Hellgrüne Akzente, Holz und Leder: Das ist der Stil im Stilvoll. © Mario Bartlewski
Restaurant-Check
Stilvoll im Rathaus: Quälendes Warten auf versalzene Nudeln
Der laue Sommerabend im Stilvoll beginnt entspannt. Er endete ärgerlich nach unendlich langer Wartezeit, falschen Getränken und einem völlig versalzenen Hauptgericht.
Direkt nach der Arbeit husche ich im „Stilvoll im Rathaus“ vorbei und frage nach einem Tisch für zwei. Ist ja quasi direkt nebenan von den Ruhr Nachrichten. Reservierungen: Kein Problem. Nachdem ich meine Begleitung vom Bahnhof abgeholt habe, können wir uns draußen einen Tisch aussuchen.
Wir sind gespannt, was die „New modern Art Cuisine“, mit der das Restaurant wirbt, zu bieten hat. Meine Begleitung studiert mit mir Oekotrophologie (quasi Ernährungswissenschaften). Wir sind also bestens gewappnet für den Restaurantcheck.
360-Grad-Panorama vom Bar-Bereich
18.20 Uhr: Wir sitzen am Tisch draußen auf dem Marktplatz. Der Abend ist mild, aber angenehm. Am Nachbartisch sehen wir schon eine Familie mit Wespen ringen. „Hoffentlich bleiben die uns gleich fern“, sagt meine Begleitung.
Das Essen im Stilvoll
18.30 Uhr: Recht fix ist die Bedienung zur Stelle. Sie duzt uns, das stört uns aber nicht weiter. Wir bestellen zwei Johannisbeerschorlen und bekommen gleich die Speisenkarte und die Tageskarte. Die bis hierhin aufmerksame Bedienung empfiehlt direkt eine Vorspeise (Antipastiteller) und die Gerichte mit Pfifferlingen auf der Tageskarte. Wir sind positiv überrascht.
Die reguläre Karte mit Pizzen, Nudeln, Salaten, Fisch und Fleischgerichten verspricht viel. Auch die Tageskarte sieht gut aus, trotz Rechtschreibfehlern (Kann passieren, das weiß ich als Zeitungsmitarbeiterin am besten). Ab hier geht es bergab.
Das Stilvoll im Rathaus liegt direkt am Markt, im historischen Rathaus und punktet mit einem schönen Außenbereich. © Mario Bartlewski
Ca 18.35 Uhr: Die Bedienung bringt Wasser und eine Apfelsaftschorle. Das Missverständnis klärt sich schnell: Sie gehören an den Nachbartisch.
18.40 Uhr: Nach zehn Minuten entscheiden wir uns gegen den Antipastiteller, dafür aber für Bruschetta mit Pfifferlingen als gemeinsame Vorspeise, Pizza Feige Ziege (Pizza mit Feigen und Ziegenkäse) und Fisch Getümmel (Tagliatelle mit Lachs, roten Zwiebeln und Weißwein-Tomaten-Sahnesauce).
Ca 18.45 Uhr: Wir fragen, wo unsere Getränke bleiben. Die Bedienung entschuldigt sich, sie habe die Bestellung vergessen und fragt, was wir denn bestellt hätten: „Zwei Johannisbeerschorlen“.
18.55 Uhr: Nach 35 Minuten bekommen wir die Getränke.
Andreas Nozar führt das Stilvoll im Rathaus. © Mario Bartlewski
19 Uhr: Die Bedienung kommt erneut. Sie habe vollständig vergessen, unsere Essensbestellung einzugeben. Findet aber, nachdem wir die Bestellung genannt haben, die richtigen Notizen auf ihrem Block wieder.
Ca 19.20 Uhr: Ich erkundige mich nach den Vorspeisen. Die Bedienung verspricht, sich darum zu kümmern. Nach fünf Minuten kommt sie wieder und erklärt: „Das dauert noch einen kleinen Moment, wir haben nämlich oben auch noch sieben volle Tische“. Eigentlich keine richtige Entschuldigung. Auch wenn es voll ist, muss der Service laufen.
Als Vorspeise für zwei Personen war die Bruschetta mit Pfifferlingen genau richtig: reichlich und lecker. © Anna Leonie Kaiser
19.35 Uhr: Nach 55 Minuten bekommen wir die Vorspeise. Wir sind inzwischen ziemlich hungrig und genervt vom Warten. Trotzdem sind wir froh, dass der Teller so großzügig befüllt ist. Die Bruschetta mit Pfifferlingen sieht toll aus und schmeckt auch so. So reicht die Vorspeise für zwei extrem hungrige Gäste und ist trotzdem noch üppig. Für eine Person vielleicht sogar etwas zu viel. Die Wespen lassen uns einigermaßen in Frieden. Beim Abräumen entschuldigt sich die Bedienung fürs Warten.
