Klaus Hellinger wuchs in der Klein-Siedlung am Hornsberg auf.

Klaus Hellinger wuchs in der Klein-Siedlung am Hornsberg auf. Der Zeitungsausschnitt aus dem Jahre 1961 zeigt oben die im Bau befindlichen zehn Eigenheime. © Jörg Heckenkamp

Vor 70 Jahren entstanden die „Exoten-Häuser“ der Bergleute in Werne

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Wer sich heute die zehn gleichartigen Häuser an der Straße Hornsberg anschaut, wird nichts Besonderes daran entdecken. Damals, vor 70 Jahren, waren sie etwas ganz Exotisches für Werne.

Werne

, 05.10.2022, 08:15 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die zehn gleichartigen Einfamilienhäuser an der Straße Hornsberg in Werne, südlich der Butenlandwehr, haben beim Anblick heutzutage so gar nichts Besonderes an sich. Als sie vor genau 70 Jahren gebaut wurden, waren sie in der Tat etwas ganz Exotisches für die Kleinstadt Werne.

Siedlung Hornsberg entstand „mitten in der Pampa“

Nicht nur, dass diese Siedlung mitten „in die Pampa“ gesetzt wurde (Was man sich heute bei der dicht umgebenden Bebauung kaum noch vorstellen kann). Sie entstand auch unter ganz besonderen sozialen Aspekten. Klaus Hellinger, als Junge einer der ehemaligen Bewohner eines der zehn Häuser, erinnert sich an die Gründungsgeschichte und an etliche Anekdoten.

Der heute 75-Jährige, dessen Vater Heinrich Hellinger einer der beiden treibenden Kräfte für den Hausbau war, erzählt: „Die Idee war, dass sich Handwerker der Zeche in Gemeinschaftsarbeit ein eigenes Häuschen schufen.“ Grundvoraussetzung war die Gründung einer Siedlergemeinschaft, die Bernhard Niegeländer und Heinrich Hellinger anstießen.

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"Exoten-Siedlung" Hornsberg 70 Jahre

Wer sich heute die zehn gleichartigen Häuser an der Straße Hornsberg in Werne anschaut, wird nichts Besonderes daran entdecken. Damals, vor 70 Jahren, waren sie etwas ganz Exotisches für Werne.
04.10.2022

Sohn Klaus Hellinger zeigt den mit Schreibmaschine abgefassten Antrag der Gemeinschaft aus dem Oktober 1951 an den zuständigen Bauminister. Darin heißt es unter anderem: „Wir haben uns mit 10 Handwerkern zu einer Siedlergemeinschaft zusammengeschlossen, um durch eigene Initiative in reiner Selbsthilfe diese Siedlung zu errichten.“

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Damals stand, so ist dem Antrag auf Baudarlehen zu entnehmen, bereits ein Pachtgrundstück von der katholischen Kirchengemeinde zur Verfügung. Eben das am Hornsberg. In den zehn Häusern sollten nicht nur die Familien der Eigenheimer unterkommen, sondern in je einer Einliegerwohnung weitere Zechen-Beschäftigte.

Gemeinschaftlich arbeiten, gemeinschaftlich feiern - hier bei einem kleinen Richtfest.

Gemeinschaftlich arbeiten, gemeinschaftlich feiern - hier bei einem kleinen Richtfest. © Archiv Klaus Hellinger

Das Darlehen wurde gewährt, die Arbeiten konnten beginnen. Harte Arbeit. Die ersten Baugruben wurden 1952 mit der Hand ausgehoben. „Das gefiel aber nicht jedem“, erzählt Klaus Hellinger mit einem Schmunzeln. Denn Bauer Gottfried Funhoff, der das Areal bislang als Pächter bestellt hatte, meinte murrend auf Platt: „De Lucker ward me wär tau makt.“ (Die Löcher werden mir wieder zugemacht). Daraufhin, so Hellinger, hätten die Häuslebauer schlagfertig geantwortet: „Ja Gottfried, die machen wir wieder zu. Da kommen Häuser rein.“

Der Bau schritt voran. Ab Anfang 1952 entstehen die ersten vier Häuser. Die Siedler, wegen der abgelegenen Lage in Werne „Kolonisten“ genannt, zogen mit einem Darlehen von 30.000 Mark, viel Idealismus und noch mehr Eigenleistung ihre Häuser hoch. In der Satzung der Siedlergemeinschaft hatten sich sie zur Solidarität verpflichtet.

Solidarität oberstes Gebot der Siedler am Hornsberg

So heißt es etwa direkt unter Punkt 1: „Es baut nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft.“ Die Arbeitszeit war satzungsgemäß geregelt. Punkt 4: „Die Arbeitszeit für die Gemeinschaft beträgt täglich 5 Stunden und wird auf die Zeit von 15 Uhr 30 bis 20 Uhr 30 festgesetzt.“ Punkt 5 gestattet immerhin ein Luftholen: „Der Sonntag gilt grundsätzlich als Ruhetag.“

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Die zehn Häuser wuchsen in die Höhe. Mitten auf dem Feld. Ringsherum war nichts. „Erst in den nächsten Jahren kamen weitere Häuser in der Nähe dazu“, erinnert sich Klaus Hellinger. „Die nächsten waren die an der Butenlandwehr.“

Den Gemeinschaftsgedanken lebten die Siedler auch nach dem Einzug. Klaus Hellinger erinnert sich an das erste Silvester 1953/1954: „Nach dem Jahreswechsel hat unsere Mutter alle Nachbarn von der Straße spontan zu uns nach Hause eingeladen.“

Heute sind die zehn Exoten-Heime von damals längst in ein riesiges Baugebiet integriert. Meist sind sie noch in Familienhand, sagt der Ex-Bewohner. „Da wohnen jetzt oft die Kinder der Gründer oder deren Enkel.“ Selbstverständlich sind die Heime im Laufe der sieben Jahrzehnte mehrfach modernen Bedürfnissen angepasst und oft auch umgebaut worden.