Wernes Altes Rathaus kann jetzt sprechen Podcast-Projekt gibt Denkmälern eine Stimme

Das Alte Rathaus kann jetzt sprechen - dank eines Podcast-Projekts
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„Ich bin das historische Rathaus am Marktplatz in Werne (...) Ich bin ein ganz seltenes Architekturdenkmal (...) Ich habe eine wahrlich bewegende Geschichte“: Diese Sätze hört man, sobald man auf der Internetseite www.sprechendes-denkmal.de auf das Play-Symbol unter dem Bild des Werner Rathauses klickt.

Bei dem Podcast-Projekt „Das Sprechende Denkmal“, einer Kooperation von WestLotto, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, dem Westfälischen Heimatbund und der Uni Münster, erhalten ausgewählte Denkmäler aus NRW eine Stimme. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Aus der Ich-Perspektive erzählen die Bauten in kurzen Audio-Beiträgen von zwei bis fünf Minuten ihre ganz persönliche Geschichte: Wann sie errichtet wurden, was sie besonders macht oder wie sie früher und heute genutzt werden zum Beispiel. Das Alte Rathaus am Rande des Werner Marktplatzes ist eines von mehr als 40 Denkmälern, die inzwischen Teil des Projektes sind. Mit dabei sind unter anderem das Leprosenhaus in Münster, die Alte Dreherei in Mülheim, der Bahnhof Belvedere in Köln sowie die Zeche Consolidation in Gelsenkirchen.

Das älteste Foto des Werner Rathauses stammt aus der Zeit um 1890. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild sind auch mehrere Menschen zu sehen, die sich um den Brunnen in der Marktplatzmitte versammelt haben.
Das älteste Foto des Werner Rathauses stammt aus der Zeit um 1890. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Auf der Internetseite heißt es: „Jedes Denkmal hat eine Botschaft für uns. Sie zeigen Haltung und repräsentieren Werte, die noch heute die Basis für eine demokratische und offene Gesellschaft bilden.“ Gleichzeitig spiegelten Denkmäler die Vielfalt der Kulturlandschaft wider. Es lohne sich also, in ihren Erhalt zu investieren und in ihre Geschichten einzutauchen. Letzteres funktioniert besonders gut, wenn man einfach einmal das Denkmal für sich selbst sprechen lässt.

Und was hat Wernes Altes Rathaus in dem fünfminütigen Beitrag so über sich zu erzählen? Zum Beispiel, dass es vor seiner Restaurierung 1969 bis 1973 fast einem Parkhaus weichen musste. Oder dass es in den 1920er Jahren „wirklich nicht gut in Schuss war, da sich keiner um mich kümmerte“. Das lag vor allem daran, dass das zwischen 1512 und 1514 errichtete Gebäude mehrere Jahre leer stand, nachdem es zuvor 100 Jahre lang als Amts- beziehungsweise Landgericht gedient hatte.

In den 1930er Jahren beherbergte es unter anderem die Hitlerjugend und den Bund deutscher Mädel. Nach dem Krieg wurde es als Unterkunft für Flüchtlinge und Obdachlose genutzt - und schließlich wieder Sitz des Stadtrates.

Dieses Foto des Rathauses entstand wohl zwischen 1910 und 1920. Auf dem schwarz-weiß Bild sind auch Menschen und ein Auto zu sehen.
Dieses Foto des Rathauses entstand wohl zwischen 1910 und 1920. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Wernes Rathaus, dessen spitz zulaufende Bögen charakteristisch für die gotische Bauart sind, erinnert sich allerdings auch an die guten alten Zeiten. Etwa daran, wie üppig hier früher gespeist wurde, wenn Ratswahlen anstanden. Reisbrei, Hering, Sülze, Plätzchen, Kraut und mehr hätten damals auf der Speisekarte gestanden. Und das auch noch mitten in der Fastenzeit.

Auch heute könne man hier wieder speisen und sich „kulinarischen Genüssen hingeben“ - allerdings ohne einen fiesen Richter im Nacken zu haben. Ganz anders als in früheren Jahren, in denen die Ratswaage noch schummelnde Markthändler entlarvte und diese dann direkt vor das Ratsgericht bestellt wurden.

Westfälischer Heimatbund bat um Vorschläge

Dass der Stadtrat gegenwärtig nicht im Bürgersaal tagen kann, verschweigt das Alte Rathaus in dem Podcast allerdings. Zunächst hatte die Pandemie dies verhindert, danach machte die Brandschutzproblematik den Politikern einen Strich durch die Rechnung. Denn seither dürfen sich nicht mehr als 30 Personen im Obergeschoss aufhalten.

Dieses Bild stammt aus den 1930er Jahren. Es zeigt ein Denkmal in der Marktplatzmitte und das Rathaus dahinter. Zur Zeit des Nationalsozialismus beherbergte das Rathaus unter anderem die Hitlerjugend.
Dieses Bild stammt aus den 1930er Jahren. Zur Zeit des Nationalsozialismus beherbergte das Rathaus unter anderem die Hitlerjugend. © Archiv Förderverein Stadtmuseum

Doch wie hat es das historische Rathaus überhaupt auf die Internetseite geschafft? Wernes Stadtführerin und einstige Museumsleiterin Heidelore Fertig-Möller weiß da mehr. In einem Rundschreiben habe der Westfälische Heimatbund vor einiger Zeit dazu aufgerufen, Vorschläge für das Projekt zu machen. Sie habe anschließend Kontakt mit dem Heimatbund aufgenommen. Unter den mehr als 50 eingereichten Vorschlägen stand das Werner Rathaus dann ganz oben auf der Liste. „Da können wir schon ein bisschen stolz drauf sein“, sagt Fertig-Möller, die zwar den Text beigesteuert, aber nicht die Rolle der Sprecherin übernommen hat.

Stolz und überzeugt klingt auch das Alte Rathaus selbst, wenn es zum Ende des Audio-Beitrags erklärt: „Ich trage mit meinen rot-gelben-Fensterläden dazu bei, dass die Werner Innenstadt lebendig bleibt.“ Gar nicht mal so schlecht für ein mehr als 500 Jahre altes Bauwerk.

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