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Werne könnte sich komplett aus Solarstrom versorgen - plus 11.000 weitere Haushalte
Erneuerbare Energien in Werne
In Werne steckt so viel ungenutzte Energie, dass sich die Stadt allein durch Solarstrom selbst versorgen könnte. Und hätte dann noch Strom für knapp 11.000 4-Personen-Haushalte pro Jahr übrig.
In Werne schlummert viel mehr ungenutzte Erneuerbare Energie, als den meisten wohl bewusst ist. Laut dem NRW-Umweltministerium (Lanuv) erzeugen alle 1070 Photovoltaik-Anlagen in Werne gemeinsam 19,9 Gigawattstunden (Gwh/a) Strom pro Jahr. Wodurch laut Lanuv ein Ertrag von 17,6 Gwh/a erzeugt wird. Dabei wäre eigentlich aber viel mehr drin, nämlich 170 Gigawattstunden pro Jahr an Ertrag, würden alle möglichen in Werne verfügbaren Flächen für Photovoltaik-Module (PV) genutzt. Mit einer Leistung von bis zu 190 Megawatt in der Spitze.
Zum Vergleich: Das entspricht einer Leistung von 170 Millionen Kilowattstunden. In Werne wurden laut dem Klimaschutzmanager der Stadt, Johannes zur Bonsen, im Jahr 2018 126.727.038 Kilowattstunden verbraucht. Rein in der Theorie also könnte Werne sich stromtechnisch komplett aus Solarstrom versorgen. Und hätte dann noch mehr als 43 Millionen Kilowattstunden übrig. Ein durchschnittlicher 4-Personen-Haushalt in Deutschland verbraucht im Schnitt zwischen 3000 und 5500 Kilowattstunden pro Jahr.
Photovoltaik-Anlagen sind heute oft leichter als früher
Dafür könnten in Werne laut Lanuv 1.128.000 Photovoltaik-Module installiert werden, insbesondere auf Dachflächen von Gebäuden. Wenn also so viel Potenzial da ist, wo ist dann das Problem in der Umsetzung? Der Klimaschutzmanager der Stadt Werne, Johannes zur Bonsen, erklärt das wie folgt: „Es gibt mehrere Faktoren, die einen PV-Ausbau hemmen können. Einerseits muss neben der Ausrichtung von Dächern immer auch die Statik berücksichtigt werden. Gewerbedächer, die oft große Flächen bieten, haben aber mitunter aus Kostengründen keine große Lastreserve. Das bedeutet, dass eigentlich vielversprechende Dächer PV-Anlagen nicht tragen können.“
Gleichzeitig aber seien die PV-Anlagen über die Zeit immer leichter geworden (12 bis 15 Kilogramm pro Quadratmeter). „Das heißt, dass Dächer, die früher keine PV-Anlage tragen konnten, mittlerweile wieder dafür infrage kommen könnten. Das weiß aber vielleicht nicht jeder Gewerbetreibende.“ Darüber hinaus sei aber auch zu bedenken, dass viele Leute vielleicht gerade nicht das Geld hätten, um es in eine PV-Anlage zu investieren. Oder wüssten eben nicht, welches Potenzial im eigenen Dach schlummere. Zwar rentiere sich eine PV-Anlage in der Regel nach 10 oder 12 Jahren, doch vielen sei dieser Zeitraum bis zum Ertrag zu lang, so zur Bonsen. „Obwohl PV-Anlagen lohnende Investments sind. Strom wird ja für 20-30 Jahre produziert.“ Hinzu kämen abschreckende Fragen rund um den Eigenverbrauch, die EEG-Förderung und die Direktvermarktung.
Photovoltaikanlagen in der Freifläche scheint es in Werne bisher laut der Datenbank des Lanuv noch nicht zu geben. Johannes zur Bonsen, hatte im Umweltausschuss am 10. März allerdings erklärt, dass sowohl in den Freiflächen als auch in den Privatflächen noch Potenzial vorhanden sei. Das Problem nur: „Grundsätzlich ist es so, dass Freiflächen-Anlagen nur gebaut werden dürfen und nur dann eine EEG-Vergütung bekommen, wenn Sie Gegenstand eines Bebauungsplans sind – ausgewiesen als Sondergebiet Photovoltaik.“
Bei Bebauungsplänen ab dem 1. September 2009 dürften Freiflächen-Anlagen nur noch auf besonderen, versiegelten Flächen (bspw. Deponien oder Konversionsflächen) und auf Randstreifen entlang von Autobahn und Eisenbahnschienen (beidseitig im Abstand von 200 Metern) errichtet werden. Das alles nach einem mehrstufigen Planungs- und Genehmigungsprozess.
„In unserer Potenzialanalyse sehen wir aber für das kommunale Gebiet von Werne ein Freiflächen-Potenzial von 13 MWp [Megawatt in der Spitze, Anm. d. Red.] Leistung bis 2030 (das wäre ein möglicher Ausbau in einer für die Freiflächen-PV perfekten Welt). Das gesamte vom LANUV ausgewiesene Freiflächen-Potenzial lässt sich aber wohl in keinem Fall umsetzen – dafür ist die Flächenkonkurrenz einfach zu groß.“

Auf Werne strahlen in der Spitze bis zu 1189 Kilowattstunden Strom pro Jahr herunter. © Energiealtas NRW
Bis 2030 könnte mehr erneuerbare Wärme entstehen
Laut Lanuv hat ganz Werne insgesamt einen Wärmebedarf von 408 Gigawattstunden pro Jahr. 245 davon entfallen auf Wohngebäude, 163 auf Nicht-Wohngebäude. 19,6 Gigawattstunden davon konnten im Jahr 2018 durch Erneuerbare Energien gedeckt werden, so zur Bonsen. Im Bereich der Solarthermie, der Umwandlung von Sonnenlicht in Wärme also, wurden bis Ende 2018 nur 0,8 Gigawattstunden Ertrag in Werne erzielt, mit einer Kollektorfläche von 2091 Quadratmetern. Dabei wären laut Lanuv rund 8 Gigawattstunden für die Warmwasseraufbereitung möglich. Das entspräche 29,7 Prozent des Bedarfs in Werne.
„Bis zum Jahr 2030 könnte 346 kWp KWK-Leistung [Kraft-Wärme-Kopplung, Anm. d. Red.] hinzugebaut werden, Umweltwärme aus Luft- und Erdwärmepumpen könnte in Werne des Jahres 2030 31,8 GWh/a erzeugen (theoretisches Potenzial), Potenzial an Solarthermie bis 2030 - 2,78 GWh/a“, so zur Bonsen. Gleichzeitig sei aber schwer zu sagen, was wirklich kommen werde.
Dies hänge auch mit neuer Technik, dem Bundesstrommix, rechtlichen Fragen und Subventionen zusammen. Als realisierbar sieht zur Bonsen in Werne Wärmepumpen, PV-Anlagen, Solarthermie-Anlagen, Biomassenutzung, Windkraft und die sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), bei der entstehender Dampf in einem Kraftwerk für Wärmezwecke abgeleitet wird.
Gebürtige Münsterländerin, seit April 2018 Redakteurin bei den Ruhr Nachrichten, von 2016 bis 2018 Volontärin bei Lensing Media. Studierte Sprachwissenschaften, Politik und Journalistik an der TU Dortmund und Entwicklungspolitik an der Philipps-Universität Marburg. Zuletzt arbeitete sie beim Online-Magazin Digital Development Debates.
