Solebad-Streit: Drohungen, Warnungen, Eskalation

Jahresrückblick 2014

Er war die Reizfigur 2014: Christian Berger, Bezirkssekretär der Gewerkschaft Verdi. Die einen sahen in ihm den Totengräber des Solebades, für die anderen war er Hoffnungsträger. Im Interview spricht Berger über Werne als "Aushängeschild sozialer Ungerechtigkeit" und die Schuld an der Insolvenz.

WERNE

, 30.12.2014, 19:43 Uhr / Lesedauer: 4 min
Christian Berger - hier beim RN-Interview am 9. Mai - will nach seiner Auszeit zurückkehren und für die Solebad-Beschäftigten kämpfen.

Christian Berger - hier beim RN-Interview am 9. Mai - will nach seiner Auszeit zurückkehren und für die Solebad-Beschäftigten kämpfen.

Von "Genießen" kann nicht wirklich die Rede sein angesichts der unglaublichen Umgangsweise der Stadt Werne mit den Beschäftigten der Solebad GmbH. Ich mag mir gerade nicht vorstellen wollen, wie das Weihnachtsfest in den Familien der betroffenen Mitarbeiter ausgesehen hat. Sicherlich anders als beim Bürgermeister.  

Das Jahr war, besonders bezüglich des Solebadkonfliktes, durch ein hohes Maß an sozialer Ungerechtigkeit geprägt. Die Stadt hat sich wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Ich habe ein derart rigoroses und rücksichtsloses Vorgehen in 33 Jahren gewerkschaftlicher Aktivität noch nicht erlebt. Schon gar nicht bei einem Kommunalbetrieb. Gerade ein solcher Betrieb sollte mit gutem Beispiel vorangehen.  

Natürlich nicht. Was wir verlangt haben, war ja nun wirklich nichts Besonderes. Schlimm genug, dass wir überhaupt gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahmen in Betracht ziehen mussten. Allein das spricht bereits Bände über die Haltung der Werner Ratspolitiker. Lediglich die Linken und die Grünen bilden hier eine Ausnahme. Wir haben zu Verhandlungen aufgefordert, die Arbeitgeberseite hat diese kategorisch abgelehnt und mit einem Scheinangebot, dass in frühestens sieben Jahren greifen würde, Öl ins Feuer gegossen.  

Eine Insolvenz ist zu jedem Zeitpunkt möglich, insbesondere, wenn es um einen defizitär arbeitenden Betrieb geht. Ob dies geschieht, liegt allein in der Hand der politischen Entscheider. Die Politik hat entschieden, das Bad in die Insolvenz zu schicken, weil sie es so wollten. Sie haben versucht, das Bad auf Kosten der Löhne der Mitarbeiter zu sanieren. Diese haben einen enormen Beitrag in den letzten Jahren geleistet. Verbessert hat sich dadurch nichts. Der Streik ist nicht ursächlich für die Insolvenz.  

Die Politik hätte mit uns ernsthaft verhandeln müssen, und zwar bereits von Beginn an. Heute wissen wir, dass von Anfang an geplant war, den Karren vor die Wand zu fahren. Dabei kam der Politik unsere Forderung nach tariflicher Bezahlung gerade recht. So konnten sie der Gewerkschaft die Schuld in die Schuhe schieben und von ihren eigenen, massiven Fehlern ablenken. Die Werner Politiker, mit Ausnahme der Grünen und der Linken, haben der Stadt großen Schaden zugefügt. Werne wird mehr und mehr zu einem Aushängeschild für soziale Ungerechtigkeit. Eine Werbung für den Standort Werne ist das gewiss nicht.  

Mir geht es jetzt um die Zukunft. In anderen Kommunen hat man sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Bäder wieder vollständig in die städtische Trägerschaft zurückzuholen. Damit würde man viele Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wir müssten nicht über tarifliche Bezahlung streiten, private Profitwünsche brauchen nicht befriedigt werden und im Overhead ließen sich erhebliche Einsparungen realisieren.  

Was heißt hier "offensiv"? Wir haben den Arbeitgeber schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert. Das erste Schreiben wurde ja noch mit "Wir wollen nicht" beantwortet. Danach kam gar nichts mehr. Gegenfrage: Geht man so mit einer Gewerkschaft um, die den Großteil der Mitarbeiter in ihren Reihen organisiert hat?  

Ich darf wohl daran erinnern, dass der Betriebsrat seine Rechte häufig nur noch mit anwaltlicher Hilfe durchsetzen konnte. Wer also ist hier offensiv gewesen und hat unangemessene Tonlagen gewählt? Es wurde von Arbeitgeberseite offensiv Front gemacht gegen den Betriebsrat und die Gewerkschaft. Vor Gericht hat die Gegenseite nicht ein einziges Mal obsiegt. Dass die Geschäftsführung keinen Pieps macht, ohne vorher den Segen des Rathauses einzuholen, dürfte wohl kein Geheimnis sein. Nein, in Werne wurde offensiv gegen Arbeitnehmerrechte vorgegangen. Wir mussten darauf reagieren. Die Belegschaft hatte zurecht die Nase gestrichen voll.  

Sehen Sie, Sie sagen es auch. Das Bad wäre ja ohnehin geschlossen worden. Meinen sie damit die Insolvenz oder die reine Schließung?  

Wir haben das getan, was wir tun mussten. Wir haben die Rechte der Arbeitnehmer zu vertreten. Das erwarten unsere Mitglieder von uns. Manchen waren wir sogar noch viel zu zahm. So unterschiedlich können Sichtweisen sein. Das Grundgesetz schreibt Gewerkschaften eine wichtige Rolle in der Gesellschaft zu. Die Verantwortlichen in Werne scheinen das allerdings störend zu finden.  

Ich werde meine Tätigkeit wieder wie gehabt aufnehmen. Das hat übrigens niemals infrage gestanden. Ich bin jederzeit gut auf dem Laufenden gehalten worden, was den Wiedereinstieg erleichtert. Das Planungsdebakel um das Solebad lässt allerdings auch im neuen Jahr nichts Gutes hoffen. Es scheint prüfenswert, ob der Bürgerentscheid faktisch überhaupt noch Handlungsgrundlage für den Rat der Stadt ist. Man kann den Eindruck gewinnen, dass diese Grundlage längst verlassen wurde. Das wäre sicherlich nicht rechtskonform. Wir werden uns gegebenenfalls auch mit einem neuen Bürgerentscheid zu befassen haben. Das müssen wir aber erst noch sehen.  

Ich wünsche mir, dass meine Kollegen aus dem Solebad eine dauerhafte und von guter Arbeit geprägte Perspektive haben. Sie haben am meisten gelitten. Trotz der Insolvenz ist es der Gegenseite nicht gelungen, uns gegeneinander auszuspielen. Ich wünsche mir allerdings auch, dass sich die Medien in Werne mehr mit Details beschäftigen. Da sehe ich noch Entwicklungspotenzial. Ich habe den Umgang mit uns nicht immer als fair empfunden.