Auf dem Markt am Freitag (17. Juli) hat die Polizei die Bürger über die Maschen Enkeltrick und falscher Polizist informiert. In Werne hatten Betrüger mehrere zehntausend Euro von Senioren erbeutet.

© Eva-Maria Spiller

Polizei zu Enkeltrick-Betrug: „Wir kommen an die Senioren gar nicht dran“

rnEnkeltrick und falsche Polizisten

Weil Betrüger in Werne mehrere zehntausend Euro erbeutet haben, indem sie sich als falsche Polizisten und Enkel ausgaben, hat die Polizei den Wochenmarkt genutzt, um Bürger zu informieren.

Werne

, 18.07.2020, 10:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

In der vergangenen Woche haben Betrüger, entweder als falsche Enkel oder als falsche Polizisten, gleich zwei Mal „erfolgreich“ Werner Senioren um ihr Geld gebracht. Insgesamt erbeuteten sie am 7. und 10. Juli mehrere zehntausend Euro an Bargeld sowie Schmuck. Und das, obwohl die Polizei immer und immer wieder eindringlich vor genau diesen Maschen warnt.

Die jüngsten Fälle und Zeitungsberichte haben die Polizei dazu bewogen, am Freitag (17. Juli) in Kontakt mit insbesondere den älteren Werner Bürgern auf dem Wochenmarkt zu treten. Normalerweise informiere die Polizei die Menschen bei Besuchen, etwa in Seniorenheimen. Wegen der andauernden Coronapandemie ist das aber aktuell nicht möglich.

Sonderfall Corona: „Wir kommen an die Senioren gar nicht dran“

„Wir kommen an die Senioren gar nicht dran“, sagt Polizeihauptkommissar Thomas Stephan, der am Freitagmorgen gemeinsam mit Polizeihauptkommissar Detlef Ostermann Informationsflyer an die Senioren auf dem Wochenmarkt aushändigte und sie in Gesprächen über die Betrugsmaschen informierten. „Viele sagen: ‚Ich kenn‘ das, ich weiß das‘“, sagt Stephan. Warum es dann aber doch passiere, könne auch er sich nicht erklären, so der Polizeihauptkommissar.

„Kennst du mich denn gar nicht mehr?“ So beginne nicht selten einer dieser Betrugsanrufe. Indem die Senioren dann anfingen zu raten und Namen von Verwandten zu nennen, erlangen die Betrüger persönliche Informationen. An ihre Opfer gelangen die Täter nicht selten über das Telefonbuch, in dem sie nach älter klingenden Namen suchen. Bei der Telekom können Bürger ihren Vornamen abkürzen lassen - zum Beispiel Helga Schmidt in H. Schmidt.

In Nordrhein-Westfalen stellen die Phänomene „Enkeltrick“ und „Falsche Polizeibeamte/falsche Amtsträger“ den größten Teil der Betrugsdelikte im Bereich „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen - Überörtliche Tatbegehung“ (SÄM-ÜT) dar, heißt es vom Landeskriminalamt (LKA) auf Anfrage. Das beinhaltet auch Raub- und Diebstahlsdelikte.

LKA meldet 22.956 Fälle falscher Polizisten in NRW in 2019

Seit 2019 sind diese Phänomene gesondert in der Polizeilichen Kriminalstatistik aufgeführt: 188 Fälle des Enkeltricks sind der Polizei im vergangenen Jahr gemeldet worden. In 53 Fällen blieb es bei Versuchen. 21 der 188 Fälle konnten aufgeklärt werden. In Sachen „falscher Amtsträger“ waren es 2019 landesweit 492 Fälle, von denen 365 vollendet wurden. 110 der 492 Fälle konnten aufgeklärt werden. Bei diesen Zahlen handelt es sich allerdings nur um die Taten, die in Deutschland stattgefunden haben. Also ein Mittelsmann etwa die Senioren aufgesucht hat.