Ca 19.40 Uhr: Wir bestellen erneut Getränke. Ich wieder eine Johannisbeerschorle, schließlich muss ich noch Auto fahren, meine Begleitung eine rote Berliner Weiße „in einem wespenunfreundlichen Glas, das man mit einem Bierdeckel verschließen kann und nicht in den großen bauchigen Gläsern bitte“. Diesmal kommen die Getränke schneller in wespenunfreundlichen Biertulpen.
Die Pizza Feige Ziege sieht gut aus und schmeckt auch so. Wenn nur die lange Wartezeit nicht gewesen wäre... © Anna Leonie Kaiser
20 Uhr: Eine Stunde und zwanzig Minuten, nachdem wir bestellt haben und 25 Minuten nach der Vorspeise, kommen die Hauptgerichte. Endlich. Die Pizza Feige Ziege sieht genauso toll aus wie die Vorspeise und sie schmeckt meiner Begleitung auch ausgezeichnet.
Das „Fischgetümmel“ war ein Reinfall. Statt der angegebenen Tagliatelle gab‘s Spaghetti, die zu allem Unglück noch stark versalzen waren. © Anna Leonie Kaiser
Die Tagliatelle sind leider ein Reinfall. Erstens sind es keine Tagliatelle, sondern Spaghetti. Zweitens sind sie unfassbar versalzen. Der Koch muss gerade die Liebe seines Lebens kennengelernt haben oder ihm ist einfach der Salzstreuer in die Sauce gefallen. Meine Begleitung probiert, ihr ist es ebenfalls zu salzig. Auf die Frage, ob es schmeckt, antworte ich ehrlich.
360-Grad-Panorama vom Restaurant-Bereich
Die Bedienung entschuldigt sich erneut und bietet an, das Gericht zurückgehen zu lassen. Ich habe allerdings keine Lust, nochmal so lange zu warten und verneine. Während ich zumindest die Lachsstückchen rausfische, kommt ein junger Mann vom Nebentisch zu uns: „Sind Ihre Nudeln auch so versalzen?“
Er und seine Begleitung haben sogar zweimal die Nudeln mit Lachs genommen. Die Armen. Sie lassen die Teller zurückgehen. Der Koch kommt an ihren Tisch und entschuldigt sich, ob er „sonst etwas Gutes tun kann“.
Das hätten wir auch gerne gehabt. Ich lasse mir die Nudeln einpacken, trotz Salz. Lebensmittel wegzuschmeißen, davon halte ich nichts. Am nächsten Tag verdünne ich die Nudeln ungefähr mit derselben Menge Flüssigkeit und etwas Tomatenmark. Die Sauce ist immer noch recht salzig, aber genießbar. Man kann erahnen, wie lecker das Fisch Getümmel im Stilvoll im Rathaus sein könnte, wenn der Koch seinen Liebesrausch überwunden hat.
Eigentlich hatten wir uns darauf geeinigt, uns noch das „Schokoladentörtchen mit flüssigem Kern und Cassis-Eis“ zu teilen. Darauf haben wir beide nach der langen Wartezeit ehrlich gesagt keine Lust mehr. Wir bezahlen den vollen Preis. Zumindest ein „Espresso aufs Haus“ als Entschuldigung wäre nett gewesen.
Getränke
Es gibt alles, was das Herz begehrt. Neben verschiedenen Bieren vom Fass und Flaschenbieren, Cola, Fanta, Sprite, Heißgetränken und Kaffeespezialitäten gibt es neun verschiedene Säfte, auch wahlweise als Schorle. Wein oder Spirituosen haben wir auf der Karte nicht entdeckt. Allerdings wird im Internet die Weinkarte gelobt, nach der wir aber nicht gefragt haben.
Preise
Eher hoch angesiedelt, zumindest für das, was wir an dem Abend wirklich bekommen haben. Das (zugegeben sehr große) Bruschetta mit Pfifferlingen kostet 9 Euro, die Pizza Feige Ziege 9,90 Euro (mit Pancetta plus 2,50 Euro) und die „Tagliatelle“ mit Lachs 11,90 Euro. Das teuerste Hauptgericht ist das Argentinische Rumpsteak mit wahlweise verschiedenen Beilagen und Saucen (24,90 Euro). Das Bier vom Fass (0,25L) kostet 2,10 Euro. Die Preise wären absolut in Ordnung – Pizza und Bruschetta waren sehr lecker – wenn der Service und alles drum herum stimmen würden.
