
© Förderverein Stadtmuseum
Wenn die Dampflok kam, nahmen die Frauen in Werne die Wäsche ab
Geschichte der Kleinbahn
Vor 115 Jahren beförderte in Werne eine besondere Eisenbahn zugleich Kohle und Menschen. Die letzte Fahrt der Kleinbahn liegt 35 Jahre zurück. Das Bahnhofsgebäude gibt‘s noch heute.
Bereits kurz nach Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnverbindung von Nürnberg nach Fürth im Jahre 1835 entstanden Pläne, das Kohlerevier an der Ruhr mit dem Münsterland durch eine Eisenbahnstrecke zu verbinden. Dieses scheiterte jedoch ebenso wie jenes Vorhaben aus dem Jahre 1851, das eine schon bestehende Linie von Hannover nach Rheine über Münster nach Dortmund führen sollte.

Kleinbahnhof Werne um 1912. Das Gebäude steht noch heute an der Lippestraße. © Förderverein Stadtmuseum
Die Rentabilität spielte, wie heute auch, beim Bau von neuen Strecken eine große Rolle - die kleinen Ackerbürgerstädte im südlichen Münsterland waren einfach zu unwichtig und ohne große Industrie, um sie mit einer Bahnlinie zu „beglücken“. Auch Albert von Maybach, Wernes Ehrenbürger und ehemaliger preußischer Eisenbahnminister, hat stets bedauert, dass er seiner Geburtsstadt Werne nicht zu einem Eisenbahnanschluss verhelfen konnte.
Erst 1905 bekam Werne den ersten eigenen indirekten Bahnanschluss an das deutsche Eisenbahnnetz. Nachdem auch der letzte Plan, die Bahnlinie Osterfeld-Hamm, die über Werne geführt werden sollte, gescheitert war und die zweite Linie Fröndenberg-Unna-Kamen über Werne auch nicht verwirklicht wurde, wurde der Georgmarien-Bergwerks- und Hüttenverein aus Osnabrück aktiv.
Baubeschluss zur Kleinbahn fiel im Jahre 1901
Im Jahre 1901 entschloss er sich dazu, nachdem Schacht I und II der Zeche Werne schon 1899 abgeteuft worden waren, mit dem Bau einer eigenen, zwölf Kilometer langen normalspurigen Anschlussbahn nach Ermelinghof (später Bockum-Hövel) an der Bahnstrecke Hamm-Münster zu beginnen. Diese Güterbahn war erforderlich, um täglich Kohle von der Zeche Werne nach Osnabrück zu transportieren.
In jahrzehntelangen Verhandlungen, die noch heute im Stadtarchiv einzusehen sind, hatten die Ratsvertreter von Werne den direkten Anschluss der Stadt an das Bahnnetz und damit die Neubelebung der örtlichen Wirtschaft zu erreichen versucht, aber ohne Erfolg. Nach der Installierung der Zechenbahn versuchte die Stadt mit allen Mitteln, den Georgsmarien-Verein zu verpflichten, auch Güter Dritter und vor allem auch Personen auf der Zechenbahn zu befördern.
Genehmigung für Personentransport 1904 erteilt
Am 19. Juni 1904 wurde die polizeiliche Genehmigung erteilt, die vollspurige Grubenbahn von Werne über Stockum nach Ermelinghof in eine nebenbahn-ähnliche Kleinbahn für die Beförderung von Personen und Gütern mittels Dampfkraft umzuwandeln.
So führte ab 1905 die Zechenbahn fortan ein bis zwei Personenwagen der Holzklasse mit. Dieser fuhr zu einem geringen Preis einmal am Werktag von Werne nach Ermelinghof und zurück. Von dort konnte man auf die schon bestehende Eisenbahnlinie Hamm-Münster umsteigen, um in die „große, weite Welt“ zu gelangen.

Ausschnitt aus dem letzten Fahrplan für die Werne-Bockum-Höveler Eisenbahn. © Förderverein Stadtmuseum
Es wurde dann zur selben Zeit ein Bahnhofsgebäude an der Lippestraße errichtet, später Kleinbahnhof Werne genannt im Unterschied zum Bahnhofsgebäude an der Strecke Münster-Dortmund, das erst 1928 fertiggestellt wurde und heute noch fast unverändert dort steht ( es dient mittlerweile als Polizeigebäude ).
Neben dem Hauptgebäude des Kleinbahnhofes war ein Schuppen für Frachtgüter angebaut und auf der anderen Seite gab es ein Toilettengebäude, streng getrennt nach „Für Männer“ und „Für Frauen“, heute nicht mehr vorhanden.
Bergleute nennen Kleinbahn „Pengel Anton“
Die Kleinbahn wurde von den Bergleuten in Evenkamp, die öfter damit fuhren, liebevoll „Pengel Anton“ genannt. Die Holzbänke waren hart – davon konnte sich die Verfasserin dieses Artikels, als sie mit ihrer kleinen Tochter bei einer Fahrt im Jahre 1983 mitfuhr, selber überzeugen. Es war laut und zugig, denn es gab nur einen kleinen Kohleofen zum Heizen.
Dieser Personenwagen, der in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Wismar gebaut worden war, kam auf Umwegen in den 70er Jahren zur Kleinbahn nach Werne. Die Haltestellen von „Pengel Anton“ waren Werne a.d.Lippe-Ost an der Lippestraße, dann Bauer Schulze Berge, in Stockum beim Gersteinwerk, dessen kleiner Bahnhof der Heimatverein Stockum in den 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts umbaute und heute noch als Domizil nutzt, dann Bockum, Hövel und Ermelinghof als Endstation.
Umstellung von Dampf auf Diesel
Nach der Schließung der Zeche Werne 1975 wurde der Betrieb von Dampf- auf Diesellokomotiven umgestellt - der Kleinbahnhof war schon vorher verkauft worden. Nun mussten die Anlieger der Zechenbahn nicht mehr ihre Wäsche abhängen, wenn die Dampflok mit den Kohlewagen vorbeifuhr, denn ansonsten war die Wäsche schwarz.
Die Lok, so erinnern sich alte Werner noch, durfte den Dampf auch erst im hinteren Teil der Lippestraße ablassen und nicht vorne bei den Steiger- bzw. den sogenannten Beamtenhäusern. Das Gebäude des Kleinbahnhofes diente dann jahrelang als erster evangelischer Kindergarten und kam später an Privatleute, die es zu Wohnzwecken umbauten. Danach wurde ein Bahnsteig für die nun Werne-Bockum-Höveler-Eisenbahn genannte Kleinbahn angelegt.
Im Jahre 1985 wurde diese mit einer Sonderfahrt, begleitet vom damaligen Bürgermeister Franz-Josef Grube und einer Klasse der Wiehagen-Schule, stillgelegt, da sie kaum noch genutzt wurde.
Heute ist auf einem großen Teil der ehemaligen Gleisanlagen der Zechenbahn ein Rad- und Wanderweg nach Stockum angelegt worden, der sehr gut frequentiert wird. Das Gebäude des ehemaligen Kleinbahnhofes zwischen der Lippestraße und diesem Radweg ist heute noch gut zu erkennen.