Drei Männer schauen in eine Kamera

Dr. Olaf Niepagenkemper (Fischereiverband NRW, l.) und Ilias Abawi (Sprecher Lippeverband, r.) sprechen sich klar gegen die geplante Wasserkraftanlage von Dr. Michael Detering (M.) aus. © Privat/Spiller/Klaus Baumers/EGL

Auch Lippeverband positioniert sich gegen geplantes Wasserkraftwerk in Werne

rnWehr in Stockum

In der Lippe in Stockum soll eine Wasserkraftanlage entstehen. Projektverantwortlicher und Fischereiverband kritisieren sich gegenseitig, jetzt hat auch der Lippeverband sein Veto ausgesprochen.

Werne

, 09.08.2022, 16:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Was das geplante Wasserkraftwerk in Werne-Stockum angeht, wird immer mehr Kritik an dem Vorhaben von Dr. Michael Detering laut. Nicht nur der Fischereiverband NRW kritisiert das Projekt scharf, auch der Lippeverband, der sich für die Renaturierung des Gewässers einsetzt, will das Wasserkraftwerk nicht realisiert sehen, wie er unserer Redaktion auf Nachfrage bestätigte.

Der Fischereiverband NRW hatte in der vergangenen Woche massive Kritik an dem Bauwerk geäußert, durch das er vor allem den Tod zahlreicher Fische befürchtet. Wir haben daraufhin noch einmal bei Dr. Detering um Stellungnahme gebeten. Er wirft dem Fischereiverband NRW vor, nur die Interessen von Sportanglern zu vertreten. „Es ist schon erstaunlich, dass ein Verband, der aktiv den Verkauf von Angelscheinen und damit das Fangen und Töten von Fischen bewirbt, versucht, sich als Beschützer von Fischbeständen zu präsentieren.“ Dafür liefere Dr. Olaf Niepagenkemper vom Verband bewusst irreführende Aussagen.

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Laut Detering sei es außerdem „praktisch nicht möglich“, das Wehr in Stockum zu entfernen - aus „flussbaulichen Gründen“. „Mit der Abströmung aus der Wasserkraftanlage erreichen wir dabei sogar eine besonders gute Auffindbarkeit der Fischtreppe für Fische und auch für andere Wasserorganismen.“

Sterblichkeitsrate „bei großen Karpfen“ betrage 0 Prozent

Weiter hält Detering an der Aussage fest, dass die Turbine besonders fischfreundlich sei, den genauen Typ möchte er vor dem Genehmigungsverfahren jedoch noch nicht nennen. Laut Detering betrage die Sterblichkeitsrate „bei großen Karpfen“ 0 Prozent. Durch die Fischerei erlitten die Fische größere Schäden, ist sich Detering sicher. Und die Fische landeten am Ende in der Bratpfanne.

Auch das Argument des Fischereiverbandes, das Wehr führe zu einer Anstauung von Wasser, in dessen Folge eine Erhitzung und Sauerstoffmangel auftreten können, lässt Detering nicht gelten. Der Fischereiverband selber bezeichne die Fischsituation in der Lippe als „gut“. Zudem kenne sich der Fischereiverband in der Energiewirtschaft „offenbar“ nicht aus, da eine Wasserkraftanlage besonders gleichmäßig Strom erzeuge.

Man nutze die Wasserkraft vor Ort optimal aus. „Die Lippe fließt auch dann, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht.“ Anstatt regenerative Energien zu verhindern, solle der Fischereiverband das Vorhaben eher unterstützen, sagt Detering.

Ein Wehr in einem Fluss

Das Wehr am Gersteinwerk in Stockum könnte bald eine Wasserkraftanlage bekommen. © (A) Felgenträger

„Zu sagen, dass Angler nur Fische töten, ist eine Frechheit“, entgegnet daraufhin Dr. Olaf Niepagenkemper vom Fischereiverband NRW. Angler renaturierten Gewässer teils auf eigene Faust. Regelmäßig bekomme er Nachrichten von Anglern, die etwa andere beim Schwarzangeln erwischten.

