
© Stefan Milk
„Stehen hier irgendwann Panzer?“ Lehrerin über das Thema Krieg in der Schule
Kinder und Krieg
Der Krieg in der Ukraine erschüttert die Welt und beschäftigt auch die Kinder. Melanie Ludwig, Schulleiterin der Overberger Grundschule, erklärt, wie wichtig es ist, mit den Kindern darüber zu sprechen.
Die Overberger Grundschule hat vor kurzem ihr erstes Kind aus der Ukraine aufgenommen. Schulleiterin Melanie Ludwig ist überwältigt von der Kreativität und Hilfsbereitschaft der Kinder. Gebastelte Herzen in den Länderfarben der Ukraine, ein Regenbogen, Friedenstauben und ein riesiges Friedenssymbol aus Menschen auf dem Schulhof. „Das lief alles über die Kinder“, sagt Ludwig. Die Schüler haben sich sofort gefragt, wie sie helfen können und Ideen zusammengetragen.
Die Kinder hätten den Jungen aus der Ukraine sofort an die Hand genommen und umarmt. „Die Barriere war sofort weg, das kriegen Kinder sofort hin. Sie haben ihm alles gezeigt. Die Toiletten, die Spieleausleihstelle“.
Die Kommunikation mit Händen und Füßen funktioniert gut, und ansonsten sind da auch noch Russischlehrerin und Kinder, die Russisch sprechen und mit dem Jungen kommunizieren können. Die Musiklehrerin stimmte in der ersten Stunde ein ukrainisches Lied an, das den Jungen zum Lachen brachte und „Mathe läuft auch ohne Sprache“.
Es ist wichtig, mit Kindern über den Krieg zu sprechen
Ukrainische Kinder in deutschen Schulen – das funktioniert. Und Ludwig ist sicher, dass die Kinder schnell Deutsch lernen werden. Die Overberger Grundschule ist bereit für weitere Kinder. Auch viele andere Schulen im Kreis Unna haben bereits ukrainische Schüler in ihrer Mitte aufgenommen.
Doch das Miteinander und die Warmherzigkeit unter den Kindern ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite ist den Kindern auch bewusst, dass ihre neuen Klassenkameraden vor dem Grauen fliehen mussten – und dass der Schrecken so nah ist.

208 Kinder und 10 Lehrkräfte haben als Zeichen für den Frieden in der Ukraine ein großes Peace-Zeichen geformt. © privat
Das Thema Krieg macht keinen Bogen um die Kleinen – auch wenn viele Ältere sie wahrscheinlich am liebsten vor dem Thema abschotten würden. Das wäre aber der falsche Weg, wie die Ausführungen von Melanie Ludwig deutlich machen.
„Wir reden in der Schule darüber. Es ist wichtig, die Kinder ernst zu nehmen. Man darf nicht aufhören, darüber zu sprechen. Das ist wichtig“, erklärt die Pädagogin. Sie erinnert sich noch gut an den Beginn des Krieges und die Reaktion der Kinder. Sie waren sehr ängstlich.
„Wie weit weg sind 1.200 Kilometer? Stehen die Panzer und Soldaten auch irgendwann in unseren Straßen?“ Solche Fragen stellten die Schüler. Und ihre Lehrer gaben ihnen Zeit, Fragen zu stellen. „Wir haben mehrere Stunden damit verbracht, die Kinder reden zu lassen, wir haben auf Landkarten gezeigt, wo die Ukraine überhaupt ist“, sagt Ludwig. Es sei ein schlimmes Thema, das mit so kleinen Menschen besprochen wird, doch es sei wichtig.
Erwachsene können Kindern Sicherheit geben
Die Lehrer gaben ihren Schülern geduldig Antworten. „Aber auch wir Erwachsene können nicht in die Glaskugel gucken und sagen, wann das aufhört“, sagt Ludwig. Dennoch könne man die Kinder ernst nehmen und sie beruhigen und Sicherheit geben. „Eine Garantie gibt es nie, aber man kann Stärke zeigen und beruhigen“, so Ludwig. Es gebe für die Schulen auch Material von der Bezirksregierung und dem Schulministerium. Das beschäftige sich auch generell mit dem Thema Krieg – und schaffe das Bewusstsein, dass der Wohlstand und der Frieden, den wir in Deutschland haben, nicht selbstverständlich ist.
Die Aufarbeitung höre nicht auf, es werde zum Beispiel auch über die Bedeutung der Polizei und der Bundeswehr gesprochen. Und die Kinder verstehen einiges schon sehr gut: „Vielen Kindern im Schülerparlament ist aufgefallen, dass es viele alte Männer sind, die entscheiden. Die Sitzung endete damit, dass die Kinder gesagt haben: Eigentlich müssten Kinder an die Macht. Welches Kind würde denn einen Krieg anfangen?“