Bereits in der vorherigen Kolumne hatten wir uns im Rahmen von Ehegattentestamenten mit der Frage beschäftigt, ob nicht auch Unvorhergesehenes bei der Errichtung eines Testamentes bedacht werden muss. Dabei war insbesondere ein nach Errichtung des Ehegattentestamentes liegendes Scheitern der Ehe zu betrachten.
Ein zuletzt vom Oberlandesgericht Oldenburg entschiedener Fall gibt Anlass das Problem möglicherweise nicht erkannter späterer Entwicklungen näher zu betrachten und sich zu fragen, was zum Beispiel im Falle einer Trennung vom Ehegatten oder nichtehelichen Lebenspartner aufgrund einer Demenz passiert. Zudem heißt es auch als übergangener Erbe aufgepasst, denn im Erbrecht gilt ein besonderes Anfechtungsrecht. Mit einer Anfechtung kann man Testamente als benachteiligter Hinterbliebener angreifen.
In dem angesprochenen Fall hatte der Erblasser unter anderem seinen nichtehelichen Partner zum Erben eingesetzt. Später kam es jedoch dazu, dass der Erblasser dement wurde und in einem Pflegeheim betreut werden musste. Der Partner des Erblassers hielt den Kontakt weiterhin aufrecht, die Lebensgemeinschaft setzte sich jedoch nicht fort. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft war zerbrochen und einige Jahre später heiratete der zum Erben bestimmte Lebenspartner eine andere Person. Die im Testament zur Miterbin bestimmte Tochter war der Ansicht, dass für diesen Falle das Testament nicht gelten solle. Sie erklärte die Anfechtung der Einsetzung des neu verheirateten Partners zum Erben mit der Begründung, dass sich der Erblasser – ihr Vater – geirrt habe als er das Testament errichtete. Die bestehende Beziehung sei das Motiv der Erbeinsetzung gewesen.
Demenz trennte Partner
Das Oberlandesgericht erkannte zwar an, dass der Erblasser von der Fortdauer der nichteheliche Lebensgemeinschaft ausging und nach gefestigter Rechtsprechung die Erbeinsetzung dann im Zweifel unwirksam sei. Jedoch war es davon überzeugt, dass der Erblasser die Erbeinsetzung trotzdem gewollt hätte, wenn ihm die späteren Entwicklungen bekannt gewesen wären. Denn die Partner haben sich nicht zerstritten, sondern sind durch die Demenz des Erblassers sozusagen faktisch getrennt worden. Die grundsätzliche Zuneigung zueinander sei nicht verloren gegangen. Daher sei davon auszugehen, dass der inzwischen anderweitig verheiratete Partner zum (Mit-)Erben berufen sei. Eine weitergehende Treue trotz der Erkrankung wird vom Gericht nicht für maßgeblich erachtet.
Motive angeben schadet nicht
Anhand dieses Falles sieht man, dass die durchaus schwierige Ermittlung des Willens des Erblassers unterschiedliche Wege gehen kann und immer der Einzelfall zu betrachten ist. Wenn man sein Testament errichtet, sollte man daher lieber das ein oder andere Wort zu viel auch im Hinblick auf die eigenen Motive verlieren. Hierbei kann es darum gehen, warum man jemanden im Testament bedenkt oder um ausdrückliche Regelungen für den Fall das Beziehungen zu Menschen zerbrechen. Natürlich lässt sich nicht jeder Fall vorhersehen. Die Angabe von Motiven im Testament schadet jedoch nicht.

Die weitere Erkenntnis liegt in dem Anfechtungsgrund des Motivirrtums. Bei anderen Rechtsgeschäften des Lebens spielen Irrtümer, die sich aus den persönlichen Motiven für zum Beispiel einen Vertragsabschluss ergeben, keine Rolle. Ein Verkäufer muss sich keine Gedanken darüber machen, ob der Käufer sich vorstellt mit dem gekauften Zucker einen Geburtstagskuchen zu backen und dann die Geburtstagsfeier ausfällt. Der Käufer wird das Geschäft deswegen nicht anfechten und rückgängig machen können. Anders ist es hingegen bei der Errichtung von Testamenten: Hier finden Irrtümer des Testierenden, die rein auf den bewegenden Gründen für Begünstigungen oder Benachteiligungen beruhen, weitgehend Berücksichtigung. Derjenige der von einer Anfechtung des Testamentes profitieren würde sollte, sich anwaltlich beraten lassen und spätestens binnen einer Frist von einem Jahr nach dem Tode die Anfechtung erklären.
Leander Müller (35, LL.M.) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht und Familienrecht. Er ist in der Rechtsanwalts- und Notarsozietät SCHLÜTER GRAF in Dortmund (www.schlueter-graf.de) tätig. Seine Haupttätigkeitsgebiete sind das Erbrecht und das Familienrecht. Hierzu gehören vorsorgende Beratungen und die Vertretung in Rechtsstreitigkeiten rund um beispielsweise den Pflichtteil, Vermächtnisse, Testamente, die Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften, Scheidungen, Vermögensauseinandersetzungen oder Unterhaltsansprüche.
Testament, Trennungslösung: So können Ehepaare ihren Nachlass regeln
Familien-Recht: Die Beziehung zerbricht - kann ich gemachte Geschenke zurückfordern?
Schenkungen an die Familie: Geschwistern steht nur geringer Freibetrag zu