Service
Gelinde gesagt: eine Katastrophe. Zwar gab es Tische, an denen die Bewirtung deutlich besser funktionierte. Allerdings waren wir auch nicht die einzigen, die auf ihre Bestellungen warten mussten. Die Bedienung war leider überfordert und mit jeder monierten Bestellung wurde der Zustand schlimmer. Sie konnte einem fast leidtun. Schließlich ist das Servicepersonal nicht an allen schiefgelaufenen Dingen Schuld, muss sich aber trotzdem die ganzen Beschwerden anhören.
Kinderfreundlichkeit
Die Kinderkarte ließ mich schmunzeln. Neben Nudeln mit Tomatensauce, Poulardenbrust mit Pommes und Salat, einer kleinen Pizza Schinken und Pommes mit Majo oder Ketchup – alle Gerichte mit Namen von Filmcharakteren – gab es auch den Räuberteller: „Du bekommst einen Teller und räuberst bei Deinen Eltern 0,00 Euro“.
Barrierefreiheit
Eher schlecht. Die Toiletten befinden sich im Keller, der Speisenraum innen in der ersten Etage. Einen Aufzug gibt es nicht. Der eigentliche Gastraum sowie der Biergarten sind stufenfrei zu erreichen.
Atmosphäre
Auf dem historischen Marktplatz sitzen oder direkt im alten Rathaus ist ein Traum. Auch das Restaurant selbst ist von innen sehr geschmackvoll, modern und ansprechend eingerichtet mit langer Theke, hell grünen Akzenten und derben Holzpfosten – stilvoll im Rathaus eben.
Bekanntes Problem
Die Erlebnisse unserer Restaurant-Check-Autorin im Stilvoll kann ich teilen - bis auf das versalzene Hauptgericht. Denn gegessen habe ich im Stilvoll immer gut: Wenn ich denn etwas bekommen habe.Die Wartezeiten sind ein bekanntes Problem. Ich bin bereits einmal gegangen, weil nicht absehbar war, wann das Essen kommt. Die Wartezeiten lassen sich nach damaliger Aussage von Chef Andreas Nozar auf die beschränkten Verhältnisse in der kleinen Keller-Küche zurückführen. Nur: Wenn ich um meine Einschränkungen weiß und kann an der Kapazität der Küche nichts ändern, dann muss ich die Speisenkarten entsprechend abspecken.Es nützt nichts, zahlreiche ambitionierte Gerichte anzubieten, wenn ich sie im Hochbetrieb nur mit unfassbaren Wartezeiten ausliefern kann.Jörg HeckenkampMein Fazit
Das Essen war top, natürlich bis auf die vollständig versalzenen Nudeln. Leider kann man dies jedoch überhaupt nicht genießen, aufgrund des Wartens. 55 Minuten bis zur Vorspeise ist ein No-Go. Eine Stunde und zwanzig Minuten warten auf eine versalzene Hauptspeise geht noch weniger. Egal, wie viele Tische besetzt sind. Ein Pluspunkt wäre außerdem eine Online-Speisekarte auf der Internetseite des Restaurants und vielleicht die Kennzeichnung vegetarischer Gerichte auf der Karte.
Anfahrt/Parken
Der nächste Parkplatz ist die Tiefgarage am Roggenmarkt. Da das „Stilvoll im Rathaus“ mitten auf dem Marktplatz liegt, kann man nicht direkt mit dem Auto vorfahren und vor Ort parken.
Was sagt das Netz zum Stilvoll?
Auch bei Tripadvisor und Google-Rezensionen beklagen Restaurantbesucher lange Wartezeiten und überforderte Bedienungen. Bei Google-Rezensionen hat das „Stilvoll im Rathaus“ trotzdem 4 von 5 Sternen, bei Tripadvisor 3,5 von 5 Sternen. Die Küche wird trotz allem sehr gelobt. Versalzene Nudeln scheine die Ausnahme gewesen zu sein.
Restaurant Infos
Stilvoll im Rathaus, Markt 9 (Historisches Rathaus), 59368 Werne
Montag Ruhetag, Di. - Do.: 16 - 0, Fr. - Sa.: 9 - 2; Sonntag: 9 - 0 Uhr.
Tel.: 02389 9906 - 980 oder 981, E-Mail: info@stilvoll-im-rathaus.de
Alle Werner Restaurantchecks finden Sie hier.
Wie funktioniert der Restaurant-Check?
Wir gehen ohne Vorankündigung in die jeweiligen Restaurants – als ganz normale Gäste. Wir sind keine Gastro-Experten, sondern einfach Menschen, die gerne an schönen Orten essen. Wir beschreiben unsere Eindrücke. Wir beschreiben die Läden so, wie wir über sie auch mit Freunden und Bekannten sprechen würden. Mit ihren Schwächen, mit ihren Stärken. Ehrlich. Nachdem wir die Rechnung beglichen haben, offenbaren wir uns und vereinbaren für die nächsten Tage einen Fototermin.
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