Vom Militärpfarrer zum Reggae-Musiker - Der verrückte Weg des Toni Tuklan (49)

© Felix Püschner

Vom Militärpfarrer zum Reggae-Musiker - Der verrückte Weg des Toni Tuklan (49)

rnToni Tuklan

Kirche und Musik, Pfarrer und Gitarre - das passt ganz gut zusammen. Aber dass ein angehender Militärpriester zum Reggae-Star wird, ist doch eher ungewöhnlich. Es sei denn, er heißt Toni Tuklan.

Werne

, 07.08.2019, 12:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Musizierende Pfarrer sind an sich nichts Ungewöhnliches. In der Kirche oder am Lagerfeuer eines Sommerferiencamps sieht man sie zum Beispiel recht häufig. Gehört quasi zum Inventar. Glaube und Musik - das harmoniert anscheinend.

Toni Tuklan - sozusagen Wernes Vorzeige-Reggae-Künstler - nickt, wenn man ihn darauf anspricht. So, als wäre sein Weg völlig normal und unspektakulär gewesen. Aber wenn man eigentlich Militärpfarrer in Nigeria werden will und stattdessen dann doch mit Musikgrößen wie Sean Paul oder Rico Bernasconi auf der Bühne steht und Charthits produziert - klingt das nicht zumindest ein wenig ungewöhnlich?

Der schwere Weg zur Priesterschule

„Ja gut, ich gebe zu, das ist vielleicht nicht ganz normal“, sagt Toni Tuklan (49) und lacht: „Ich habe auch nie vorgehabt, professioneller Sänger zu werden. Irgendwie bin ich da reingerutscht. Ich habe einfach immer versucht, alles zu meistern, was im Leben auf mich zukommt. Du kannst eben nicht alles planen.“

„Ich wollte die Jungs beim Militär etwas bremsen. Die waren ja völlig außer Rand und Band.“
Toni Tuklan

Dabei scheint Tuklan, der 1970 in Nigeria geboren wird und im 28.000 Einwohner zählenden Ort Onicha Olona aufwächst, eigentlich schon recht früh ziemlich genau zu wissen, was er will. Das Leben eines Pfarrers fasziniert ihn. Sich um Schwächere kümmern, Frieden predigen, die Gesellschaft ein Stückchen verbessern - das könnte etwas für ihn sein. Bei seinem Vater rennt er damit offene Türen ein, denn der ist strenger Katholik. Also absolviert der zehnjährige Toni die Aufnahmeprüfung für die Priesterschule. Mit Erfolg. Und doch gibt es ein Problem.

Nichts geht ohne Omas Zustimmung

„Die Schule war 600 Kilometer von zuhause entfernt. Und E-Mail und WhatsApp gab es zu dieser Zeit noch nicht. Mein Vater hat mich einmal pro Monat besucht. Mehr ging nicht. Ich hatte schreckliches Heimweh und habe richtig gelitten“, sagt Tuklan.

Als er in den Osterferien nach Hause kommt, bereitet seine Oma dem Projekt ein vorzeitiges Ende. „Du siehst schlecht aus, mein Kleiner. Da gehst du nicht wieder hin“, habe sie gesagt. Und der kleine Toni befolgt die Anweisung.

„Wenn du kein Anwalt, Doktor oder Ingenieur warst, dann warst du gar nichts.“
TONI TUKLAN

Tuklan geht wieder in seiner Heimat zur Schule, der Traum vom Prediger lässt ihn aber nicht los. Ganz im Gegenteil. Er erhält neue Nahrung, als das Land nach einem Putsch Anfang der 1980er-Jahre unter Militärdiktatur fällt. Tuklan will nun Militärpfarrer werden.

„Ich wolle die Jungs beim Militär etwas bremsen. Die waren ja völlig außer Rand und Band. Ich dachte, ich könnte sie beruhigen und so die Situation etwas verbessern. Wenn du etwas in der Gesellschaft ändern willst, dann musst du mittendrin sein“, sagt Tuklan. Also genau dort, wo die „Musik“ spielt.

Toni Tuklan ist ein echtes Multitalent.

Toni Tuklan ist ein echtes Multitalent. © Felix Püschner

Das Problem: Die Priesterschule ist immer noch 600 Kilometer entfernt. Und auch die Oma hat ihre Meinung nicht geändert. Tuklan sucht sich einen anderen Weg, um die Welt zu verbessern. Vielleicht hilft ja ein Studium, um später einmal die ganz großen Dinge bewegen zu können. „Irgendwas mit Gesellschaft“ sollte es allerdings schon sein. Zum Beispiel „Community Development“. „Sozialverwaltung“, das klingt auch nicht schlecht. Und wenn man schon mal dabei ist, kann man auch gleich noch „Marketing“ obendrauf packen.

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Das ist ziemlich mutig. Denn so etwas ist in Nigeria zu dieser Zeit eigentlich nichts für Männer. „Wenn du kein Anwalt, Doktor oder Ingenieur warst, dann warst du gar nichts. Für so ein Studium, wie ich es gemacht habe, wurdest du als Mann ausgelacht“, sagt Tuklan.

