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Schlimmer als Corona: Diese Krankheit riss einst Hunderte Werner in den Tod
Stadtgeschichte
Mehrfach hielt die Pest in Werne Einzug - und hinterließ dabei Hunderte Tote. Das Pesthäuschen am Kapuzinerkloster erinnert an die Zeit. Und im Kloster selbst gibt es noch ein weiteres Erinnerungsstück.
Auch wenn man im nunmehr zweiten Jahr der Corona-Pandemie immer noch viele Einschränkungen im öffentlichen und privaten Leben zu bewältigen hat, so ist dies doch kein Vergleich zu den drakonischen Maßnahmen, die im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit ergriffen wurden, um der schrecklichen Seuche, der Pest, die auch als Geisel der Menschheit bezeichnet wurde, Herr zu werden.
Falls in einem Haus festgestellt wurde, dass dort die Pest herrschte, durfte keiner der Bewohner dieses mehr verlassen, es sei denn, was in den meisten Fällen üblich war, als Toter. Falls alle Bewohner starben, riss man das Haus in den meisten Fällen ab und machte es dem Erdboden gleich. Die Leichen kamen auf dem Totenkarren vor die Tore der Stadt und wurden in Massengräbern bestattet.
Zwei Arten von Pest waren im Europa des Mittelalters vorherrschend: Die Lungenpest, die oft schon in wenigen Tagen zum Tode führte, und die Beulenpest, wobei man die auftretenden Geschwüre oft erst „reifen“ ließ, um diese dann aufzuschneiden und Blut und Eiter abließen zu lassen. Eine der schlimmsten Pestpandemien war Mitte des 14. Jahrhunderts von 1348 bis 1352 mit rund 25 Millionen Toten.
Sie kam aus Asien mit Handelsschiffen nach Venedig, Genua und Ragusa, dem heutigen Dubrovnik, und verbreitete sich von dort aus rasch über ganz Europa. Da man die Ursache der Krankheit nicht kannte, halfen auch die damals gebräuchlichen Maßnahmen, wie das Verbrennen aromatischer Kräuter, der Aderlass, das Tragen von Amuletten, das Ablegen von Gelübden oder die Abhaltung von Prozessionen, wenig.

So sah das Pesthaus um 1946 aus. © Archiv Förderverein Stadtmuseum
Die einzig wirksame Maßnahme war die Flucht, wenn man sich noch nicht angesteckt hatte. Zu jener Zeit kam es auch vor allem in den größeren Städten zu zahlreichen Verfolgungen der jüdischen Bevölkerung, der man vorwarf, die Brunnen vergiftet und damit die Pest ausgelöst zu haben. Sie wurden aus den Städten verjagt, oft gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt - es war der erste Holocaust in der Geschichte. Die jüdischen Gemeindemitglieder konnten sich oft nur durch rechtzeitige Flucht retten und suchten danach in kleineren Städten und Dörfern Zuflucht, wie auch in den Jahren 1554 und 1566 in Werne.
Soldaten hinterließen Krankheiten und Seuchen - auch in Werne
Dann kam der Dreißigjährige Krieg, der vor allem in Mitteleuropa für Angst und Schrecken sorgte, denn die Begleiterscheinungen, auch im kleinen Lippestädtchen Werne am südlichen Rande des Oberstifts Münster, waren Hungersnöte, Krankheiten und Seuchen. Überall, wo die Soldateska durchzog oder sich sogar zeitweise niederließ, kam es danach oft zu Pestepidemien. So war es auch in Werne, als 1634 / 35 die katholische Liga unter Capitain Schenking mit 60 Reitern und 200 Mann Fußvolk Werne besetzte.

Das Pestkreuz aus dem 14. Jahrhundert, das Christus am Kreuz mit zahlreichen Pestbeulen zeigt, ist heute noch im Kapuzinerkloster zu sehen. © Fertig-Möller
Das berichtet auch das Bürgerbuch, das sich in unserem Museum befindet und zu den zehn ältesten Bürgerbüchern in ganz Westfalen zählt. So ist dort nachzulesen: „Anno 1636 und 1637 seyn ahn der Pestilenz binnen der Stadt Werne in klein und groß 313 Personen gestorben“ - zu jener Zeit lebten ca. 600 Einwohner in Werne. Später heißt es dann: „Im jar 1636 und 37 sein aus dieser Stadt Werne an der peste in klein und groiß gestorben ... 435 personen“ - wahrscheinlich sind hierbei die Toten im gesamten Kirchspiel mitgezählt worden. Herbern, unser Nachbarort, war Mitte des 17. Jahrhunderts durch die Kriegswirren und die Pestseuche fast menschenleer, sodass sich mehrere Wolfsrudel dort niederließen.
Noch heute erinnert in Werne das sogenannte Pesthäuschen auf der Klostermauer an die schrecklichen Pestepidemien des 17. und 18. Jahrhunderts, denn dort verbrachten die Kapuzinerpatres und -brüder vierzig Tage in Quarantäne, wenn sie in einem von der Pest befallenden Haus die Kranken und Sterbenden betreut hatten, um ihre Mitbrüder nicht anzustecken.
Heute beherbergt das Pesthäuschen Jakobspilger für ein oder zwei Nächte auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela. Auch befindet sich im Klostergebäude noch das sogenannte Pestkreuz aus dem 14. Jahrhundert, das Christus am Kreuz mit zahlreichen Pestbeulen zeigt. Bis 1980 stand es am Marienaltar in der Klosterkirche, wurde bei der Restaurierung des Kircheninneren aber sicherheitshalber in das erste Obergeschoss gebracht.

Ein Bild des Kapuzinerklosters aus der Zeit um 1920. © Archiv Förderverein Stadtmuseum
Erst im Jahre 1894 entdeckte in der damaligen britischen Kronkolonie Hongkong der französische Arzt Alexandre Yersin den nach ihm benannten Erreger der Pest „Yersinia pestis“ und seine Übertragungswege. Man erkannte, dass die alte Vermutung, dass Nagetiere, vor allem Ratten, bei der Entstehung und Verbreitung der Pest eine entscheidende Rolle spielten, richtig war.
Es waren aber die Rattenflöhe, die auf die Haustiere oder gleich auf den Menschen sprangen, die den Pesterreger durch ihre Bisse übertrugen. Bis heute ist die Pest nicht vollständig ausgerottet worden – sie kann aber durch die moderne Medizin wirksam bekämpft werden.