
© Felix Püschner / Leonie Sauerland
Plan B gegen Temposünder: Jetzt ziehen die Eltern ihren Joker
Lebendige Spielstraße
Nach den erschreckenden Ergebnissen der Geschwindigkeitsmessung in der Dr.-Hövener-Straße will sich die Spielstraßen-Initiative nicht mehr nur auf die Stadt verlassen. Sie plant eigene Aktionen.
Ob mit dem Auto, Transporter oder Fahrrad - viele Verkehrsteilnehmer ignorieren die Geschwindigkeitsbegrenzung in verkehrsberuhigten Bereichen und Tempo-30-Zonen. Das gilt nicht nur für die Dr.-Hövener-Straße, wo ein Gutachter kürzlich festgestellt hatte, dass 9 von 10 Fahrzeugen ein Kind überfahren würden - wenn denn tatsächlich mal eines auf der Straße spielen würde. Denn das vermeiden die Eltern nach Möglichkeit. Aus Angst, ihren Sprösslingen könnte etwas Schlimmes zustoßen.
Die Initiative „Lebendige Spielstraße“ will sich anlässlich der erschreckenden Messergebnisse nicht allein auf die Hilfe der Stadt verlassen. Die hatte - zumindest im Falle der Dr.-Hövener-Straße - mögliche bauliche Lösungen bekanntlich zuletzt zurückgewiesen.
„Es gibt aber auch andere Stellen im Stadtgebiet, an denen die Situation ähnlich ist“, sagt Thorsten Swat, Mitgründer der Initiative. „Und ich schätze mal, dass viele Leute, die im verkehrsberuhigten Bereich zu schnell fahren, sich auch in 30er-Zonen nicht immer ans Tempolimit halten.“
Er und die übrigen Mitglieder der Initiative stoßen nicht immer auf Verständnis, wenn sie die Übeltäter auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen. Oft seien die Reaktionen eher schroff. Ein Grund mehr, sich besondere Unterstützung zu sichern.
Kleine Helfer - große Wirkung
In Zusammenarbeit mit der Polizei will die Initiative nun die Kinder selbst mit ins Boot nehmen. Die Kleinen sollen bei Laser-Messungen an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet mitkontrollieren und die Verkehrssünder zur Rede stellen. Wer zu schnell unterwegs ist, wird rausgewunken - und darf dem Nachwuchs dann erklären, warum er sich nicht an die Regeln gehalten hat.
Die Initiative baut auf den erzieherischen Aspekt - in doppelter Hinsicht, wie Daniel Steinhoff, ebenfalls Mitgründer, erklärt: „Wenn mich als Autofahrer ein kleines Kind anhält und sagt, dass ich zu schnell war, dann denke ich vielleicht anders darüber nach, als bei einem Polizisten. Außerdem lernen auch die Kinder bei der Aktion, wie man sich richtig im Straßenverkehr verhält.“
Übeltäter reagieren beschämt
Swat und Steinhoff wollen alle Werner Kitas anschreiben und sie bitten, sich an der Aktion zu beteiligen. Doch wie zielführend sind solche Maßnahmen eigentlich?
Thomas Röwekamp, Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Unna, kann die Einschätzung von Steinhoff bestätigen. Bei solchen Aktionen seien die herausgewunkenen Autofahrer in der Regel „sehr beschämt“.
Ihm sei auch kein Fall bekannt, bei dem sich einer der Übeltäter aufgeregt habe oder gar ausfallend geworden sei. Anders als bei den Kontrollen durch die Beamten in Uniform. „Wir bekommen natürlich schon mal den Vorwurf zu hören, wir seien Abzocker“, sagt Röwekamp. Wie nachhaltig der Effekt solcher Aktionen sei, könne man allerdings nicht messen.
Notfallseelsorger im Einsatz
Häufig seien sich Autofahrer gar nicht bewusst, welche fatalen Folgen ihr Fehlverhalten haben kann. Denn kommt es zum Ernstfall, bei dem tatsächlich ein Kind verletzt wird, dann sind die psychischen Folgen nicht nur für das Kind selbst und seine Eltern, sondern auch für denjenigen, der hinterm Steuer saß, dramatisch.
„Genau deswegen arbeiten wir mit Notfallseelsorgern zusammen“, sagt Röwekamp. Gerade bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden kommen die nicht selten zum Einsatz.
Damit es gar nicht erst dazu kommt, will die Initiative die Fahrer sensibilisieren.„Nichts zu tun ist keine Alternative“, sagt Thorsten Swat. „Selbst wenn wir nur 10 Prozent der Leute erreichen, können das ja die entscheidenden 10 Prozent sein. Auch wenn sie dann vielleicht nur 15 statt 20 km/h fahren.“
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