Tonstudio statt Hörsaal

Dennoch beendet er sein Studium - um sich gleich ins nächste zu stürzen. „Ich wollte zu meinem Bruder nach Deutschland. Ich habe ihn vermisst. Und er hat mir einen Studienplatz in Paderborn besorgt: Maschinenbau. Weil ich damit bessere Perspektiven in Deutschland hätte, meinte er.“

Tuklan zieht 1994 nach Deutschland. Und doch kommt alles ganz anders als geplant. Als er einen Freund in Bochum besucht, muss er für ihn in die Bresche springen. Schon morgen hat der Kumpel, ein Musiker, einen Termin im Tonstudio. Aber es hapert. Der Song ist noch nicht ganz rund. Komponieren und Schreiben - das hat Tuklan schon in seiner Heimat getan. Allerdings nicht professionell.

Wie die Jungfrau zum Kinde

„Am nächsten Tag rief mich erst mein Kumpel an, um sich zu bedanken. Er sagte, es sei gut gelaufen und er bekomme jetzt einen Vertrag. Allerdings wollte sein Produzent nun, dass ich auch mal vorbeikomme, um den Song einzusingen“, erinnert sich Tuklan.

Genau das tut er auch - und hält wenig später einen Vertrag in den Händen. Mit Musik Geld verdienen? Das soll funktionieren, wo er doch gerade erst aus Nigeria nach Deutschland gekommen ist und einen Nebenjob in einer Verpackungsfirma angenommen hat, um sich sein Studium zu finanzieren? Klingt nach einem gewagten Plan.

In Tuklans Keller entstehen die ersten Demo-Versionen von seinen Songs. Erst wenn der Künstler wirklich zufrieden ist, geht es ins Aufnahmestudio.

In Tuklans Keller entstehen die ersten Demo-Versionen von seinen Songs. Erst wenn der Künstler wirklich zufrieden ist, geht es ins Aufnahmestudio. © Felix Püschner

Madonna war nicht das Richtige

Sein damaliger Chef glaubt jedenfalls, dass Tuklan eher auf die Bühne und ins Tonstudio gehört statt an die Maschinen in der Firma. „Er hat gesagt, dass ich doch nebenbei sowieso die ganz Zeit schreibe“, sagt Tuklan. Die Songtexte und Melodien, die sein Angestellter während der Arbeitszeit aufs Papier bringt, bleiben dem Chef nicht verborgen.

Also zitiert er Tuklan in sein Büro. Doch statt ihm eine Abmahnung zu erteilen, reagiert der Vorgesetzte gelassen: „Ich tue dir jetzt einen Gefallen, Toni. Wenn ich dich hier in der Firma behalte, dann wird aus deiner Musikkarriere sowieso nichts. Also geh! Und falls es nicht klappen sollte, kommst du einfach wieder zurück.“

„Wenn du so etwas erlebt hast, dann gehst du definitiv nicht wieder zurück nach Paderborn.“
Toni Tuklan

Darum wechselt Tuklan von der Maschine ans Mikrofon. „My Sweety“ ist sein erster eigener Song. Er ist seiner Freundin gewidmet. Eigentlich sollte ein Cover von Madonnas „La Isla Bonita“ der Start in Tuklans Musikkarriere werden: „Aber das war irgendwie nicht das Richtige für mich.“

Läuft also auch in diesem Punkt anders als geplant. Wundert aber niemanden mehr in Tuklans Umfeld. Ist schließlich inzwischen fast schon zum Markenzeichen des Nigerianers geworden. Immerhin: Der Fokus liegt jetzt ganz klar auf der Musik.

Zwischen Electro und Reggae

„Ich habe dann bei der Uni Paderborn angerufen und gesagt, dass ich später wiederkomme. Das habe ich dann ein paar Semester hintereinander so gemacht. Irgendwann meinte die Dame am Telefon dann: ‚Sie müssen jetzt nicht ständig hier anrufen, wenn Sie sowieso nicht kommen.‘“

Aber bis Tuklan „so etwas, wie einen Hit“ landet, dauert es noch eine Weile. Beim Song „Pamana“ auf dem von der Band Master Blaster im Jahr 2003 veröffentlichten Album „We Love Italo Disco“ ist der Nigerianer mit von der Partie. Genauso wie bei Rico Bernasconis „Love Deep Inside“ vier Jahre später.

Tuklan stand bereits mit Musikgrößen wie Sean Paul auf der Bühne.

Tuklan stand bereits mit Musikgrößen wie Sean Paul auf der Bühne. © Toni Tuklan / Bampson

Dabei ist das eigentlich überhaupt nicht Tuklans Genre: Electro. Rap und Reggae sind eher sein Ding. Dennoch: „Als wir in Lettland auf der Bühne standen und den Song performt haben, haben plötzlich 40.000 Menschen im Publikum mitgesungen. Wenn du so etwas erlebt hast, dann gehst du nicht wieder zurück nach Paderborn“, erklärt Tuklan und lacht.

Mit Bernasconi und Sean Paul landet er 2015 seinen bislang wohl größten Hit. Der Song „Ebony Eyes“ klettert in die Top-30 der deutschen Single-Charts und sammelt 10 Millionen Klicks bei Youtube.

Und wenn du so etwas erlebt hast, dann willst du offensichtlich auch kein Militärpfarrer mehr werden. „Ich kann mich auch anders für die Gesellschaft einsetzen. Zum Beispiel in meiner Funktion als Sprecher des Königs meines Heimatstammes. Oder durch meine Arbeit auf dem Fußballstützpunkt in Bergkamen. Das ist doch auch etwas Schönes“, sagt der 49-Jährige. Klingt bescheiden, fast schon fromm. Wie bei jemandem, der mal Pfarrer werden wollte.

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