 Hebamme und auch die zweite Vorsitzende des Landesverbands der Hebammen Nordrhein-Westfalen. Ist so ein Raum und die Zertifizierung der Stadt heutzutage wirklich nötig?
Heute mehr als je zuvor, macht sie deutlich: „Frauen würden länger stillen, wenn sie dafür einen geschützten Raum finden würden“, sagt sie. Junge Mütter würden nach der Geburt heute früher als in der Vergangenheit wieder vor die Tür gehen. Das habe es früher so einfach nicht gegeben.
Entsprechend müsse für sie ein Raum in der Öffentlichkeit geschaffen werden, wo Stillen ohne Hemmungen möglich sei. Das sei nämlich längst noch nicht so. „Ich kenne Geschichten, dass Frauen aus Restaurants herausgebeten wurden, weil sie dort ihr Kind gestillt haben“, sagt sie. Als Familienhebamme habe sie erlebt, wie einer Frau im Sozialamt der Vorraum der Toilette als Stillraum angeboten wurde. Ein Unding. „Würden Sie auf der Toilette essen?“, hatte sie dem Sachbearbeiter damals an den Kopf geworfen. Beide Fälle seien allerdings nicht im Kreis Borken geschehen.
Stillen gehört dazu
Trotzdem rührt sie die Werbetrommel dafür, dass auch hier entsprechende Aufklärungsarbeit geleistet wird. Ahaus wolle familienfreundlich sein, da gehöre die Stillfreundlichkeit ganz einfach dazu.
Gesellschaftlich sei es aber eben längst noch nicht normal, in aller Öffentlichkeit ein Kind zu stillen. „Und manche Frauen möchten es ja auch ganz einfach nicht, sondern wünschen sich einen Rückzugsort“, macht sie deutlich. Etwa weil das Stillen noch nicht einwandfrei klappe, weil sie sich sicherer fühlen wollen oder auch aus kulturellen Gründen. Auch das seien ja ganz einfache Fragen von Integration.
17 NRW-Kommunen zertifiziert
„Für mich war es ganz normal, meine Tochter in der Öffentlichkeit zu stillen“, sagt Andrea Wynk. Dieses Selbstbewusstsein habe aber eben nicht jede Frau. Letztlich gehe es ja darum, die Gesellschaft zu sensibilisieren. „Und dafür brauchen wir eben einen kleinen Umweg über die Zertifizierung als stillfreundliche Kommune, um Stillen Normalität werden zu lassen.
Je mehr Orte sich als stillfreundlich zertifizieren ließen und je mehr Frauen länger stillen würden, desto besser. In NRW hat der Landesverband der Hebammen bisher 17 Gemeinden und Städte als stillfreundlich zertifiziert. Im Kreis Borken gibt es demnach noch keine Kommune.
Piktogramme in der Innenstadt
Andrea Wynks Wunsch geht über den Raum im Rathaus hinaus: „In drei Jahren soll überall in der Innenstadt so ein Piktogramm zu sehen sein“, sagt sie und deutet auf das blaue Symbol, das auf den Raum zum Stillen hinweisen soll. In jedem Geschäft an jeder Stelle solle es eine ruhige Gelegenheit zum Stillen geben. „Und wenn es nur eine Umkleidekabine ist, in die sich eine junge Mutter zurückziehen kann“, sagt sie.
Wie schnell und in welchem Umfang sich Ahaus auf den Weg zur stillfreundlichen Kommune macht, haben Rat und Verwaltung in der Sitzung am Dienstagabend noch nicht festgezurrt. Erst einmal soll im Rathaus ein entsprechender Raum vorbereitet werden.
Neueröffnung: Ralf Kahmen bietet kreative Lösungen rund um Fenster und Türen
Filippo Belbruno aus Ahaus liebt den Eisverkauf: „Ich mache Menschen glücklich“
20 Prozent Dividende: Energiegenossenschaft schüttet fast zwei Millionen Euro aus