Auf dem Hof Jücker kommen pro Jahr rund 500 Ferkel zur Welt.

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Ohne Neuland würde es den Hof Jücker in Werne nicht mehr geben

rnNeuland-Fleisch

Der Hof Jücker ist der einzige in Werne, der seinen Hof nach dem Neuland-Konzept betreibt. Ohne das würde es den Hof heute nicht mehr geben, sagt die Familie.

Werne

, 08.08.2021, 14:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Vor sechs Jahren stand der Hof von Johannes Jücker und seiner Familie vor der großen Frage: weitermachen oder aufgeben? Die niedrigen Preise für die Schweine in der konventionellen Tierhalten machte das Überleben für den Hof unmöglich.

„Für kleine Betriebe ist es da schwierig, am Markt zu bestehen“, sagt Johannes Jücker. „Nur um der Arbeit willen macht man das nicht“, sagt Mutter Toni Jücker. Doch anstatt aufzugeben, entschied sich die Familie, ihren kleinen Schweinebetrieb als Neulandhof zertifizieren zu lassen. Er ist bis heute der einzige Neulandhof in Werne, Abnehmer sind unter anderem das Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft von Clemens Overmann an der Steinstraße.

Schritt zu Neuland würde Familie Jücker wieder gehen

Es ist ein Schritt, den die Familie Jücker wieder gehen würde, sagt sie. Die Schweine habe sie anders als in der konventionellen Tierhaltung immer schon auf Stroh gehalten - so wie es das Neulandkonzept vorsieht. Doch Veränderung brachte die Neuausrichtung trotzdem mit sich. Für die Schweine brauchte es mehr Platz, Ausläufe mussten angebaut werden. Das seien am Anfang mehrere Tausend Euro an Investitionen gewesen, die auch gut überlegt sein wollten, sagt Christian Jücker. Das Futter musste gegen gentechnikfreies aus Deutschland ohne Antibiotikaeinsatz getauscht werden.

Neuland-Geschäftsführer Christoph Dahlmann (l.) mit Michael (v.l.), Toni, Johannes und Christian Jücker vor dem mobilen Hühnerstall auf dem Hof Jücker.

Neuland-Geschäftsführer Christoph Dahlmann (l.) mit Michael (v.l.), Toni, Johannes und Christian Jücker vor dem mobilen Hühnerstall auf dem Hof Jücker. © Spiller

Doch für den Aufwand verspricht Neuland auch etwas: einen stabilen Preis. Derzeit liege der Preis für ein Kilo Schweinefleisch bei 1,35 Euro, sagt Christoph Dahlmann, Geschäftsführer der Neuland Vertriebs GmbH in Bergkamen. Die Neuland-Schweinebauern bekommen pro Kilo 2,20 Euro. 500 Ferkel erblicken im Schnitt im Jahr das Licht der Welt auf dem Hof Jücker am Hagenbuschweg. Wenn diese die Schlachtreife erreicht haben, geht es für sie direkt vom Hof zum Schlachthof in Unna. Ohne Zwischenhändler. Und von da zur Zerlegung in die Biostation Bergkamen-Rünthe. Die Lieferwege im Neulandkonzept sind kurz.

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10.000 Neuland-Schweine werden in allen westfälischen Betrieben pro Jahr geschlachtet. Zum Vergleich: Beim Fleischkonzern Tönnies in Rheda-Wiedenbrück würden 30.000 Schweine täglich geschlachtet. Seit dem 10. Juli sind auch die vormaligen Freiland-Hühner und ihre Eier auf dem Hof Jücker Neuland-zertifiziert. 1500 Quadratmeter Auslauffläche samt mobilem Hühnerstall stehen den rund 300 Tieren dafür zur Verfügung. Von 10 Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang können die Hühner nach Belieben zwischen Stall und Freigehege hin- und herwechseln. Täglich kommt der Betrieb auf etwa 285 Eier.

Von 1 Millionen auf 270.000 Landwirte bundesweit

1988 gründete sich der „Neuland-Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung e.V.“ in Bonn. Damals, sagt Christoph Dahlmann, habe es noch rund eine Million landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland gegeben. Heute sind es noch rund 270.000 Landwirte deutschlandweit. Schon damals habe es angefangen, dass ein Bauernhof nach dem anderen aufgab. Ein Trend, der sich bis heute fortsetzt. Und einer, den Neuland mit seinem Konzept zumindest verlangsamen möchte. „Wir konnten das Bauernhofsterben nicht aufhalten“, sagt Dahlmann.

Seit Juli 2021 sind auch die Hühnereier des Hofes Jücker Neuland-zertifiziert.

Seit Juli 2021 sind auch die Hühnereier des Hofes Jücker Neuland-zertifiziert. © Spiller

Aber durch den Neuland-Voll- und Nebenerwerb einiger Höfe seien die Erträge für die Höfe verbessert worden. „Sonst wären wir auch nicht mehr da“, sagt Johannes Jücker. Heute sei es möglich, so zu wirtschaften, dass sich der Hof trage. Es gäbe viele Höfe, die sich selbst eine artgerechtere Tierhaltung wünschen würden, aber in der konventionellen Vermarktung sei das einfach nicht möglich, um das eigenen Überleben zu sichern, so Jücker.

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