„An dieser Stelle wurde die Munition bis zum Ende des 2. Weltkriegs gelagert", sagt Robert Becker im Stadtwald Werne.

„An dieser Stelle wurde die Munition bis zum Ende des 2. Weltkriegs gelagert", sagt Robert Becker im Stadtwald Werne. Er war damals sieben Jahre alt. © Jörg Heckenkamp

Zeitzeuge weiß: Es gab ein geheimes Nazi-Munitionslager im Stadtwald Werne

rnMit Video

Im Stadtwald von Werne hatten die Nazis ein geheimes Munitionslager eingerichtet. Heute ist kaum noch etwas davon zu sehen. Aber ein Zeitzeuge erinnert sich an Einzelheiten.

Werne

, 29.09.2022, 05:15 Uhr

Im Zweiten Weltkrieg hatten die Nationalsozialisten im Stadtwald von Werne, der damals noch Stadtbusch hieß, ein geheimes Munitionslager eingerichtet. Zum Ende der Kämpfe in dieser Region, Ende März 1945, wurde ein Teil der dort gelagerten Munition gesprengt. Vor Ort ist heutzutage allerdings kaum noch etwas von der Anlage zu sehen. Ein Zeitzeuge aus Werne erinnert sich an Einzelheiten.

„Ich war damals 7 oder 8 Jahre alt“, sagt der gebürtige Werner Robert Becker. Seine Familie wohnte damals in Ehringhausen. „Es war ein offenes Geheimnis, dass es in den letzten Kriegsjahren im Stadtwald ein solches Munitionslager gab“, sagt der 84-Jährige, der sich noch erstaunlich gut an viele Details von damals erinnert.

Vor Ort dagegen ist nichts mehr von dem eigentlichen Munitionslager oder der Baracke der Wachmannschaft zu sehen. „Aber wenn man genau hinschaut“, sagt Becker und weist mit seinen zusammengerollten Notizen auf eine unscheinbare Vertiefung, „dann sieht man hier ein sogenanntes Ein-Mann-Schützenloch“.

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Becker steht auf den Überresten der sogenannten Landwehr am nördlichen Rand des Stadtwaldes. „Das war im ausgehenden Mittelalter eine Art Vorne-Verteidigung der Stadt Werne“, sagt Historikerin Heidelore Fertig-Möller. Mittels Gräben, Wällen und Dornenhecken wollte man damals vor allem Feinde zu Pferde schon vor den Toren der Stadt aufhalten.

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Geheimes Nazi-Munitionslager in Werne

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges befand sich im Stadtwald Werne ein geheimes Munitionslager der Nazi-Truppen. Wer genau hinschaut, kann heute noch Reste davon entdecken.
29.09.2022

Genau im Bereich der alten Landwehr hatten die Nazis ihr Munitionslager eingerichtet und durch Schützenlöcher abgesichert. Wer den Weg am nördlichen Waldrand einschlägt und genau hinschaut, „kann ungefähr alle 20 bis 30 Meter die Reste eines solchen Ein-Mann-Loches sehen, in dem ein Soldat mit einem Maschinengewehr platziert war“, weiß Robert Becker.

Der gelernte Hub- und Wagenschmied, der sich später bis zum Diplom-Ingenieur bei der Ruhrkohle weitergebildet hatte, kennt noch mehr Einzelheiten. „Das Lager war natürlich deswegen im Stadtbusch angelegt, damit die Flieger es von oben nicht entdecken konnten.“ So gab es damals auch kaum größere Bauten, alles sei unter Tarnnetzen versteckt gewesen.

Munitionslager als Schutz gegen Flieger im Wald eingerichtet

Und wie kamen die schweren Munitionskisten dort hin bzw. wieder zurück? „Mit der Bahn“, weiß Becker. Das Areal lag nahe der heutigen Bahnlinie Dortmund-Münster. An einer Stelle in der Nähe des Nazi-Munitionslagers habe es eine Art Verladestation gegeben. „Das Ganze geschah immer während der Dunkelheit, um keine Aufmerksamkeit der feindlichen Flugzeuge zu erregen.“

Das Versteckspiel funktionierte. Bis zum Kriegsende wurde das Munitionslager im Stadtwald von Werne nicht entdeckt. Allerdings gab es einmal eine Bombardierung einer der Munitionszüge. „Offenbar stand einmal ein Munitionszug bei Tageslicht auf der Strecke“, sagt der 84-Jährige. Prompt hätten alliierte Tiefflieger das lohnende Ziel entdeckt.

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„Die flogen direkt über unseren Hof. Mein Bruder und ich haben uns sofort auf die Erde geworfen“, erinnert sich der Zeitzeuge. Anschließend jagten die Flugzeuge den Munitionszug in die Luft. „Die Explosion war so gewaltig, dass im Umkreis viele Dächer und Fensterscheiben zu Bruch gingen. Selbst in der weit entfernten Christophorus-Kirche wurde ein Kirchenfenster zerstört.“

Nazi-Munitionslager blieb bis Kriegsende unentdeckt

Das eigentliche Munitionslager dagegen bliebt seines Wissens nach unversehrt, und das bis Kriegsende im Frühling 1945. Als die Alliierten immer näher rückten, schafften die Soldaten den Großteil der Munition („Hauptsächlich Flak-Granaten“, so Becker) fort. Die Reste sprengten sie im Stadtwald. Auch diesen Platz könne man heute noch erkennen, „wenn man weiß, was damals geschehen ist“, sagt Robert Becker und weist auf einen Bereich mitten im Stadtwald, wo Krater und lichte Flächen zu sehen sind.

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Während „die Einheimischen damals genau wussten, was in dem gesperrten Waldstück zwischen Bahnlinie und Goetheweg vor sich ging“, ist das Wissen um das geheime Munitionslager heute fast vergessen. „Es gibt keine Aufzeichnungen mehr, in der Schlussphase des Krieges wurden viele Unterlagen vernichtet“, sagt die ehemaligen Werner Museums-Leiterin und Geschichts-Expertin Heidelore Fertig-Möller.

Robert Becker ist einer der letzten Zeitzeugen

Zeitzeugen gebe es kaum noch. Umso dankbarer ist sie Robert Becker, „dass er uns an seinen Erinnerungen an diesen besonderen Ort in Werne teilhaben lässt.“ Becker weiß zudem, was nach der Flucht der Soldaten geschah: „Die haben viel zurückgelassen. Sofort kamen die Leute und plünderten alles, was sie kriegen konnten.“

Dabei seien die Werner sehr sorglos mit dem brisanten Material umgegangen. Um an das Metall der Granaten zu gelangen, hätten manche die Spitzen einfach abgeschlagen. Robert Becker: „Aber soweit ich weiß, ist es dabei zu keinen schweren Unfällen gekommen.“

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