Matthias Stiller ist Leiter der Wirtschaftsförderung in Werne.

© Felix Püschner

Wirtschaftsförderer ist „teils überrascht“ vom Beratungsbedarf der Unternehmen

rnWirtschaft

Die Werner Firmen wünschen sich deutlich mehr Unterstützung von der Wirtschaftsförderung als noch vor ein paar Jahren. Aber wie will und kann die Wirtschaftsförderung ihnen eigentlich helfen?

Werne

, 14.03.2022, 08:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das überschaubare Angebot an qualifizierten Arbeitskräften sowie der Mangel an Gewerbeflächen und -immobilien machen den Werner Unternehmen zu schaffen. Viele bauen darauf, dass die Wirtschaftsförderung ihnen ein Stück weit unter die Arme greift, um die Probleme und Herausforderungen zu bewältigen. Aber inwiefern kann sie das überhaupt?

Aus einer aktuellen Umfrage geht unter anderem hervor, dass der Beratungsbedarf der Unternehmen enorm gestiegen ist. Im Vergleich zu einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 2014 gilt das insbesondere in den Themenbereichen Fördermittel, Existenzgründung und Gewerbeflächenmanagement. Viele Firmen wünschen sich außerdem mehr Info-Veranstaltungen zu Wirtschaftsthemen sowie regelmäßigen persönlichen Kontakt zur Wirtschaftsförderung.

Viele Unternehmen erwarten Probleme bei Stellenbesetzung

Matthias Stiller, Leiter der Werner Wirtschaftsförderung, betont im Gespräch mit unserer Redaktion zunächst die positiven Erkenntnisse der Umfrage, an der sich immerhin 74 Unternehmen beteiligt haben.

Demnach rechnen 27 Prozent der Befragten damit, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung ihres Unternehmens in den kommenden sechs Monaten im Vergleich zur gegenwärtigen Lage verbessern wird. 59 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung aus, lediglich 14 Prozent erwarten eine Verschlechterung.

„Dass 80 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter suchen, ist erst mal nichts Negatives.“

„Auch dass 80 Prozent der Unternehmen Mitarbeiter suchen, ist erst mal nichts Negatives. Sie wollen schließlich neue Leute einstellen. Alarmierend ist aber, dass 85 Prozent von ihnen erwarten, Probleme bei der Stellenbesetzung zu bekommen“, sagt Stiller.

Die Probleme könnten verschiedene Gründe haben, nicht bloß den reinen Mangel an Fachkräften. Es komme beispielsweise auch darauf an, wie sich ein Unternehmen präsentiert. Denn die Zeiten, in denen mehrere Bewerber um eine Stelle konkurrierten, sind längst vorbei: „Heute ist es anders rum - die Unternehmen müssen sich bei den Mitarbeitern bewerben.“

Jetzt lesen

Nicht alle Firmen scheinen das schon verinnerlicht zu haben. Stiller nennt ein Beispiel: Ein Unternehmen wirbt in einer optisch schlicht gestalteten Stellenausschreibung mit dem Satz: „Wir suchen einen Schweißer“. Das Problem: Auf der Seite befinden sich fünf weitere Anzeigen anderer Firmen, die fast genauso aussehen.

Dann brauche man sich als Unternehmen nicht zu wundern, wenn kein Interessent anklopft. „Die Unternehmen müssen herausstellen, was sie besonders macht und warum der Bewerber ausgerechnet zu ihnen kommen sollte“, erklärt Stiller.

Jetzt lesen

Hier könne die Wirtschaftsförderung natürlich beraten - auch mit Blick auf eine angemessene Social-Media-Strategie. Das gilt ebenso für die zweite „Baustelle“: mögliche Fördermittel für Unternehmen. „Wir waren schon überrascht, dass es da einen so großen Beratungsbedarf gibt. Jetzt müssen wir im Gespräch mit den Unternehmen herausfinden, wo genau hier die Probleme sind“, sagt Stiller.

Liegt es daran, dass die Firmen nicht wissen, welche Fördermittel es gibt - oder daran, dass sie mit dem Beantragen nicht zurecht kommen?

Kaum Spielraum beim Thema Gewerbeflächen

Nicht sonderlich viel Spielraum gibt es hingegen in Sachen Gewerbeflächen. Die knapp drei Hektar, die derzeit noch verfügbar sind, reichen bei Weitem nicht aus, um den Bedarf kleinerer lokaler Unternehmen zu befriedigen. Der beträgt zusammengerechnet nämlich gut das Zehnfache.

Im noch nicht verabschiedeten Regionalplan sind zwar weitere potenzielle Gewerbeflächen für Werne vorgesehen, doch würde es noch viele Jahre dauern, bis dort die Bagger rollen könnten. Zudem müsste die Stadt erst noch mit den Besitzern der Flächen verhandeln.

„Wir wollen jetzt bestehende Gewerbegebiete nachhaltiger gestalten.“

Auch deswegen sagt Stiller, dass das Thema Gewerbeflächen nun nicht ganz oben auf der To-Do-Liste steht. Man könne maximal schauen, dass man „Potentialflächen für kleinteiliges Gewerbe“ reaktiviere und auf Nachverdichtung setze.

Dass sich der angestrebte Kooperationsstandort nördlich der Nordlippestraße nicht realisieren lässt, ändere aber nichts an der Grundeinstellung der Wirtschaftsförderung. Die hatte für einen „nachhaltigen Gewerbepark“ geworben. PV-Anlagen, grüne Dächer und Co. sollen jetzt nicht vom Tisch sein. „Das Thema haben wir durchaus noch auf dem Schirm. Wir wollen nun schauen, wie wir bereits bestehende Gewerbegebiete nachhaltiger gestalten können“, betont Wernes Wirtschaftsförderer.

Jetzt lesen

Zudem wolle man in enger Abstimmung mit dem Stadtmarketing unter anderem das Problem der Ladenleerstände in der Innenstadt angehen. Die gibt es zwar nach wie vor, doch ist die Zahl längst nicht mehr so hoch wie noch vor einigen Jahren. Und auch grundsätzlich stellt Stiller fest: In vielen Punkten ist Werne durchaus besser aufgestellt als andere Kommunen. Der gute Draht zum Berufskolleg sei etwa ein großes Standort-Plus.

Das müsse man „hegen und pflegen“ - natürlich auch, weil man hier potenzielle neue Fachkräfte direkt vor Ort hat. Mit der Ausbildungsbörse und Veranstaltungen wie dem Berufszirkel sei man in der Lippestadt ebenfalls gut aufgestellt „Außerdem gibt es schon mehrere Projektpartnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen“, sagt Stiller.

Und wo dies noch nicht der Fall sei, könne die Wirtschaftsförderung die Rolle des Vermittlers einnehmen. Vielleicht liest sich das Ergebnis der nächsten Umfrage dann auch in puncto Stellenbesetzung wieder etwas positiver.

Lesen Sie jetzt