Jetzt lesen

Weitaus größer ist die Zahl der sogenannten gemeldeten Auslandsstraftaten - die Fälle, in denen die Hintermänner etwa aus der Türkei Senioren in Deutschland anrufen, ohne dass weitere Schritte in Deutschland folgen. 4368 Enkeltrickanruf-Fälle waren es 2019 in NRW, von denen es in 4283 Fällen bei Versuchen blieb. Nur drei Fälle konnten aufgeklärt werden. In Sachen „falscher Amtsträger“ lag die offizielle Fallzahl 2019 bei 22.956, von denen 22.505 Versuche blieben. Hier konnten insgesamt 45 Fälle aufgeklärt werden.

Diese Tipps gibt die Polizei älteren Menschen, um sich zu schützen

Bei den genannten Zahlen handelt es sich allerdings nur um die Fälle, die der Polizei auch gemeldet wurden. Deshalb bittet die Polizei Unna Betroffene, immer die 110 zu wählen. Nur so könne das Vorgehen der Betrüger nachvollzogen werden und zu Ermittlungserfolgen führen, so der Pressesprecher der Polizei in Unna, Christian Stein.

Vielen Werner Marktbesuchern ist die Betrugsmasche aus der Zeitung bekannt.

Vielen Werner Marktbesuchern ist die Betrugsmasche aus der Zeitung bekannt. © Eva-Maria Spiller

Um nicht zum Opfer dieser Betrüger zu werden, gibt die Polizei folgende Hinweise:

  • Die Polizei ruft niemals unter der 110 an. „Über ausländische Telefondienstanbieter sind die Täter in der Lage, jede beliebige Rufnummer im Displan des Angerufenen einzublenden“, so die Polizei.
  • Bei verdächtigen Anrufen sofort auflegen und den Notruf unter 110 informieren.
  • Unbekannten keine Auskünfte über Verwandte, das eigene Vermögen oder sensible Daten geben.
  • Niemals Geld oder Wertsachen übergeben. „Die Polizei wird Sie niemals auffordern, Wertsachen und Geld an einen vermeintlichen Polizisten zu übergeben“, so die Polizei.
  • Ebenso wenig erfragt die Polizei Bankdaten.
  • Senioren sollten sich bei Nachbarn oder Verwandten nach dem Wohlergehen des „echten“ Enkels erkundigen, wenn der „falsche“ Enkel am Telefon behauptet hat, krank oder in Schwierigkeiten zu sein.

Denn das Vorgehen der Betrüger ist perfide. Durch sich immer wiederholende Anrufe über einen längeren Zeitraum werde der psychische Druck auf die Opfer erhöht. Die Telefonate dauern dabei oft so lange an, bis Bargeld und Wertgegenstände an Haustür oder Straßenecke übergeben wurden, damit die Betroffenen in dieser Zeit nicht die Polizei rufen.

Dabei können die Maschen der Betrüger variieren: vom am Coronavirus erkrankten Enkel über den finanziell in Not geratenen Enkel, den Gesundheitsamtsmitarbeiter, den falschen Polizisten, den angeblichen Staatsanwalt oder den Rauchmelder-Prüfer. Scheitern die Betrüger mit einer Masche, wird beim nächsten Anruf gern auch eine andere Masche versucht.

  • Zuletzt waren falsche Polizisten am 9. Juli in Köln-Porz festgenommen worden, als sie sich mit einem 70 Jahre alten Mann zu eine Geldübergabe von 70.000 Euro treffen wollten. Der Senior sollte das Geld nach Angaben des WDR auf dem Vorderreifen seines Autos lagern und weggehen. Allerdings hatte der Senior seinen Verwandten, einen Polizeikommissar, über den Fall informiert. So konnte die echte Polizei die drei falschen Polizisten festnehmen.
  • Die Informationsflyer der Polizei liegen in Werne im Hallenbad, in der Bücherei und in weiteren städtischen Einrichtungen aus
Lesen Sie jetzt
" Mit Kampagnen wie dieser warnt die Polizei vor Betrügern, die sich als Ordnungshüter ausgeben. Binnen weniger Tage ist nun zum zweiten Mal eine Werner Seniorin Opfer geworden.

Binnen weniger Tage ist in Werne zum zweiten Mal eine Seniorin Opfer von Betrügern geworden. Mit einer simplen Masche erbeuteten Unbekannte Bargeld und Schmuck. Von Felix Püschner