Erst am Dienstag (9. August) habe der Verband einen Termin mit den Behörden in Schwerte gehabt, wo die Ruhr leer gelaufen sei. Wegen der 4 Meter fehlenden Wassers versuche man nun, die Fische dort zu retten. „Bei dem Wasserkraftwerk landen die Fische nicht in der Bratpfanne, sie landen in den Turbinen und sterben sinnlos“, so Niepagenkemper.

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Darüber hinaus führt der Verband Wiederansiedlungsprojekte durch. In der Lippe etwa werden Quappen und Aale wieder angesiedelt. „Die Tiere sind gerade deswegen ausgestorben, weil die Wehre zum Aufstau der Flüsse führen.“ Die mangelnde Durchgängigkeit und Turbinen führten zum Tod der Tiere. In der Lippe gebe es ein ganzes Spektrum an Fischen, vom Aal bis zum Zander.

Mit rund 40 Fischarten sei der Bestand in dem Fluss insgesamt sehr gut. Das gelte aber eher für die renaturierten Bereiche. „In Staubereichen haben wir nur wenige verschiedene Fischarten.“ Dort hielten sich eher nur die auf, die mit schlechten Umweltbedingungen zurecht kämen, so Niepagenkemper. Diese Beobachtungen seien auch durch die verbandseigene Biologin Dr. Svenja Strom bestätigt worden, die die Lippe über drei Jahre untersucht habe.

Wehr in Stockum gleiche eher einer „Kellertreppe“, so der Verband

Darüber hinaus ist Niepagenkemper wichtig zu betonen: Gegen die Wasserkraft an sich habe der Verband nichts, nur gegen die Kleinwasserkraft, die schädlich sei, weil sie die Durchgängigkeit nicht herstelle. Und bei großen Anlagen, bei denen der energetische Nutzen überwiege, helfe man Projektverantwortlichen, die Fischwege auszumachen, um den besten Standort für die Positionierung der Fischwege zu finden. Aber fischfreundliche Turbinen gebe es nicht, so das Verbandsmitglied. „Das ist völlig irreführend.“

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Selbst hier gebe es noch zweistellige Prozentsätze an toten Tieren nach der Passage. Und mit der Wasserknappheit nehme die Fischsterblichkeit noch zu. „Wenn die Anlage nicht auf 100 Prozent läuft, steigt die Sterblichkeit teils erheblich“, so Niepagenkemper. An anderer Stelle seien derartige Anlagen wegen der Wasserknappheit bereits abgeschaltet worden.

Und auch die Fischtreppen funktionierten nicht, die in Stockum eher einer Kellertreppe gleichen. Denn die Fische folgten immer der Hauptströmung, die sie unweigerlich vor die Turbine bringe. „Es funktioniert einfach nicht.“ Und die EU-Wasserrahmenrichtline habe die Herstellung der Durchgängigkeit zur Pflichtaufgabe gemacht.

Mit seiner Kritik steht der Fischereiverband NRW nicht allein da. Auch der Lippeverband, der dem Umweltministerium unterstellt ist, hat sein Veto im Gespräch mit uns ausgesprochen. „Wir sind immer für Erneuerbare Energien, aber an der Stelle macht es aus ökologischer Sicht keinen Sinn“, sagt Lippeverbands-Sprecher Ilias Abawi.

Der Verband strebt den Rückbau der Wehre in der Lippe an und ist dazu in Gesprächen mit dem Ministerium und der Bezirksregierung. Die Durchgängigkeit, die ökologische Funktion der Fische und die Reisefreiheit flussauf und -abwärts seien wichtig. Und Abawi bekräftigt die Aussagen von Niepagenkemper: Durch das Wehr staue sich das Wasser an, erhitze sich an heißen Tagen und führe zu Sauerstoffmangel. „Die aktuelle Situation wird nicht besser, wenn sie verlängert wird. Wir sind ganz klar dagegen.“